Wende im Fall Kührer: Verdächtiger wieder frei

FALL K�HRER: KNOCHENTEILE GEFUNDEN
FALL K�HRER: KNOCHENTEILE GEFUNDEN(c) APA/GEORG HOCHMUTH (Georg Hochmuth)
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Der 50-jährige Tatverdächtige, in dessen Haus in Niederösterreich Julia Kührers Leiche gefunden wurde, ist aus der Haft entlassen worden. Die Ermittlungen gegen ihn werden aber weitergeführt.

Sonntagmittag hatte die Staatsanwaltschaft Korneuburg noch von „Mordverdacht, Flucht- und Verdunkelungsgefahr“ gesprochen und U-Haft beantragt: Am späten Nachmittag wurde der Tatverdächtige Michael K. überraschend aus der Haft entlassen.

Der zuständige Richter hatte den 50-Jährigen am Sonntagnachmittag vernommen und danach keinen dringenden Tatverdacht gesehen. Er wies den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verhängung der U-Haft ab. Laut dem Sprecher der Staatsanwaltschaft Korneuburg, Friedrich Köhl, bedeute das aber nicht, dass der Mann von jedem Verdacht freizusprechen sei. Die Ermittlungen gegen ihn werden weitergeführt, so Köhl zur „Presse“.

Das Bundeskriminalamt wollte zu der überraschenden Entlassung keinen Kommentar abgeben. Aus Polizeikreisen ist aber zu hören, dass man die Entscheidung des Richters ganz und gar nicht nachvollziehen könne.

Todesursache weiter unklar

Rund 48 Stunden nach seiner Verhaftung am Freitag in Wien war K., in dessen Haus in Dietmannsdorf in der Gemeinde Zellerndorf (NÖ) das Skelett der 2006 verschwundenen Julia Kührer gefunden wurde, nach Korneuburg verlegt worden. Zuvor wurde er in St. Pölten einvernommen, wo er gegenüber der Polizei bestritt, etwas mit dem Verschwinden und dem Tod des Mädchens zu tun zu haben. Er gab an, „viele Feinde“ zu haben, die Leiche könne im Haus, das zuletzt leer stand, abgelegt worden sein.

Ob Kührer im Erdgewölbe, in dem Nachbarn am vergangenen Donnerstag zufällig Knochen entdeckt hatten, gestorben ist oder erst später dorthin gebracht wurde, steht noch nicht fest. Auch die Todesursache – die Leiche wird derzeit gerichtsmedizinisch untersucht – ist unklar; die Polizei geht jedenfalls von einem Verbrechen aus. Da das vollständige Skelett gefunden wurde, stehe aber fest, dass die Leiche nicht zerstückelt wurde, so Helmut Greiner, Sprecher des Bundeskriminalamtes.



Am Sonntag haben Tatortgruppe und Spurensachverständige die Arbeit im restlichen Haus – bislang wurde nur das Erdgewölbe untersucht – aufgenommen. Einen Bericht des „Kurier“, wonach es Hausdurchsuchungen bei vier weiteren Personen gegeben habe, bestätigte Greiner nicht. Es habe sich um „Ermittlungen im näheren und weiteren Umfeld“ des Verdächtigen gehandelt. Nach der Entlassung hieß es, man werde „auf Hochdruck“ weiterermitteln.

„Müssen lernen, damit zu leben“

Am Sonntag haben sich auch Kührers Eltern zu Wort gemeldet. Über ihren Anwalt Gerald Ganzger haben sie Medienvertreter gebeten, vorläufig keinen Kontakt mit der Familie aufzunehmen. „Wir wollten immer Gewissheit haben, so Brigitte Kührer, die Mutter der Toten. „Jetzt müssen wir lernen, mit dieser Gewissheit zu leben.“ Die Familie hoffe, „dass wir unsere Tochter bald beerdigen können, um einen Ort zu haben, an dem wir um unser Kind trauern können“.

Fünf Jahre lang lebte die Familie in Ungewissheit, ehe die Knochen am Freitagabend anhand des Gebisses eindeutig als Leiche Kührers identifiziert werden konnten. Die 16-Jährige war am 27. Juni 2006 verschwunden. Zuletzt wurde sie zu Mittag am Hauptplatz ihres Heimatortes Pulkau gesehen, nur einige Kilometer von Dietmannsdorf entfernt. Im Zentrum Pulkaus betrieb auch der nun aus der Haft entlassene Michael K. eine – mittlerweile geschlossene – Videothek, die beliebter Treffpunkt von Jugendlichen gewesen sein soll. Auch Kührer soll sich hier oft aufgehalten haben. K. war in den vergangenen Jahren mehrmals von der Polizei befragt worden, allerdings nie als Tatverdächtiger, sondern als einer der Bekannten des Mädchens.

Ob die Staatsanwaltschaft gegen die Entlassung durch den Richter Rechtsmittel einbringt, wird, wie Sprecher Köhl sagt, „nach Zustellung der schriftlichen Beschlussausfertigung entschieden.“

Auf einen Blick

Vergangenen Donnerstag hatten Nachbarn zufällig Knochen im Keller eines Hauses in Dietmannsdorf entdeckt. Anhand des Zahnprofils wurde das Skelett eindeutig Julia Kührer zugeordnet, die vor fünf Jahren im nahe gelegenen Pulkau verschwand.
Der Hausbesitzer Michael K. ( 50) wurde am Freitag in Wien festgenommen. Die Staatsanwaltschaft beantragte gestern, Sonntag, U-Haft, wenige Stunden darauf sieht der zuständige Richter keinen dringenden Tatverdacht und lässt den Verdächtigen frei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2011)

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