Kampusch-Ermittlung bringt jetzt vier Personen vor Gericht

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Symbolbild Polizei(c) Clemens Fabry
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Versuchte Vergewaltigung. Ein Mann und drei Frauen sind angeklagt, Sadomaso-Szene als Kulisse.

[WIEN] Die Ermittlungen zum Entführungsfall Natascha Kampusch brachten beängstigende Vorgänge innerhalb der Wiener Sadomaso-Szene ans Licht: Insgesamt vier Personen, drei Frauen und ein Mann, müssen sich am 28. April vor einem Wiener Schöffengericht verantworten. Dem Mann und einer Frau wird versuchte Vergewaltigung vorgeworfen. Zusätzlich müssen der Mann und die beiden anderen angeklagten Frauen schweren Betrug verantworten.

Der 47-jährige N. ist angeklagt, gemeinsam mit seiner Bekannten S. (27) am 27. Juli 2002 ein damals 17-jähriges Mädchen in der Nacht auf offener Straße überfallen und verletzt zu haben. Das Opfer wartete damals um vier Uhr früh auf den Nachtbus N 60. S., damals erst 19 Jahre alt, mit einer schwarzen Perücke getarnt, soll das ahnungslose Mädchen in das Auto des Mannes gelockt haben. Dort musste die 17-Jährige Schläge mit einer Stabtaschenlampe auf den Kopf einstecken und wurde gewürgt.

Opfer wehrte sich, Passant half

Ein zufällig mit seinem Hund vorbeikommender Passant verhinderte das Verschleppen der jungen Frau, die sich heftig zur Wehr setzte. Das Opfer sollte – so die Anklage – in einem Sadomaso-Club in Wien Meidling vergewaltigt werden. Der 17-Jährigen sollten im Auto die Augen verbunden werden. In dem SM-Club sollte das Opfer dann gefesselt werden. Der Staatsanwalt klagt dies als versuchte Vergewaltigung an. Dem Opfer wurden damals mehrere Verletzungen, darunter eine Rissquetschwunde am Kopf, sowie erhebliche aus dem Überfall resultierende psychische Probleme attestiert.

Der SM-Club wurde von N. – er war früher Berufssoldat – gemeinsam mit seiner Exfrau geführt. Diese bot in der SM-Szene auch selbst ihre Dienste an. S., die mutmaßliche Komplizin von N., war zu der Zeit ebenfalls einschlägig aktiv: Sie arbeitete als „Miss“ in dem Club. Mittlerweile ist sie Kindergartenassistentin.

Spekulationen um Priklopil

Auf all das war die Polizei eben im Rahmen der Ermittlungen zum Entführungsfall Kampusch gestoßen. Über direkte Zusammenhänge wird zwar immer wieder spekuliert, Beweise dafür fehlen aber. Freilich wird etwa dem Kampusch-Entführer Wolfgang Priklopil (er beging Selbstmord) nachgesagt, sich innerhalb der SM-Szene bewegt zu haben. Eine Verbindung zu den nunmehrigen Verdächtigen wurde aber nicht gefunden. So muss der Versuch, das Mädchen zu vergewaltigen – für alle Verdächtigen gilt die Unschuldsvermutung – als unerwarteter „Treffer“ im Rahmen der Kampusch-Ermittlungen gesehen werden.

Während nun also der in die Abgründe der Wiener SM-Szene führende Prozess im Straflandesgericht vorbereitet wird, ist auch die Staatsanwaltschaft Innsbruck aktiv. Wie berichtet wird dort seit Monaten gegen fünf, teils hochrangige Staatsanwälte ermittelt, die in Sachen Kampusch-Entführung zuständig waren. Der Verdacht: Amtsmissbrauch. Möglicherweise wurde bei den Ermittlungen rund um die achteinhalb Jahre dauernde Gefangenschaft von Natascha Kampusch nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gearbeitet. Die fünf Verdächtigen weisen diesen Vorwurf entschieden zurück. Mehrere parlamentarische Anfragen in Sachen Kampusch-Entführung wurden zuletzt mit Hinweis auf das laufende Innsbrucker Verfahren nur äußerst knapp beantwortet.

Zurück zu den Vorgängen innerhalb der Sadomaso-Szene vor rund einem Jahrzehnt: Die nun vorliegende 18 Seiten starke Anklage listet auch den Vorwurf des schweren Betrugs auf. Dieser Vorwurf wird N. gemacht – ebenso seiner Exfrau. Und auch seiner zweiten Exfrau.

Einem aus Basel stammenden Kunden des SM-Clubs waren laut der Anklage 160.000 Schweizer Franken herausgelockt worden. Ihm sei demnach im Frühjahr 2001 vorgegaukelt worden, dass er die in dem Club arbeitende erste Exfrau von N. gleichsam freikaufen könne.

Kurioserweise muss über all das nun ein Jugendschöffensenat entscheiden, da die Verdächtige S. zum Zeitpunkt der ihr vorgeworfenen Tat noch als sogenannte junge Erwachsene einzustufen war.

("Presse"-Printausgabe, 18. Februar 2011)

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