Steinhof: Bürgerbeteiligung im Nahkontakt

(c) AP (HANS PUNZ)
  • Drucken

Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou lädt zum Auftakt eines Mediationsverfahrens zu einer gemeinsamen Begehung beim Otto-Wagner-Spital – und muss dabei viel Überzeugungsarbeit leisten.

Wien. Maria Vassilakou hat sich das wohl anders vorgestellt. „Nein, es gibt kein Mikro, denn das ist keine Demo und auch keine öffentliche Veranstaltung, sondern eine Begehung“, sagt sie, so laut das eben neben Bagger und Lkw funktioniert, zu einer Schar Bürger, die nach einem Mikro verlangt.

Bürgerbeteiligung lautet das Zauberwort, mit dem die Wiener Grünen der Stadtregierung ihren Stempel aufdrücken wollen. Dass das auch ein undankbarer, harter Job sein kann, musste die Vizebürgermeisterin und Planungsstadträtin am Mittwoch bei ebendieser Begehung am eigenen Leib erfahren. Mit fünf oder sechs Bürgervertretern habe sie gerechnet. Stattdessen hat die Initiative „Steinhof erhalten“ Dutzende ihrer Mitglieder, ausgestattet mit Protesttransparenten, aktiviert. Die gemeinsame Begehung ist sozusagen der Startschuss eines Mediationsverfahrens, das für Mitte Jänner bis voraussichtlich Juni geplant ist.

Vorausgegangen sind dem Planungen für die Verbauung einiger Teile beim Otto-Wagner-Spital – ein Reha-Zentrum, das von der Vamed bereits gebaut wird, und Wohnungen, die die Gesiba bauen wollte („Die Presse“ berichtete). Für Letztere verhängte Bürgermeister Michael Häupl nach massiven Protesten einen Planungsstopp.

Vassilakous Job ist es nun, gemeinsam mit den nach wie vor erbosten Bürgern neue Ideen und Pläne auszuarbeiten. „Das ist die erste Blase nach dem Rülpser vom Häupl“, sagt dazu Gerhard Hadinger, der Kopf der Bürgerinitiative.

„Sagt Ihnen Hainburg etwas?“

Auch sonst sind die Bürger nicht gerade friedlich gestimmt. „Haben Sie schon mal was von Hainburg gehört?“, lautet einer der Zwischenrufe. Vassilakou hält dennoch fest daran, gemeinsam ein paar Stationen abzuklappern und darüber zu reden, was geplant war und worüber diskutiert werden soll. Immer wieder weist sie darauf hin, dass sie nicht auf alle einzelnen Fragen eingehen kann und dass sie nicht für alles verantwortlich ist. „Rein rechtlich liegt das auch heute nicht in meinem Bereich“, sagt sie. „Jaja, schuld sind immer die anderen“, ertönt das Echo. Und dass die Grünen 2006, ebenso wie die ÖVP, im Gemeinderat gegen die Baupläne gestimmt haben, sagt sie. „Ja, aber heute sind's dafür“, ruft ein Erboster.

Nachdem sie auch die Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie verteidigen muss, wird der Geduldsfaden der Vizebürgermeisterin immer dünner. Ein Mann, der offensichtlich nicht auf dem neuesten Stand der Dinge ist, will wissen, warum man nicht über die Vamed spricht, die schon fleißig ihr Reha-Zentrum baut. „Ich bin noch immer ein bisschen krank. Bitte quälen Sie mich nicht mit Dingen, die ich nicht ändern kann“, sagt sie leicht entnervt. Einem anderen Zurufer, der ein Schild mit der Aufschrift „Den Reichen das Schönste?“ in der Hand hält, muss sie um etwas mehr Respekt bitten, „sonst kommen wir ja nicht weiter“. Er nickt und stellt reuig sein Schild zu Boden.

Schön langsam werden die anfangs kritischen bis bösen Zwischenrufe weniger und leiser. Vassilakou kann zumindest ein wenig Vertrauen der Bürger gewinnen, etwa indem sie verspricht, dass eine Wiese (über der Vamed-Baustelle) aufgrund des Baumbestands „sicher, sicher, sicher, sicher, sicher, sicher nicht bebaut wird“. Ein Mann sagt zu seiner Begleitung: „Ah, Gott sei Dank, da kommt nix, das hat's jetzt gesagt.“ Eine Dame kann sich aber die Bemerkung „und Schweine können fliegen“ nicht verkneifen.

Auch das Versprechen, dass die anfangs geplanten „ohrwaschelartigen Wohnbauten“ gestrichen sind, kommt gut an. Schön langsam wird ihr zugehört und nicht jeder Satz mit einem Kommentar versehen.

„Es geht darum, gemeinsam zu diskutieren, ob etwas gebaut wird, wenn ja, wo und dann wie. Und zwar in dieser Reihenfolge“, antwortet Vassilakou immer wieder auf Kritik zur Gestaltung der geplanten und wieder verworfenen Bauten sowie auf das Verkehrskonzept. Letzteres soll, wenn gebaut wird, neu gemacht werden und nicht über die Reizenpfenninggasse erfolgen, sondern über den Haupteingang.

Am Ende wird applaudiert

Als letzte Station hat Vassilakou die ehemalige Wäscherei gewählt. Immerhin ist es dort beheizt, und alle Beteiligten sind nach dem eineinhalbstündigen Rundgang schon etwas erfroren. Vassilakou bedankt sich und weist noch einmal darauf hin, dass alle Fragen im Mediationsverfahren in den nächsten Monaten diskutiert werden sollen. „Da ist's wärmer, jetzt muss ich die Handschuhe ausziehen zum Applaudieren“, sagt ein Mann zu seiner Frau. Und tatsächlich, nach eineinhalb Stunden Marschieren, Reden und Diskutieren gibt es von der anfangs so erbosten Truppe immerhin Applaus.

Auf einen Blick

Ein Mediationsverfahren soll die Emotionen aus dem Protest rund um die geplante (und teilweise von Bürgermeister Häupl zurückgepfiffene) Bebauung des östlichen Areals der Steinhofgründe nehmen. Von Jänner bis Juni will Vizebürgermeisterin Vassilakou mit Bürgern und Experten neue Pläne erarbeiten. Auftakt war eine gemeinsame Begehung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Wien

Hainburg und Bacherpark als Vorbild

Mehr als 50 Bürgerinitiativen kämpfen in Wien für die unterschiedlichsten Anliegen. Sie werden durch Hainburg und die Angst um Lebensqualität motiviert.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.