Gutachten im Grazer Missbrauchsfall: Entlastung

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Psychisch krank? Das 16-jährige mutmaßliche Opfer leidet laut Gutachten an einer psychischen Erkrankung. Schilderungen von Massenvergewaltigungen basierten nicht auf "realen Erlebnissen".

Linz. Das Gutachten im Grazer Missbrauchsfall liegt nun vor – und es entlastet die beschuldigten Großeltern des mutmaßlichen Opfers sowie zwei ihrer Nachbarn, darunter einen Exrichter. Laut dem Gutachten der renommierten Psychiaterin Heidi Kastner, die auch im Amstettner Inzestfall begutachtet hat, ist davon auszugehen, dass den Schilderungen des mutmaßlichen Opfers „keine realen Erlebnisse“ entsprechen. Hintergrund soll laut Informationen der „Presse“ vielmehr eine psychische Erkrankung des Mädchens sein.

Einstellung des Verfahrens?

Die Großeltern sowie der Exrichter wurden zunächst verdächtigt, das heute 16-jährige Mädchen schwer und wiederholt sexuell missbraucht zu haben und befanden sich wegen Tatbegehungsgefahr von Mitte September des vergangenen Jahres bis zum 20.Oktober in Untersuchungshaft.

Die Verdachtslage hat sich erhärtet, nachdem das mutmaßliche Opfer, das sich bereits seit zweieinhalb Jahren fast durchgehend in stationärer psychiatrischer Behandlung befinden soll, im Zuge ihrer Therapie im Wagner-Jauregg-Krankenhaus in Linz erstmals vom Missbrauch und den Misshandlungen berichtet hatte.

Demnach sollen die Vorfälle bereits vor zehn Jahren begonnen haben, gegen Bezahlung sei das Kind auch im Haus der Großeltern in Oberösterreich andern Tätern zugeführt worden, zudem soll es weibliche Zuseher gegeben haben. In Ermittlerkreisen war vom Verdacht eines organisierten Täterrings und Massenvergewaltigungen die Rede. Nun rechnet der Anwalt des Exrichters, Wolfgang Moringer, mit Einstellung des Verfahrens. Sein Mandant sei durch die Haft schwer traumatisiert, ebenso wie die Großeltern der 16-Jährigen, denen ihr Rechtsvertreter Friedrich Schwarzinger nun zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen rät. Es habe „Begleitungsmängel“ gegeben: „Ich rate dazu, Schadensersatz geltend zu machen, nicht gegen eine konkrete Personen, aber gegen die Einrichtung des Wagner-Jauregg-Krankenhauses. Wir gehen davon aus, dass aufgrund zu weniger psychiatrisch-ärztlicher Betreuungsstellen, also nicht ausreichender Kapazitäten, der Fall ohne ausreichende Prüfung der Staatsanwaltschaft übergeben wurde.“

Immerhin, so Schwarzinger, habe es während der gesamten Ermittlungszeit „kein einziges, sich objektivierendes Indiz“ gegeben. Man habe sich von Anfang an „auf eine einzige Vorwurfserzählung gestützt, die durch nichts zu halten ist“. Unter anderem soll es zwischen 30 und 50 Tattage gegeben haben, die Geschwister des Mädchens hätten während dieser Zeit jedoch nie eine Abwesenheit der 16-Jährigen bemerkt. Der Fall sei ein Musterbeispiel vorschneller Bewertungen, so Schwarzinger.

Eltern: „Glauben unserem Kind“

Die Eltern der 16-Jährigen, sind, wie die „Austria Presseagentur“ berichtet, überzeugt, dass die Angaben des Mädchens den Tatsachen entsprechen: „Wir glauben unserem Kind. Wir sind der Ansicht, dass das Ganze genauso stattgefunden hat, wie es unsere Tochter beschreibt.“

Sie kritisieren, dass es in Österreich keine Standards für die Begutachtung von traumatisierten Opfern gäbe und Kastner nicht die geeignete Sachverständige für die Begutachtung von kindlichen Opfern sei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2011)

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