Verfassungsschutz: Neues Netzwerk angeblicher Spione

Verfassungsschutz Neues Netzwerk angeblicher
Verfassungsschutz Neues Netzwerk angeblicher(c) REUTERS (DARREN STAPLES)
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Kam es zu Beweismittelfälschung durch Verfassungsschutzbeamte? Die Staatsanwaltschaft Wien und die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermitteln bereits. Bald könnte es zu ersten Ergebnissen kommen.

Linz/Wien. Geschäftsmann IldarA., Vizeleutnant HaraldS. und der ehemalige Beamte des Büros für Interne Angelegenheiten ChristianP. sammeln Beweise, die für den heimischen Verfassungsschutz unangenehm werden könnten. Seit Kurzem tun sie das gemeinsam, erste Treffen in Wien und Linz fanden bereits statt. Was sie verbindet: Sie saßen in Untersuchungshaft, weil sie – wie sie sagen, zu Unrecht – verdächtigt wurden, für einen ausländischen Nachrichtendienst gearbeitet zu haben.

„Es passiert gerade sehr viel“

Nun haben sie sich vernetzt und sind entschlossen, jene Beamten des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zu Fall zu bringen, die diese ihrer Meinung nach falschen Anschuldigungen, die zu den Festnahmen geführt haben, konstruiert haben sollen. Beweismittel sollen laut Anklageschriften, die der Staatsanwaltschaft Wien und der Korruptionsstaatsanwaltschaft Anfang des Jahres übermittelt wurden, unterdrückt und manipuliert worden sein. In den Ermittlungen gegen vier in der Causa beschuldigte BVT-Beamte könnte es schon bald erste Ergebnisse geben, sagt Thomas Vecsey, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien zur „Presse“: „Mehr kann ich aus Rücksicht auf das laufende Verfahren nicht sagen, nur so viel: Es passiert gerade sehr viel.“ Auch die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt, sagt Sprecher Friedrich König.

Der Erklärungsbedarf ist jedenfalls groß: Der russischstämmige Unternehmer IldarA. etwa, der seit 20 Jahren die österreichische Staatsangehörigkeit besitzt, wurde im Jänner 2009 nach einem Jahr Untersuchungshaft von einem Geschworenengericht mit acht zu null Stimmen in allen Punkten freigesprochen. Ihm war vorgeworfen worden, in eine 2008 in Wien gescheiterte Entführung des ehemaligen Chefs des kasachischen Geheimdiensts verwickelt gewesen zu sein. Laut eigenen Angaben soll der geschäftliche Schaden, der IldarA. in dieser Zeit entstanden ist, bei 5,7 Millionen Euro liegen. Er hat die Republik nun auf Schadenersatz geklagt. ChristianP. wartet seit zwei Jahren auf eine Anklageschrift.

Bemerkenswert ist der Fall von HaraldS.: Nach 15 Monaten offensichtlich ergebnisloser Ermittlungen wurde sein Verfahren eingestellt. Ein gerichtlich beeideter Sachverständiger konnte zudem nachweisen, dass ein Datenträger während der U-Haft von S. durch das BVT verfälscht wurde. Die Münchner Staatsanwaltschaft, die noch gegen S. wegen „geheimdienstlicher Agententätigkeit“ ermittelt, will nun einen jener BVT-Beamten als Zeugen laden, gegen den die Wiener Staatsanwaltschaft wegen Beweismittelfälschung ermittelt. Als Grundlage der Anklage soll die mutmaßlich manipulierte Computerdatei dienen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2010)

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