Steiermark: Bettelverbot kommt, Roma gehen

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Gegner des Bettelverbots wollen das Landessicherheitsgesetz beim Verfassungsgerichtshof zu Fall bringen. Die Bettler bleiben ratlos zurück oder sind in ihre Heimat zurückgekehrt.

GRAZ/hoe. „Wie sollen wir jetzt überleben?“ Mit fragendem Blick starrt der grau melierte Mann mit Schnauzbart ins Leere. Seit Jahren kommt er regelmäßig aus Hostice, einem kleinen Dorf in der Südostslowakei, nach Graz, um in den frequentierten Einkaufsstraßen der Innenstadt zu betteln. Das wird ab Dienstag nicht mehr möglich sein.

Eine mit den Stimmen von ÖVP und SPÖ im Landtag beschlossene Verschärfung des Landessicherheitsgesetzes verbietet ab sofort das Betteln an öffentlichen Orten. Ausgenommen wären Zonen, die die Gemeinden selbst ausweisen können – de facto hat aber noch keine Kommune derartige „Erlaubniszonen“ bestimmt.

„SPÖ und ÖVP haben ihre Prinzipien verraten und einen Pakt der Unmenschlichkeit geschlossen“, schimpft der Grazer Pfarrer Wolfgang Pucher. Seit 15 Jahren ist der Geistliche erste Ansprechperson der Roma, die nach Graz zum Betteln kommen. Seit vergangenem Samstag müsste es heißen: gekommen sind. „Alle Roma sind weg, nach Hause gefahren“, zieht Pucher verbittert eine Zwischenbilanz. Als Schlussstrich hinter ein über Jahre aufgebautes Netzwerk will er sie nicht verstanden wissen. Gemeinsam mit den beiden Grazer Universitätsprofessoren Christian Brünner und Wolfgang Benedek will er das steirische Gesetz beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu Fall bringen. Dort liegt bereits ein Einspruch Brünners gegen das Salzburger Bettelverbot.

„Rückkehr in die Vorhölle“

Für Verfassungsexperten Brünner widerspricht auch die steirische Regelung in mehreren Punkten der Europäischen Menschenrechtskonvention. Vor allem sei die Definition des „öffentlichen Orts“ beispielsweise im Vergleich zum Tabakgesetz beim Bettelverbot weiterhin völlig unklar. Auch jüngste Aussagen der Polizei, rund um Kirchen sei Betteln erlaubt, wenn rund um das Gotteshaus eine Absperrung (Zaun, Mauer) existiere, die erkennen lasse, dass nicht jeder hineinkommt, reichen den Verbotsgegnern nicht. Brünner sieht zudem in stillem Betteln auch kein „sozialschädliches Verhalten“, das der in der Menschenrechtskonvention zugesicherten Freiheit der persönlichen Darstellung widerspreche. Auch sieht Brünner die Nutzung von Privatgrundstücken eingeschränkt.

Die Bettler selbst bleiben ratlos zurück. „Wir haben keine Hoffnung mehr“, sagt einer. 118 Euro monatlich bekommt er für seine dreiköpfige Familie an staatlicher Sozialhilfe. 91 Euro davon fallen für Strom weg, 20 Euro für Wasser. Das in Graz erbettelte Geld hat das Überleben gesichert. Bisher. „Die Bettler kehren in die Vorhölle zurück, weil unsere Wohlstandsgesellschaft einhundert Menschen, die am Rande mitnaschen wollen, nicht aushält“, zürnt Pucher.

Auf einen Blick

Bettelverbot. Das Landessicherheitsgesetz verbietet ab heute in der Steiermark Betteln an öffentlichen Orten. Verbotsgegner kündigen Klagen beim Verfassungsgerichtshof an und wollen heute demonstrativ in Graz betteln. Das Stadtteilfestival „Lendwirbel“ erlaubt Betteln zudem bis Sonntag als Teil eines Kunstprojekts.

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