Gericht verliert Kontrolle: Eklat bei Tierschützerprozess

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Die "Sexagentin" Danielle Durand hätte nur via Videokonferenz im Prozess gegen 13 Tierschützer vernommen werden sollen. Wütende Proteste und Tumulte von den Angeklagten, Anwälten und Zuschauern waren die Folge.

Wiener Neustadt. Die Verhandlung gegen 13 Tierschützer im Landesgericht Wiener Neustadt muss seit gestern, Mittwoch, als Skandalprozess bezeichnet werden: Richterin Sonja Arleth verlor die Kontrolle und war gezwungen, die Verhandlung auf heute, Donnerstag, zu vertagen. Grund war die von Angeklagten, Anwälten und Zuschauern offen gezeigte Empörung über die Art der Einvernahme der verdeckten Ermittlerin mit dem Decknamen Danielle Durand.

So kommt es zum Eklat: Im Gerichtssaal herrscht Hochspannung. Die Einvernahme jener Beamtin, die 16 Monate lang in der Tierschützerszene geheim ermittelte, um laut Polizei „gefährliche Angriffe abzuwehren“, steht bevor. Die Richterin verkündet, dass Danielle Durand kontradiktorisch einvernommen werden soll. Ein Proteststurm gegen diese „schonende“ Art der Zeugeneinvernahme bricht los. Diese Form der Befragung wird vor allem bei Opfern von Sexualdelikten vorgenommen, um diesen die Konfrontation mit dem Täter zu ersparen. Das Opfer sitzt dabei in einem separaten Raum, Bilder werden in einer Art Videokonferenz in den Gerichtssaal übertragen.

Im Prozess gegen die 13 Tierschützer wegen des Vorwurfes der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation wird diese Art der Zeugeneinvernahme mit „möglicher Gefährdung der Zeugin und möglichem seelischen Druck durch intime Fragen“ begründet.

Letzteres deshalb, da „Danielle Durand“ während ihres Einsatzes mit dem nunmehrigen Angeklagten Felix Hnat – laut dessen Angaben – ein sexuelles Verhältnis hatte.
Wie nun die Richterin ihre Entscheidung weiter begründet, sorgt für Aufregung: Bei Demos gegen den Pelzverkauf seien in Kleider Bauer-Filialen Sachbeschädigungen festgestellt worden. Und eine Zeugin dieser Zwischenfälle habe auf das Gericht vor einiger Zeit so gewirkt, als sei sie dadurch „psychisch beeinträchtigt“ worden. Weiters bestehe für die Ermittlerin, deren Identität sowieso geheim bleibt, die „Gefahr von Stalking und von Diffamierungen“. Insofern könne Durand unter „starken psychischen Druck“ geraten, sodass die Wahrheitsfindung nicht möglich sei.

Tatsache ist, dass die Angeklagten zwar die Kleider Bauer-Demos organisierten, dennoch gilt freilich für alle Angeklagten die Unschuldsvermutung. So sprachen sich diese und alle Anwälte gegen diese richterliche Begründung einer kontradiktorischen Einvernahme aus. Verteidiger Stefan Traxler: „Die unrichtigen Anklagevorwürfe werden als Begründung für diese Art der Einvernahme herangezogen.“ Verteidiger Phillip Bischof: Danielle Durand sei „eine Entlastungszeugin, es gibt keine Behauptung von ihr, dass sie Angst hätte“. Und: „Der Grundsatz der Unmittelbarkeit darf nur in Ausnahmefällen durchbrochen werden. Hier handelt es sich um eine geschulte Beamtin, die immer wieder Gefahren ausgesetzt ist.“

Danielle Durand mit grotesker Perücke

Die Richterin bleibt dabei und lässt das Bild der im Nebenzimmer sitzenden Polizeibeamtin auf einer Leinwand im Saal einblenden. Dabei fällt auf, dass nur eine Ecke des Raumes gefilmt wird. Wer sich aller in dem Raum aufhält, ist nicht zu sehen. Danielle Durand sitzt mit grotesk wirkender, langer, dunkler Perücke wie versteinert auf einem Sessel. Einige Angeklagte rufen: „Das ist gar nicht die Dani.“

Alle 13 Angeklagten fühlen sich um ihr Fragerecht betrogen, einige verlassen wütend den Saal. Die Richterin, die sich bereits bei der Agentin im Nebenzimmer aufhält, bekommt die Tumulte zunächst gar nicht mit. Als sie wieder kommt, kann sie die Lage nicht entschärfen. Sie lässt zwei Zuschauer, die ihren Protest nach vorn rufen, von der Polizei aus dem Saal tragen. An eine normale Verhandlung ist nicht mehr zu denken. Der Prozess wird abgebrochen, am Donnerstag soll er fortgesetzt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2010)

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