Kasachische Kehrtwende im Fall des mordverdächtigen ehemaligen Botschafters in Wien Rachat Alijew. Österreichs Justiz könnte in dem Fall nun tätig werden. Man warte noch auf die offizielle „Verzichtserklärung“.
Wien/Som/Apa. Wende in der Causa um den mordverdächtigen kasachischen Ex-Botschafter Rachat Alijew: Nach der Ablehnung zweier von Kasachstan gestellter Auslieferungsanträge könnte nun Österreichs Justiz in dem Fall tätig werden.
Wie Thomas Vecsey, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, gestern gegenüber der „Presse“ erklärte, verzichte Kasachstan auf Alijews Auslieferung. Man warte noch auf die offizielle „Verzichtserklärung“.
Offenbar ein Strategiewechsel Astanas in der Causa – hatte doch Kasachstan bis vor Kurzem noch angekündigt, einen dritten Auslieferungsantrag stellen zu wollen. Konkret bedeutet der Schritt laut Vecsey: „Wenn Kasachstan auf die Auslieferung verzichtet, könnten wir zuständig werden.“ Es müsse noch geprüft werden, ob ein Inlandsstrafverfahren gegen Alijew überhaupt zulässig sei.
Alijew wurde 2008 in Kasachstan wegen der Entführung zweier Bankmanager in Abwesenheit zu 20 Jahren Haft verurteilt. Die österreichische Justiz hat zwei Auslieferungsanträge Kasachstans abgelehnt und sah sich dadurch international massiver Kritik ausgesetzt. Unter anderem hatte die EU-Justizkommissarin Viviane Reding kritisiert, dass Alijew „untertauchen“ könne.
Man vermutet, dass sich Alijew auf Malta befindet.
Neue Anzeige wegen Folter
Bei der Staatsanwaltschaft Wien ist gestern eine neue Strafanzeige gegen Alijew eingelangt. Petr Afanasenko, ein ehemaliger Leibwächter, wirft Alijew vor, Folter und Misshandlung in Auftrag gegeben und teilweise sogar selbst verübt zu haben. Bei der Staatsanwaltschaft Wien gibt man sich zurückhaltend: Auch hier müsse erst geprüft werden, ob Österreich überhaupt zuständig sei. Schließlich, so Vecsey, sei dies die „Auslandstat eines Ausländers“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2011)