Kriminelle Ausländer: Bisher 3676 Abschiebungen

(c) BilderBox.com (Erwin Wodicka)
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Automatische Ausweisungen sind in Österreich nicht möglich - aber auch hierzulande werden ausländische Kriminelle abgeschoben. Die "Kriminellsten" sind laut Statistik die Deutschen.

Wien.  In Österreich ist die Abschiebung der tschetschenischen Familie P. vorerst abgesagt  – hätte die Mutter, die vor zweieinhalb Jahren wegen Ladendiebstahls verurteilt worden war, aber in der der Schweiz um Asyl angesucht, hätte es möglicherweise anders ausgesehen.

Dann nämlich, wenn das strengere Ausländergesetz in Kraft tritt, für das die Eidgenossen am Wochenende gestimmt haben: 53 Prozent der Wähler sind für ein neues Fremdenrecht, nach dem kriminelle Ausländer ungeachtet der Schwere des Deliktes sofort abgeschoben werden – und damit wohl auch bei Ladendiebstahl.

Freilich müssen die Eidgenossen noch klären, wie sie künftig verfahren wollen – denn auch sie haben die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert. Laut dieser sind Abschiebungen in Länder, in denen den Betroffenen Folter und menschenunwürdige Behandlung drohen, verboten.

In Österreich wäre eine automatische Abschiebung jedenfalls nicht möglich. Es ist das einzige Land in Europa, das die Menschenrechtskonvention verfassungsrechtlich verankert hat. Die Einzelfallüberprüfung – und damit der Schutz des Privat- und Familienlebens – sind daher zwingend.

Aber auch in Österreich können kriminelle Ausländer abgeschoben werden: Wenn sie zu drei Monaten unbedingter Haft verurteilt wurden oder „wenn sie die öffentliche Sicherheit gefährden“, sagt Rechtswissenschaftler Bernd-Christian Funk. Das kann Mord sein – aber auch mehrmalige Verkehrsübertretungen. Heuer wurden bis Oktober 3676 Ausländer abgeschoben und mit Aufenthaltsverbot belegt. Unter den Gesetzesverstößen finden sich Schwarzarbeit, Schlepperei, Prostitution und Scheinehe.

Deutsche sind die „Kriminellsten“

Die meisten kriminellen Taten werden hierzulande von deutschen Staatsbürgern begangen (3,8 Prozent der Tatverdächtigen), gefolgt von Serben (3,1) und Rumänen (2,7). Allerdings unterscheidet die Anzeigenstatistik nicht nach der Schwere des Delikts. Das beweist ein Blick in die hiesigen Gefängnisse: Die meisten ausländischen Insassen sind Rumänen (5,1 Prozent), Nigerianer (3,6 Prozent) und Serben (3,5 Prozent). Und die Deutschen? Die führen die Statistik vor allem wegen Verkehrsdelikten an.

Würden nun alle kriminellen Ausländer aus Österreich abgeschoben, würde Peter Prechtl, der stellvertretende Leiter der Vollzugsdirektion im Justizministerium, „eine ganze Reihe an Insassen verlieren“. Rund 8800 Insassen büßen in Österreich zurzeit eine Gefängnisstrafe ab, der Ausländeranteil liegt bei 46 Prozent. 2001 machten sie noch 40 Prozent aller Insassen aus.

In der Justizanstalt Josefstadt sei vor allem der Anteil an ausländischen Jugendlichen sehr hoch – Tendenz steigend, so Prechtl. Dabei sollte gerade bei Jugendlichen eine U-Haft der letzte Ausweg sein. Hier scheitere man aber oft daran, dass viele von ihnen niemanden in Österreich haben: „Einen ausländischen Jugendlichen“, so Prechtl, „kann ich nicht seiner Familie geben, wenn er keine da hat“.

Auf einen Blick

Recht: In der Schweiz haben am vergangenen Wochenende 53 Prozent der Wähler für ein neues Fremdenrecht gestimmt, wonach kriminelle Ausländer automatisch abgeschoben werden. In Österreich wäre eine derartige Regelung nicht möglich – hier ist die Europäische Menschenrechtskonventionverfassungsrechtlich verankert (einzigartig in Europa). Sie sieht die Einzelfallüberprüfung und ein Verbot von Abschiebungen vor, wenn etwa den Betroffenen im Heimatland Folter droht. Die Schweiz hat die Menschenrechtskonvention ebenfalls ratifiziert.

Abschiebefall: Für die tschetschenische Familie P. stand am Dienstagabend die Abschiebung nach Polen – ihrem Erstaufnahmeland – an. Die Mutter der Familie war zuvor rechtskräftig wegen Ladendiebstahls verurteilt worden; der negative Asylbescheid bezieht sich allerdings nicht auf dieses Delikt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2010)

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