Was die Lotsin sagt, ist Gesetz

Lotsin sagt Gesetz
Lotsin sagt Gesetz(c) BilderBox - Erwin Wodicka (BilderBox.com)
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Der Beruf des Fluglotsen gilt als attraktiv - unter anderem wegen des guten Verdienstes. Dennoch sucht die Austro Control händeringend nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Die erste Assoziation zu einem Fluglotsen ist oft eine falsche – ein Männchen, das mit leuchtenden Kellen in der Hand die Flugzeuge auf dem Rollfeld in ihre Position winkt. „Das sind die Einwinker“, sagt Brigitte Hirt. „Die werden nur im Volksmund Fluglotsen genannt.“ Die wirklichen Fluglotsen arbeiten aus einer größeren Distanz zu den Luftfahrzeugen – und ohne Kellen.

Brigitte Hirt ist eine von ihnen. Die 41-Jährige ist eine von knapp 50 Mitarbeitern, die im Tower des Flughafens Wien Schwechat alle rollenden, landenden und startenden Flugzeuge koordinieren – per Funk, Sichtkontakt und mit Radarunterstützung. Bis zu sechs Lotsen und ein Supervisor arbeiten gleichzeitig im obersten Geschoß des Towers. Sie sind es, die den Piloten die Erlaubnis erteilen, die Triebwerke zu starten, den Weg zur richtigen Startbahn weisen und die Freigabe zum Start geben. An die 900Starts und Landungen pro Tag gilt es abzuwickeln – in Urlaubszeiten etwas mehr, sonst etwas weniger.


Schichtbetrieb. „Langweilig wird es nie“, erzählt Hirt, die schon seit 21 Jahren als Lotsin arbeitet. Selbst wenn viel Routine dabei ist, wenn eine Maschine nach der anderen abgefertigt wird. Doch es gibt viele Variablen, auf die geachtet werden muss und die volle Konzentration erfordern – der Flugzeugtyp, der Wind, die Sicht, die Verkehrslage. Eineinhalb Stunden dauert eine Schicht, danach muss jeder Lotse eine halbe Stunde Pause machen. „Die braucht man dann auch.“

Brigitte Hirt kann diese Pausen nützen, um die Aussicht zu genießen. Denn ihr Arbeitsplatz in rund 109 Metern Höhe bietet die Chance, weit ins Land und über die Silhouette von Wien blicken zu können. Ein Ausblick, den ihre Kollegen einige Stockwerke tiefer nicht haben. Heruntergelassene Jalousien und gedämpftes Licht dominieren denn Approach-Bereich, die Anflugkontrolle. Hier werden auf Radarschirmen alle Luftfahrzeuge koordiniert, die im Nahbereich des Flughafens fliegen. Das sind im Fall Schwechat all jene Maschinen, die den Großraum Niederösterreich überfliegen oder im Anflug auf Wien – oder auf grenznahe Flughäfen wie Bratislava – sind.

Auch hier sind insgesamt 50 Mitarbeiter beschäftigt, die einander im Schichtdienst abwechseln. Doch im Unterschied zu den Kollegen oben im Tower haben sie keinen Sichtkontakt mit den Flugzeugen, sondern sind auf Radargeräte angewiesen. Von hier aus werden die Piloten angewiesen, wie und wie schnell sie den Flughafen anfliegen können – so, dass zwischen allen Maschinen die erforderlichen Mindestabstände eingehalten werden.

Schließlich gibt es auch noch die Bezirkskontrollstellen, die alle Flüge im österreichischen Luftraum außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Flughafens überwachen – die für Ostösterreich zuständige Stelle ist in Erdberg untergebracht. Je nachdem, wo sich ein Flugzeug gerade befindet, wird es standardmäßig von einer Stelle zur nächsten weitergereicht.

Im Verhältnis zwischen Lotsen und Piloten gilt ein Grundsatz – was der Lotse sagt, ist Gesetz. Denn während ein Pilot nur sein eigenes Flugzeug steuern muss, müssen die Lotsen einige Dutzend Maschinen gleichzeitig dirigieren. Dementsprechend müssen Lotsen auch gewisse Fähigkeiten mitbringen, um in diesem Beruf arbeiten zu können. „Die Simultankapazität ist wichtig“, sagt Brigitte Hirt. Soll heißen, man darf zwischen all den einströmenden Informationen und Reizen nie den Überblick verlieren. Und muss auch unter Stress innerhalb von Sekunden die richtigen Entscheidungen treffen können. Das kann nicht jeder.

Und das ist auch der Grund, warum die für die Flugsicherung verantwortliche Austro Control in schöner Regelmäßigkeit nach Nachwuchs sucht – explizit auch Frauen, derzeit beträgt der Frauenanteil bei den Lotsen nur etwa 15 Prozent. Zwar melden sich an die 800 Bewerber pro Jahr zu den Tests, bei denen unter anderem ihre körperlichen Fähigkeiten und ihre Eignung für den Job geprüft werden – am Ende schaffen es aber gerade einmal knappe 40, die Ausbildung zu beginnen. Und selbst die machen nicht alle fertig. Drei Jahre dauert es, bis man schließlich ausgebildeter Fluglotse ist.


4500 Euro im Monat. Hat man die Hürden überwunden, kann man sich über einen ansehnlichen Verdienst freuen. Rund 4500 Euro beträgt das monatliche Grundgehalt eines fertig ausgebildeten Lotsen, mehr als 60.000 Euro pro Jahr, dazu kommen noch diverse Zulagen. „Man verdient schon gut“, sagt Hirt, „auch wenn die Kollegen in anderen Ländern noch mehr bekommen.“ Zwischen 72.000 und 130.000 Euro ohne Zulagen sind es etwa in Deutschland, in Spanien ist sogar von bis zu 200.000 Euro Jahresgehalt die Rede. Immerhin, von einem Streik der Fluglotsen, wie zuletzt in Deutschland, ist hierzulande trotz allem nicht die Rede.

Abgesehen vom guten Verdienst bringt der Job aber auch Nachteile mit sich. Etwa mit Schicht- und Wochenenddiensten – darunter leidet das Sozialleben. „Wenn ich Zeit habe, hat dann oft sonst niemand Zeit“, erzählt Hirt. Und, merkt sie an, man nehme am Abend kein Ergebnis mit nach Hause. Wenn alles funktioniert hat, sei das ohnehin selbstverständlich. „Einen Report gibt es nur, wenn etwas nicht geklappt hat.“

Austro Control
Die für die Flugsicherung zuständige Austro Control hat rund 1000 Mitarbeiter. Der Frauenanteil unter den Lotsen beträgt etwa 15 Prozent.

Ausbildung
Drei Jahre dauert die Ausbildung zum Fluglotsen. Voraussetzungen für eine Bewerbung sind die Reifeprüfung, gute Englischkenntnisse, sehr gutes Sehvermögen und eine EU-Staatsbürgerschaft.

Verdienst
Während der Ausbildung beträgt das Einstiegsgehalt 1400 Euro pro Monat, als fertiger Lotse verdient man rund 4500 Euro pro Monat, dazu kommen Zulagen für Schicht- und Wochenenddienste.

Info-Veranstaltung
„Traumjob Fluglotse“ am Samstag, 17.September, von 15 bis 22 Uhr; Schnirchgasse 11, 1030 Wien. Eintritt frei. Anmeldung unter ✆051703-1133
Weitere Infos: www.austrocontrol.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2011)

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