Kampusch: Grüne Kritik an "Gefälligkeitsjustiz"

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Archivbild: Peter Pilz.(c) APA (Roland Schlager)
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Der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz fordert eine Suspendierung der Kampusch-Staansanwälte und einen U-Ausschuss zu dem Fall.

Der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz hat am Mittwoch die Suspendierung der Kampusch-Staatsanwälte verlangt. Pilz wirft ihnen vor, für eine "Regierungsjustiz" zu stehen, die im Interesse von Parteien agiere.

Konkret meint Pilz den unmittelbar zuständigen Wiener Ankläger Hans-Peter Kronawetter. Er hat im November 2006 das Verfahren gegen mögliche Mittäter des freiwillig aus dem Leben geschiedenen Kampusch-Entführers Wolfgang Priklopil eingestellt. Außerdem richtet Pilz die Vorwürfe an den Leiter der Wiener Oberstaatsanwaltschaft, Werner Pleischl, und dem  seinerzeitigen Kampusch-"Sonderermittler" und mittlerweile Leiter der Staatsanwaltschaft Graz, Thomas Mühlbacher.

Pilz von U-Ausschuss überzeugt

Pilz zeigte sich bei einer Pressekonferenz in Wien überzeugt, dass in naher Zukunft ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss das Verhalten der Justiz in der Causa Kampusch beleuchten wird: "Die ÖVP wird mit Sicherheit bereit sein, diesem Untersuchungsausschuss früher oder später zuzustimmen."

Für die Dauer der parlamentarischen Untersuchung sei es "unbedingt notwendig", die Anklagevertreter außer Dienst zu stellen, "damit diese drei Herren nicht weiter Einfluss ausüben können", forderte der Grün-Politiker.

Pilz: "Systematisch weggeschaut"

Besonders harte Worte fand Pilz für Kronawetter und Pleischl. Ersterer, der geraume Zeit in der politischen Abteilung der StA Wien tätig war, hätte immer wieder "systematisch weggeschaut" und eine "Gefälligkeitsjustiz" betrieben, sagte Pilz. Kronawetter habe "einen eindeutigen Ruf als ein Staatsanwalt, der in politisch heiklen Fällen nicht ermittelt und die Verfahren einstellt".

Auch das Verfahren gegen mögliche Komplizen oder Mitwisser Priklopils sei knapp drei Monate nach Natascha Kampuschs Flucht und Priklopils Selbstmord überstürzt eingestellt worden - "im Interesse der im Wahlkampf befindlichen ÖVP", behauptete Pilz. Kronawetter und vor allem der diesem vorgesetzte und weisungsbefugte Oberstaatsanwaltschef Pleischl sei es um "Vertuschung von Ermittlungspannen" während Kampuschs Gefangenschaft im von der ÖVP geführten Innenministerium gegangen. Auch die Einstellung des Amtsmissbrauchsverfahrens gegen die Richter will Pilz einer parlamentarischen "Nachkontrolle" unterziehen.

Naheverhältnis zu Beschuldigtem?

Weiter kritisierte Pilz, dass die vom Innenministerium eingesetzte Evaluierungskommission nicht in Form eines Ermittlungsverfahrens nach der Strafprozessordnung agiert habe, obwohl Mitglieder der Organisation dies empfohlen hätten. Die Staatsanwaltschaft Wien habe lediglich polizeiliche "Erkundigungen" in Auftrag gegeben.

Diese hätten dann aber zu einem pensionierten Bundesheeroffizier geführt, dessen Telefonnummer der  Priklopil-Vertraute Ernst H. unter der Bezeichnung "Be Kind Slow" in seinem Mobiltelefon eingespeichert hatte. Der Verdacht eines Kinderporno-Netzwerks im Umfeld des Kampusch-Entführers Wolfgang Priklopil stand im Raum. Auch diesen Verdachtsmomenten sei von den Anklagebehörden unzureichend nachgegangen worden, sagt Pilz. Kampusch-"Sonderermittler" Mühlbacher habe vielmehr das Verfahren gegen den Offizier bereits im September 2009 und damit einen Monat vor dessen erstem Befragungstermin eingestellt, wobei "im Hintergrund der Justizpate Pleischl" weiter die Fäden gezogen habe, wie Pilz formulierte.

Zum Motiv für diese Vorgangsweise stellte der Grüne Sicherheitssprecher fest: "Ich halte es für möglich, dass es dazu aufgrund von möglichen Naheverhältnissen zumindest eines dieser Staatsanwälte zu einem Beschuldigten gekommen ist."

Justizministerium: "Alles getan"

Sabine Mlcoch, Sprecherin von Justizministerin von Beatrix Karl, weist die Vorwürfe entschieden zurück. Die Justiz habe "alles getan, um in den Fall Kampusch Klarheit zu bringen". Ein möglicher Mittäter oder Mitwisser des Kampusch-Entführers Priklpoil sei aus Sicht des Ministeriums vom Tisch: "Es gibt keine Beweise. Man hat in diese Richtung alles geprüft." Die Ministerin stehe hinter hinter ihren Behörden und vertraue diesen.

Einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Sachen Kampusch steht Karl ablehnend gegenüber. Die Ministerin sei "deswegen dagegen, weil es nicht zielführend ist, den gesamten Leidensweg der Frau Kampusch noch einmal öffentlich auszubreiten", meinte ihre Sprecherin.

"Persönliche Diffamierung"

Die Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie die Bundesleitung Richter und Staatsanwälte in der GÖD weisen die Vorwürfe gegen die Kampusch-Staatsanwälte als "namentliche und persönliche Diffamierung auf das Schärfste zurück", wie es in einer gemeinsamen Presseaussendung der beiden Standesvertretungen hieß.

Die Staatsanwälte und Richter betonten, der Fall Kampusch und allfällige Versäumnisse der Ermittlungsbehörden seien wiederholt von verschiedenen Polizeibehörden und mehreren Staatsanwaltschaften untersucht und zuletzt vom Justizministerium einer nachprüfenden Kontrolle unterzogen worden: "Die dennoch erhobenen Vorwürfe gegen einzelne Staatsanwälte entbehren jeder sachlichen Grundlage, sind aber geeignet, nicht nur deren Reputation und persönliche Integrität nachhaltig zu schädigen, sondern auch das Vertrauen in die Objektivität, Sachlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben."

(APA)

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