Anklage will gegen Freispruch für Tierschützer berufen

Staatsanwalt Tierschutzer Berufung
Staatsanwalt Tierschutzer Berufung(c) APA/ANDREAS PESSENLEHNER (Andreas Pessenlehner)
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Die Urteilsbegründung sei "in vielen Punkten nicht nachvollziehbar", sagt die Staatsanwaltschaft. Zunächst will man aber die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Die Grünen zeigen unterdessen die Soko an.

Schon einen Tag nach dem Freispruch haben am Dienstag die 13 Tierschützer einen Dämpfer erhalten: Die Staatsanwaltschaft hat Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld angemeldet.

Freisprüche nach 14 Monaten Prozess

Das Verfahren könnte sich also in die nächste Instanz ziehen. Damit sind auch die Forderungen nach Entschädigung für die Aktivisten - ihre Anwälte wollen pro Angeklagtem 60.000 bis 70.000 Euro - vorerst aufgeschoben.

Am Montag hatte Richterin Sonja Arleth die 13 Tierschützer nach 14 Monaten in allen Anklagepunkten freigesprochen. Sie waren unter anderem wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation angeklagt. Neun von ihnen waren auch weitere Delikte wie Nötigung, Sachbeschädigung und Tierquälerei vorgeworfen worden.

"Die Urteilsbegründung ist aus unserer Sicht in vielen Punkten nicht nachvollziehbar gewesen", sagte Erich Habitzl, Sprecher der Wiener Neustädter Anklagebehörde. Man wolle daher das schriftliche Urteil abwarten und die Begründung dann genau prüfen. Ob die Berufung wegen Nichtigkeit und/oder Schuld auch tatsächlich durchgeführt wird, sei aber noch nicht fixiert.

Grüne zeigen "Soko Bekleidung" ab

Ein gerichtliches Nachspiel könnten die Ermittlungen in der Tierschutzszene für die Führungsriege der zuständigen Soko Bekleidung haben. Die Grünen kündigten an, noch am Dienstag eine Anzeige bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Soko-Leiter Erich Zwettler, den operativen Leiter Josef Böck sowie die leitenden Beamten Bettina Bogner und Herbert Landauf einzubringen.

Das 21 Seiten starke Schriftstück beinhaltet die Vorwürfe Amtsmissbrauch, falsche Beweisaussage, Freiheitsentziehung und Urkundenunterdrückung, erläuterte Justizsprecher Albert Steinhauser, der sich auch für einen U-Ausschuss im Parlament einsetzen will.

Ein kleiner Auszug aus den Vorwürfen der Grünen:

  • Die Soko habe einen Brand umdatiert, um eine Brandstiftung konstruieren zu können.
  • Die verdeckte Ermittlerin (VE) "Danielle Durand" sei auf falscher rechtlicher Basis (nämlich dem Sicherheitspolizeigesetz statt nach der StPO, wofür eine Genehmigung nötig gewesen wäre) eingesetzt gewesen.
  • Die U-Haft sei durch die bewusst falsche Darstellung von Ermittlungsergebnissen verursacht worden.
  • Bezüglich der falschen Beweisaussage Zwettlers im Zusammenhang mit der VE sei "die Richterin gestern ja schon mehr als deutlich" geworden, meinte Steinhauser. Sie hatte die Aussage als "schlichte Schutzbehauptung" bezeichnet.


Durch die mögliche Berufung können die Tierschützer vorerst jedenfalls keine Entschädigung einfordern. Dafür ist ein rechtskräftiges Urteil nötig. Heuer sei damit nicht mehr zu rechnen, winkte Anwalt Stefan Traxler ab. Richterin Sonja Arleth würde "locker fünf Monate" brauchen, um ihren Spruch schriftlich auszufertigen.

Entschädigung für U-Haft und Prozess

Prinzipiell möchte man für die Aktivisten aber nicht nur eine Entschädigung für die U-Haft im Ausmaß von 100 Euro pro Tag (vom alten Tarif ausgehend, weil die Betroffenen noch vor der Gesetzesänderung, die den Betrag auf 20 bis 50 Euro senkte, in Haft saßen) erreichen, sondern auch für den Verdienstentgang, das psychische Leid - einige befinden sich in psychologischer Behandlung - und die Dauer des Verfahrens. Diese könne "man wegen der monatelangen Anwesenheit vor Gericht wie eine U-Haft sehen", so der Verteidiger.

Pro Verhandlungstag wird daher eine Entschädigungszahlung analog zu den Tarifen für die Untersuchungshaft gefordert. Die Chancen, damit in Österreich durchzukommen, stünden "zu Null", man sei aber der Ansicht, dass das Gesetz in diesem Fall verfassungswidrig sei und rechne daher mit einem Gang vor den EuGH in Straßburg.

Die 13 Tierschützer stehen bereits jetzt vor dem finanziellen Ruin. Jene vier, die aus wirtschaftlichen Gründen keine Verfahrenshilfe bekamen, erhalten selbst bei einem rechtskräftigen Freispruch vom Staat maximal 1250 Euro Wiedergutmachung. Bei 88 Verhandlungstagen und Anwaltskosten von 3000 bis 4000 Euro am Tag wäre das nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. Zumindest die Anwälte - Traxler schätzte die Kosten pro Verteidiger auf rund 200.000 Euro - wollen ihren Mandanten aber "großzügig entgegenkommen": "Sie stehen ohnehin schon vor dem Nichts".

(APA)

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