Tierschützerprozess: Sexagentin entlastet Angeklagte

Sexagentin Protokolle entlasten Angeklagte
Sexagentin Protokolle entlasten Angeklagte(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Am Montag muss die verdeckte Ermittlerin mit dem Decknamen Danielle Durand vor Gericht als Zeugin aussagen. Ihre geheimen Vermerke sprechen gegen das Vorliegen einer „Mafia-Organisation“.

WIEN/WIENER NEUSTADT „Sie ist körperlich sehr offensiv vorgegangen und sehr bald intim geworden.“ Das sagt Felix Hnat, einer der 13 Angeklagten des Wiener Neustädter Tierschützerprozesses, über „Danielle Durand“. Was die (nicht aus Frankreich, sondern aus der Steiermark stammende) verdeckte Ermittlerin dazu meint, ist ihren Protokollen nicht zu entnehmen. Dafür liefern die bisher geheimen Aufzeichnungen, die nun der „Presse“ vorliegen, Einblick in die 16 Monate dauernde Spitzeltätigkeit von „Danielle“. Fazit: Der Anklagevorwurf, dass die Tierschützer als Mafia-Gruppierung „erheblichen Einfluss“ auf Politik oder Wirtschaft anstrebten, scheint sich in Luft aufzulösen.

In einem Amtsvermerk des Bundeskriminalamtes (BK) heißt es, dass „von Herrn Ministerialrat Mag. Zwettler des BK eine Soko zur Aufklärung von Straftaten zum Nachteil der Fa. Kleider Bauer (Aktionen gegen Pelzverkauf, Anm.) eingerichtet“ wurde. Dabei wurde auch verdeckt ermittelt. Mit der Maßgabe, dass die „verdeckte Ermittlung ausschließlich im Sinne des Sicherheitspolizeigesetzes zur Abwehr von gefährlichen Angriffen stattfinden soll“. Die gefährlichen Angriffe blieben zwar 16 Monate lang aus, jedoch machte sich „Danielle“ als Tierschutzaktivistin nützlich. Bei mehr als 200 Veranstaltungen war sie quasi mit Leib und Seele dabei, wobei ihre Anfänge noch etwas holprig verliefen.

Erster Einsatz im Auftrag ihres „Führungsoffiziers“, Chefinspektor Stefan Wappel: 27. April 2007, Demo vor einer Kleider-Bauer-Filiale in der Mariahilfer Straße.

„Spenden, statt Pelze kaufen“

Aus den Protokollen: „Die VE (verdeckte Ermittlerin, Anm.) bekundete Interesse am Infostand und erkundigte sich, wie sie aktiv etwas gegen den Pelzverkauf [. . .] tun könne. Ihr wurde mitgeteilt, dass sie keine Kleidung in Geschäften, welche Echtpelz verkaufen, kaufen soll [. . .] und eventuell etwas für den Verein gegen Tierfabriken, VGT, spenden könne.“ Auch hätten die Demonstranten ihr Leid über das ständige repressive Vorgehen der Polizei geklagt.

„Danielle“ lernte immer mehr Aktivisten kennen, am 5. Mai, so die Protokolle, „konnte beobachtet werden, wie 5 Aktivisten der Basisgruppe Tierrechte vor der Hämmerle-Filiale auf der Mariahilfer Straße mit einem Megafon und Transparenten Passanten auf den Pelzverkauf aufmerksam machten“. Ob „Beobachtungen“ wie diese den Einsatz einer Agentin rechtfertigen, lassen die Protokolle offen, wohl aber wurde in der Folge enthüllt, dass am 11. Mai 2007 „die Pensionistin ,Sefi‘ und ,Pamela‘ (ca. 160 groß, schlank, Irokesenhaarschnitt, brünett, zwei Unterlippenpiercings) Flyer verteilten“. In der Mariahilfer Straße.

Rechtlich umstritten ist, was „Danielle Durand“ an diesem Tag noch tat: „Im Zuge des Einsatzes wurden zwei Mineralwasserflaschen [. . .] mitgenommen. Diese wurden dem VE-Führer übergeben.“ Soll heißen: Um an DNA-Material von Demonstranten zu gelangen, ließ „Danielle“ deren Flaschen samt Speichel mitgehen.

Spätestens Ende Mai 2007 war die Ermittlerin dann voll integriert, sie erhielt laut ihrem Protokoll „am 25. 5. gegen 20 Uhr“ dieses SMS: „Hallo Dani! Cool, dass du heute wieder dabei warst! Der Infostand lebt von den tollen Leuten, die sich engagieren. Bis morgen, lg Muck.“

Polizistin bei Blockaden dabei

Im Laufe der Monate sagte „Dani“ zu, dass sie „Salate mitbringen werde“ – für eine Grillparty von Felix Hnat. Und sie nahm an Blockaden von Tiertransporten ebenso teil wie an Jagdstörungen. Dabei kämpfte sie Seite an Seite mit dem nunmehrigen Hauptangeklagten im Wiener Neustädter Prozess wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation, VGT-Obmann Martin Balluch. Sie ließ sich von diesem auch bei einem „Workshop“ erklären, „wie man sich bei der Polizei richtig verhält“. Beispiel: „Keine Niederschriften unterschreiben.“ Im Juni 2008 ließ es „Danielle“ schließlich bleiben. Die letzten Sätze der Protokolle: „Sie half noch beim Abbau der Demo“ und „Es konnten keine neuen Erkenntnisse gewonnen werden.“

Nur weil den Angeklagten vor etwa vier Wochen ein streng geheimes Observationsprotokoll zugespielt wurde, aus dem sich „Danielles“ Einsatz ableiten ließ, flog deren Spitzeltätigkeit auf. Die Protokolle, die aus Sicht der Angeklagten entlastend wirken, wurden erst nach Aufforderung des Gerichts von der Polizei herausgegeben. Am Montag soll „Danielle“ als Zeugin aussagen.

("Presse"-Printausgabe, 10. Dezember 2010)

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