Sozialmärkte: Trauriger Aufschwung

Sozialmaerkte Trauriger Aufschwung
Sozialmaerkte Trauriger Aufschwung(c) APA (BARBARA GINDL)
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Seit wenigen Jahren sperrt ein Sozialmarkt nach dem anderen auf. Längst kaufen dort nicht mehr nur Arbeitslose und Mindestpensionisten ein. Die Vinzimärkte heben deswegen ihre Einkommensgrenzen.

Wien. Es gibt nicht viele Geschäfte, die unter einem Zulauf von immer mehr Kunden leiden. Die Vinzimärkte gehören dazu. Seit wenigen Jahren sperrt ein Sozialmarkt nach dem anderen auf. „Wir beobachten, dass es immer mehr Bedarf gibt“, sagt Heidi Anderhuber, die Leiterin der Grazer Vinzimärkte.

Obwohl es österreichweit mittlerweile mehr als 60 Sozialmärkte gibt, sei der Bedarf noch nicht gedeckt. So sperrt auch in Wien im April ein siebenter Sozialmarkt auf. Es sind nicht mehr nur Obdachlose, Arbeitslose oder Mindestpensionisten, die hier einkaufen. Anderhuber sagt, sie beobachte, dass zunehmend sogenannte „working poor“ – Menschen mit einem geregelten Einkommen, die davon aber nicht leben können – auf diese Märkte angewiesen sind.

Die Vinzimärkte haben daher jüngst ihre Einkommensgrenze von 850 auf 900 Euro (plus 150 € pro Kind) im Monat gehoben. Paaren dürfen in den Märkten einkaufen, wenn sie weniger als 1350 Euro (ebenfalls plus 150 Euro pro Kind) im Monat zur Verfügung haben.„Der finanzielle Druck ist groß“, sagt Anderhuber. Sie erzählt beispielsweise von einer alleinerziehenden Mutter von zwei Kindern, die im Grazer Vinzimarkt einkauft. Die Frau arbeitet bei einer Möbelkette auf Provisionsbasis, so kommt sie im Monat nur auf etwa 1000 Euro. Nicht genug, um für sich und ihre Kinder zu sorgen. Zumal sie ein Auto braucht, um zur Arbeit zu kommen und der Vater der Kinder die Alimente nur säumig zahlt.

15.000 Euro Verlust

Trotz des großen Zulaufs – die Vinzimärkte sind kein gutes Geschäft. Eigentlich sollten die Vinzimärkte Gewinn machen, der anderen Projekten der VinziWerke, etwa den Obdachlosenprojekten, zugute kommt. 2011 aber hat der Vinzimarkt Wien einen Verlust von etwa 15.000 Euro gemacht, diesen Betrag musste die Vinzenzgemeinschaft zuschießen. Vor etwa zwei Monaten ist der Wiener Vinzimarkt von Mariahilf in die Simmeringer Hauffgasse übersiedelt. Dort ist die Miete günstiger, außerdem hätte das Geschäft im 6. Bezirk teuer renoviert werden müssen. Allein seit Mitte Dezember wurden 380 neue Kundenkarten ausgestellt. Bis dato haben sich 5900 Menschen so eine Karte geholt, mit der sie im Schnitt Waren um ein Drittel des Preises einkaufen können. In Summe sind bei den Wiener Sozialmärkten gut 40.000 Menschen als Kunden registriert. Aber die Beschaffung der Waren sei schwieriger geworden, sagt Pfarrer Wolfgang Pucher, der Gründer der VinziWerke. Nachdem innerhalb weniger Jahre zahlreiche Sozialmärkte eröffnet haben, wurde die Beschaffung der Waren im Dachverband Soma zentralisiert. Davor war es für die VinziMärkte aber dank persönlicher Kontakte leichter, an falsch etikettierte, leicht beschädigte oder überproduzierte Produkte zu kommen.

Die jüngsten Vorwürfe, im Wiener Vinzimarkt würden Waren verkauft, die nicht mehr genießbar seien, oder es herrschten hygienische Missstände, weist Pfarrer Pucher aber vehement zurück. Ebenso, dass Migranten in den Märkten mitunter schikaniert werden. Allerdings, gibt er zu bedenken, kommt es natürlich zu Spannungen und Konflikten. Schließlich seien die Kunden, die in die Märkte kommen, nicht die einfachsten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2012)

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