Korruptionsverdacht: Starautoren im Kampf gegen Wiener Magistrat

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Baupolizei duldete scheinbar jahrelang Schwarzbauten am Schafberg. Das Autorenpaar Rita Monaldi und Francesco Sorti wollte nicht zahlen und kämpft seither mit der Behörde. Die Interne Revision ermittelt.

Es sind schwere Vorwürfe, die die Korruptionsfahnder des Wiener Rathauses derzeit unter der Ziffer B-121/11 führen und prüfen. Der „Presse“ liegen Teile eines Aktes der Internen Revision der Magistratsdirektion vor, in dem von schweren Verfehlungen mehrerer Baupolizisten die Rede ist. Die Anschuldigungen reichen von Amtsmissbrauch bis hin zur Bestechlichkeit und gehen auf eine Beschwerde des international bekannten Autoren-Ehepaars Rita Monaldi und Francesco Sorti zurück.

So sollen die beschuldigten Beamten bei mehreren, nicht den bewilligten Plänen entsprechenden Häusern am Schafberg in der Vergangenheit alle Augen zugedrückt haben. Ein Baupolizist habe von den zwei prominenten (und wohlhabenden) Bauwerbern mehrere Tausend Euro für eine „rasche Genehmigung“ gefordert. Denen platzte nach langen Auseinandersetzungen nun der Kragen. Sie beschwerten sich bei Bürgermeister Michael Häupl und Wohnbaustadtrat Michael Ludwig persönlich. Die kritisierte Abteilung, die MA37, weist die Vorwürfe zurück und begründet den Fall mit einem eskalierten Nachbarschaftsstreit.

Laut Akt stammt die Eingabe von Monaldi und Sorti vom 9. Februar 2011. Teile davon lesen sich nicht weniger spannend als ihre eigenen Romane, die rund um den historischen Kastraten und Meisterspion Atto Melani angesiedelt sind und in 60 Ländern der Welt verkauft werden. 2004 erstand das Paar am Hernalser Schafberg ein Grundstück in ruhiger Lage. Doch Ruhe hatten sie dort nie. Der Ärger begann, als sie die Feuermauer ihres Hauses – wie vorgeschrieben – an die schiefe, nicht exakt auf der Grundstücksgrenze verlaufende Stützmauer von Nachbarin W. bauten. Damit geriet das Gebäude – angeblich versehentlich – 4 cm weit auf fremden Grund. Quasi als Revanche hagelte es Anzeigen bei der zuständigen Bezirksstelle der Baupolizei, wo der Cousin des Mannes von Frau W. arbeitete, die selbst – ob Zufall oder nicht – Baupolizistin im Ruhestand ist. Und obwohl der Überstand der Mauer nachträglich abgeschlagen wurde, fingen die Probleme mit der Behörde gerade erst an.

Bestechung nur „Missverständnis“?

Als Initialzündung gilt eine von Monaldi und Sorti behauptete Aufforderung zur Bestechung des Beamten L. Der soll angeboten haben, ihre Probleme auf einen Schlag zu lösen – zum Preis von 5000 Euro. Die Autoren weigerten sich, zeigten L. bei der Dienststellenleitung an. Dort heißt es heute, dass der Vorwurf durch ein „Missverständnis in der Kommunikation“ zwischen dem Baupolizisten, den ausführenden Handwerkern und dem Ehepaar zustande gekommen sei. Für beide Darstellungen fehlen im Akt der Internen Revision derzeit noch die Beweise.

Belegbar jedoch ist, dass sich die Unannehmlichkeiten für das Autorenpaar nach der Anzeige gegen den Beamten L. häuften. Die Liste ist lang, hier nur zwei Beispiele:
•So ist fragwürdig, ob eine Baubesichtigung des Hauses, die später zu einem Abbruchauftrag führte, überhaupt stattfand. Monaldi und Sorti schwören Stein und Bein, am 14. 3. 2008 mit Zeugen zu Hause gewesen. Eine behördliche Delegation nahmen sie nicht wahr. Trotzdem datiert das Protokoll der Besichtigung vom 14. 3. 2008. Seltsam: Die Unterschrift der Vertreterin des Bezirks fehlt, und auch die angeblich beim Lokalaugenschein geschossenen Fotos für den Akt tragen als Aufnahmedatum den 22.März. Ungereimtheiten, nach denen sich schon einmal die Bauoberbehörde (BOB) erkundigte. Die Antwort der zuständigen Bezirksstelle der Baupolizei: Die Digitalfotos seien „umgespeichert“ worden, wodurch sich das falsche Aufnahmedatum erkläre. Und selbstverständlich sei auch die erwähnte Vertreterin des Bezirks am Schauplatz gewesen. Sie hätte „versehentlich“ auf eine Unterzeichnung des Protokolls vergessen. Die BOB akzeptierte die Erklärung.
•Weiters geht die Interne Revision dem Vorwurf der Verfälschung von Aktenzahlen nach. Die Bezirksstelle der Baupolizei, bei der der Verwandte des Nachbarehepaares arbeitete, zeigte die beiden Schriftsteller wegen Nichtbefolgung eines behördlich verordneten Baustopps an. Als „Beweis“ nennt die Behörde eine von Francesco Sorti unterschriebene Übernahmebestätigung. Die jedoch trägt die Aktenzahl eines anderen Schriftstücks. Das Verfahren zur Anzeige wurde inzwischen eingestellt.

Irgendwann waren die zwei Italiener mit ihrer Geduld am Ende und suchten nach einer Bestätigung für ihre Vermutung, dass die Behörde mit den Nachbarn unter einer Decke steckt. Die Vermessung eines beeideten Geometers brachte Folgendes ans Licht: Ausgerechnet jene vier Anrainer, die am schärfsten gegen die Italiener vorgegangen waren, hatten ihre eigenen Bauauflagen – zum Teil geringfügig, zum Teil in erheblichem Ausmaß – nicht erfüllt.

Überschritten wurden u.a. Gebäudehöhen, das bewilligte Baunull, die höchstzulässig verbaute Fläche sowie Parzellengrenzen. Unterschreitungen stellte der Geometer bei Mindestabständen und vorgeschriebenen Geländeanschüttungen fest. Für eines der Gebäude, jenes von Ex-Baupolizistin W., die das Haus vor einiger Zeit auf ihren Sohn übertragen hat, gibt es inzwischen einen erstinstanzlichen Abbruchbescheid.

Italienisches Bild vom „korrekten“ Wien

„Derartige Machenschaften sind selbst in Italien nur möglich, wenn die Mafia ihre Finger mit im Spiel hat“, sagen Monaldi und Sorti im Gespräch mit der „Presse“. Wien und Österreich, erzählen sie, stehe im kollektiven Bewusstsein ihres Heimatlandes für annähernd preußische Korrektheit und Unbestechlichkeit. Ein Bild, das nun die eine oder andere Korrektur nötig habe.

Gerhard Cech, Leiter der MA37, stellt sich indes schützend vor seine Beamten. Aus seiner Sicht ist die Auseinandersetzung kein Fall von Korruption, „sondern ein Nachbarschaftsstreit, der in einem besonderen Maße eskaliert ist“. Womit er zumindest nicht ganz falsch liegen dürfte. Wie die Autoren fühlen sich umgekehrt auch die Nachbarn vom jeweils anderen terrorisiert. Der „Presse“ liegen Briefverkehre zwischen den Streitparteien vor, die weder mit italienischer Lebensfreude noch mit Wiener Schmäh irgendetwas zu tun haben.

„Kein Anhaltspunkt für Fehlverhalten“

Cech jedenfalls schließt unkorrektes Verhalten seiner Beamten aus. Schon vor Jahren habe er die Hauptverantwortung für den Fall der Bezirksstelle Hernals (MA37/17) entzogen und in die Zuständigkeit der MA37/21 übertragen. Den Ärger mit seiner Abteilung habe das Autorenpaar, das das Haus wegen seiner vielen Reisen nur drei bis vier Monate im Jahr bewohnt, selbst verschuldet. Das Gebäude weiche nämlich ebenfalls vom ursprünglich bewilligten Plan ab.

Rita Monaldi bestreitet das gar nicht. Sie sagt aber, dass das Haus deshalb schmäler und dafür länger gebaut werden musste, um die vorgeschriebenen Mindestabstände zu Nachbarn und Straße überhaupt einhalten zu können. Was umgekehrt bedeuten würde, dass die Behörde einen nicht bewilligungsfähigen Plan zuvor bewilligte.

Die Interne Revision der Magistratsdirektion will sich zu all dem im Detail (noch) nicht äußern. Derzeit werde der Fall geprüft. Und: „Hier und heute gibt es noch keinen Anhaltspunkt für irgendein Fehlverhalten.“

Auf einen Blick

Auf dem Wiener Schafberg stehen in bester Lage mehrere Häuser, die allesamt nicht den bewilligten Einreichplänen entsprechen. Aufgeflogen ist das durch eine Auseinandersetzung zwischen dem prominenten Autorenehepaar Rita Monaldi und Francesco Sorti, der Stadt Wien (Baupolizei) und mehreren Nachbarn. Demnach soll ein Beamter angeboten haben, für 5000 Euro alle „Probleme“ im Zuge der Bewilligung für ein Haus zu lösen. Die beiden Autoren erstatteten Anzeige, dann begann der Ärger. Die Vorwürfe reichen inzwischen von Amtsmissbrauch bis hin zur Korruption. Die Interne Revision der Magistratsdirektion ermittelt. Die Baupolizei weist die Vorwürfe zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2011)

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