Freiwillige Feuerwehr: Helden zum Nulltarif

Freiwillige Feuerwehr Helden Nulltarif
Freiwillige Feuerwehr Helden Nulltarif(c) Clemens Fabry
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2011 ist das Europäische Jahr der Freiwilligkeit. Und das Jahr, in dem Österreich das Ende des Zivildienstes diskutiert. Doch wie motiviert man Menschen, gratis für die Allgemeinheit zu arbeiten?

Warum? Die Frage war erwartbar, trotzdem überrascht sie. Im Aufenthaltsraum der Freiwilligen Feuerwehr Spillern herrscht erst mal Stille, wenn einer wissen will, warum. Warum, bitte, macht man das, warum investiert man jede Woche Zeit, warum steht man, wenn das Einsatz-SMS piepst, auch in der Nacht parat, warum opfert man Urlaub? Die vier Männer zwischen 27 und 37Jahre schauen kurz ratlos. Denn wie erklärt man, was einem längst selbstverständlich ist? Vielleicht so: „Also wegen des Geldes machen wir es jedenfalls nicht.“

Tatsächlich trifft der beiläufige Witz einen wunden Punkt. Denn, sagt Anselm Eder, Soziologe an der Uni Wien: „Dass wir nicht von unbezahlter Arbeit, sondern verschämt und eigentlich falsch immer von freiwilliger Arbeit reden, zeigt, wie wenig Anerkennung Arbeit ohne Entlohnung in unserer Gesellschaft hat.“ Wie viel oder eben wenig konkret wird sich in der aktuellen Debatte zur Freiwilligenarbeit noch weisen. Ausgelöst hat diese – pünktlich zum Start des Europäischen Jahres der Freiwilligentätigkeit – Verteidigungsminister Darabos mit dem Plan zur Abschaffung der Wehrpflicht: Denn mit dem daraus resultierenden Wegfall des Zivildienstes stellt sich die Frage, wie man Menschen denn zur Arbeit für die Allgemeinheit motiviert. Geht das nur mit Geld – oder auch anders?

Anlass zur Sorge. Von der Freiwilligen Feuerwehr könnte man sich jedenfalls den einen oder anderen Motivationstrick abschauen. Immerhin funktioniert das dort anscheinend reibungslos. Oder nicht? Beim Bundesfeuerwehrverband ringt man bei der Antwort um Diplomatie: „Wir sind in der Lage, alle unsere Aufgaben zu erfüllen“, so Präsident Josef Buchta, warnt aber: Die Abwanderung und das Auspendeln aus dörflichen Gebieten sei Anlass zur Sorge.

In der Tat ist die Lage durchwachsen: So wurden einerseits im Vorfeld der derzeit laufenden Kommandantenwahl in Niederösterreich Befürchtungen laut, dass sich zu wenige für den verantwortungsvollen, oft undankbaren Job finden. Im Waldviertel musste im Vorjahr deshalb eine kleine Feuerwehr schließen. Letztens brandete, zwecks besserer Nutzung von Personalressourcen, sogar eine Diskussion um eine Verschiebung der Altersgrenze (derzeit: 65Jahre für den aktiven Dienst) nach hinten auf. Auf der anderen Seite hagelt es regelmäßig Rechnungshof-Kritik, man zweifelt an der Sinnhaftigkeit oft mehrerer kleiner Feuerwehren pro Gemeinde. Auch bei der Frage, inwieweit Zivildiener der Freiwilligen Feuerwehr fehlen würden, gibt es keine klare Antwort: Während Buchta keine großen Probleme erwartet – immerhin stehen 311Zivildiener 334.439Freiwilligen gegenüber –, sieht man in großen Städten ohne Berufsfeuerwehr wie St.Pölten die Katastrophe nahen. Hintergrund: In den Städten gibt es wegen der höheren Zahl der Einsätze mehr Zivildiener. Weil die Freiwilligen wegen ihrer Berufsverpflichtungen untertags nicht immer verfügbar sind (es obliegt dem Arbeitgeber, ob er sie gehen lässt), sieht man in St. Pölten ohne Zivildiener die Sicherheit gefährdet. Gespräche mit dem Sozialministerium, wie man die Zivildiener ersetzen könne, habe es noch keine gegeben, sagt Buchta. Dass man im Rahmen des „Sozialen Jahres neu“ dann quasi hauptberufliche Feuerwehrleute mit Freiwilligen mischt, kann er sich aber kaum vorstellen. Die wahrscheinlichste Variante laute: mehr Gemeindeangestellte, die – wie schon bisher – bei der Feuerwehr mitarbeiten.

Kultur der Anerkennung. Diese Probleme ändern aber nichts daran, dass die Feuerwehr ein Vorbild für Freiwilligenarbeit bleibt. Das zeigt auch die Untersuchung der Freiwilligenarbeit der Statistik Austria aus dem Jahr 2008: Nach Kultur (Chöre, Seniorenclubs etc.), Sport und Religion rangieren Hilfsdienste wie Feuerwehr oder Rettung mit 413.000Freiwilligen schon auf Platz vier. Im Bereich Soziales (Rang sechs) sind dagegen nur 228.000Menschen tätig. Erklärungen dafür gibt es einige, sagt Reinhold Popp, wissenschaftlicher Leiter des Salzburger Zentrums für Zukunftsstudien. So habe die Feuerwehr schon früh auf Jugendarbeit gesetzt (Jugendfeuerwehr ab zehn Jahren), habe eine gute Organisation und biete „ein Stück Abenteuer“: „Gute Menschen, die nur Gutes tun wollen, gibt es kaum“, sagt Popp. Es brauche auch andere Anreize. Manches liegt dabei in der Natur der Sache – Feuerwehr und Rettung bieten eben mehr „Action“ als Altenpflege –, anderes könne man aber von der Feuerwehr durchaus lernen, sagt Nicole Sonnleitner vom Unabhängigen Landesfreiwilligenzentrum Oberösterreich, das Freiwillige an soziale Projekte vermittelt. Etwa die stete Weiterbildung und eine „Anerkennungskultur“: „Freiwilligen ist es wichtig, dass sie dazulernen, weiterkommen “, sagt Sonnleitner. Und: „Dass es Anerkennung gibt.“ Die Feuerwehr habe im Unterschied zur sozialer Freiwilligenarbeit Tradition, Status.

Ob Prestige motivieren kann, sei aber letztlich individuell, meint man dazu im niederösterreichischen Spillern. Etwa bei den Dienstgraden: „Dem einen ist so ein Dienstgrad wichtig, dem anderen ganz egal“, sagt Andreas Warschitz, selbst stellvertretender Kommandant und im Brotberuf Soldat. Und auch mit der gesellschaftlichen Wertschätzung sei es nicht immer so weit her. Feuerwehren müssen circa ein Drittel ihrer Geldmittel selbst aufbringen: „Irgendwie ist es schon pervers, dass wir sammeln müssen, damit wir arbeiten können“, sagt Warschitz' Kollege, Alexander Mattausch. Vor allem, weil bei Sammlungen bisweilen Wortmeldungen kämen wie: „Bei mir brennt es eh nie.“ Speziell die zugezogenen Wiener wüssten oft gar nicht, dass das Freiwilligenarbeit sei – die relativ zeitintensiv ist: 50Einsätze gibt es pro Jahr etwa für die insgesamt 55Spillerner Feuerwehrleute. Brände sind dabei rar, generell sind 80Prozent der Feuerwehreinsätze inzwischen „technische“: Autounfälle, Türöffnungen, Naturkatastrophen wie das Hochwasser 2002. Für die Einsätze werde außerdem alle zwei Wochen geübt, sagt Ausbildner Gernot Mattausch. Dazwischen stehen Wartungsarbeiten, Kurse oder Wettbewerbe an. Die Angehörigen der Feuerwehrleute finden das nicht immer toll. Aber dafür gibt es ab und zu auch etwas für sie: Feste.

Vor allem in kleinen Orten wie Spillern, wo das Freizeitangebot beschränkt ist, zählen Feuerwehrfeste zu den Höhepunkten im Partykalender, ersetzt das Feuerwehrhaus mitunter ein Gemeindezentrum. „Gute Feste, nette Leute, dass man nicht nur gratis hackeln muss, sondern auch Spaß haben kann“, beschreibt Jugendforscher Philipp Ikrath, warum die Feuerwehr nach wie vor junge Menschen anzieht. Der alte Spruch vom Feuerwehrmann, der zuerst seinen Durst löscht, stimme aber nicht mehr, sagt man in Spillern, das bestätigen auch andernorts erfahrene Feuerwehrmänner: Im Vergleich zur eigenen Jugend sei die heutige „eh brav“. Im Dienst, mit teuren Geräten an der Hand und großer Verantwortung sei Alkohol sowieso kein Thema, sagt Gernot Mattausch. Danach, vor allem, wenn es ein schwerer Einsatz war, mit Toten auf der Autobahn, bräuchte man aber manchmal ein Bier.

Helden von heute? Wichtiger als Alkohol oder Party ist, so wird betont, aber etwas anderes. Die – wie es etwas militärisch heißt – „Kameradschaft“. „Man sieht sich nicht nur bei der Feuerwehr, sondern auch sonst“, sagt Gernot Mattausch. „Man kennt die Familien, die Frauen, es ist altersmäßig ein ganz unterschiedlicher Freundeskreis: vom Teenager bis 65.“ Apropos Frauen: Die gibt es in Spillern bei der Feuerwehr natürlich auch, insgesamt sechs. Zum Thema Frauen bei der Feuerwehr pflegt man einen, tja, pragmatischen Zugang: „Die, die kommen, wissen, dass es eine Männergesellschaft ist“, sagt Alexander Mattausch, „aber die wollen auch gar nicht, dass um sie ein Aufheben gemacht wird.“ So bleibt etwa die separate Garderobe ungenutzt. „Beim Umziehen vorm Einsatz hat man gar keine Zeit, die Frau daneben anzuschauen“, so Gernot Mattausch.

Ebenfalls nüchtern geht man mit einem Begriff um, ohne den kein Artikel über Feuerwehrleute auskommt: den Helden. Denn: Man fühlt sich schlicht nicht angesprochen. Im Gemeinschaftsraum mit der kleinen Küche ist Pathos weit weg. „Ein erhabenes Gefühl oder so hat man beim Einsatz nicht“, sagt Alexander Mattausch. Und Warschitz ergänzt: „Es ist ein Auftrag, den man durchführt.“ Und dann ist es wieder da, das ratlose Schauen vom Beginn: Wie erklärt man das jetzt bloß? „Es ist halt unsere Arbeit.“ Kürzer kann man Freiwilligkeit wahrscheinlich nicht zusammenfassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2011)

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