Tierschützerverfahren: "Sexfalle" rechtswidrig?

Tierschuetzerverfahren Sexfalle rechtswidrig
Tierschuetzerverfahren Sexfalle rechtswidrig(c) APA (GUENTER R. ARTINGER)
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Eine verdeckte Ermittlerin der Polizei, die sich als Französischstudentin in die Tierschützerszene eingeschlichen hat, sorgt für Aufregung

Wien. Eine verdeckte Ermittlerin der Polizei, die sich als 1978 geborene Französischstudentin „Danielle Durand“ in die Tierschützerszene eingeschlichen hat, sorgt für Aufregung: Laut „Presse“-Recherchen steht die Frau selbst im Verdacht, einige der nun angeklagten Tierschützer zu konspirativem Handeln, etwa dem Verwenden von Codes, animiert zu haben. Außerdem liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Einsatz der „Spionin“ rechtswidrig war.

Anfang 2007, bei einem Vortrag über Tierrechte in Wien-Hütteldorf, pirschte sich „Danielle“ an den Tierschützer Felix Hnat heran. Dieser muss sich mittlerweile als einer von 13 Tierschützern im Landesgericht Wiener Neustadt verantworten. Allen Beschuldigten wird der umstrittene Mafia-Paragraf, Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation (§278 a Strafgesetzbuch), vorgeworfen. Wie Hnat der „Presse“ erklärt, habe die Frau damals den Eindruck erweckt, als würde sie ihn bewundern. „Sie hat gleich begonnen, mir Komplimente zu machen.“

Fortan habe die „Agentin“ – wie man nun weiß im Auftrag ihres Grazer Führungsbeamten W. – versucht, ihm nahe zu sein. Sie begleitete Hnat zu Demos (demonstrierte teilweise selbst in erster Reihe mit), Veranstaltungen und auch zu Störaktionen gegen die Jagd. Auch nachts war sie regelmäßig bei Hnat. „Sie ist körperlich sehr offensiv vorgegangen und sehr bald intim geworden.“

Fazit: „Sie war wirklich überall dabei.“ Ein Umstand, der „Danielle“ nun freilich zur perfekten Zeugin im Strafverfahren macht. Anwalt Stefan Traxler, der unter anderem auch den Hauptangeklagten im Tierschützerprozess, Martin Balluch, vertritt (Balluch bekennt sich nicht schuldig), sieht dies auch so: „Wir werden gleich am Montag einen Antrag auf Zeugeneinvernahme der verdeckten Ermittlerin einbringen.“ Ob sich auch Staatsanwalt Wolfgang Handler diesem Antrag anschließt bleibt abzuwarten.

„Spionin“ besucht U-Häftling

Zurück zu Hnat: Er wanderte im Mai 2008 mit neun anderen in U-Haft. Sehr bald erhielt er Besuch – von „Danielle“ (die Besucherliste liegt der „Presse“ vor). Dies ist aus zwei Gründen höchst kritisch: Erstens wurde „Danielles“ Einsatz von der Polizei unter dem Titel „Gefahrenabwehr“ deklariert. Dies belegt auch eine schriftliche „Information“ von Erich Zwettler, damals Bundeskriminalamt, nunmehr Leiter des Verfassungsschutzes Wien, an das Innenressort. Fraglich ist nun, wie die Gefahrenlage zu definieren ist, wenn die Hauptverdächtigen hinter Gittern sitzen. Zweitens prüfen Anwälte der Tierschützer nun einen Verstoß gegen die Menschenrechte, da die Ermittlerin bei ihrem Häftlingsbesuch die Zwangslage eines Verdächtigen ausgenützt haben könnte.

Weitere Probleme: Im Gerichtsakt fehlen die Protokolle der Ermittlerin. Und: Laut dem Verein gegen Tierfabriken sagte Zwettler am 28. Juli vor Gericht aus, dass der Einsatz der „Agentin“ Ende 2007 als ergebnislos eingestellt worden sei. Tatsächlich kam es aber eben noch zu einem Besuch im Gefängnis sowie zu Demo-Teilnahmen, die auf Fotos klar dokumentiert sind. Die Polizei möchte zu alldem nichts sagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2010)

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