Geheimnisse im Fall Kampusch

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Der geheime Unterausschuss zum Entführungsfall Natascha Kampusch, der seit 1. Dezember unter strenger Geheimhaltung tagt, geht ins Finale. Am Ende könnte eine neue Anzeige stehen. Ein-Täter-These könnte fallen.

Wien. Wie sieht ein Mensch aus, der sich in selbstmörderischer Absicht vor einen Zug geworfen hat? Eine Antwort auf diese Frage könnte bald dazu führen, dass die Entführung von Natascha Kampusch ein weiteres Mal aufgerollt wird. Am 23. August 2006, kurz nach der Flucht des Opfers, hat sich Entführer Wolfgang Priklopil vor eine S-Bahn gelegt und ist getötet worden. Die von der Polizei gemachten Fotos des Toten zeigen aber einen weitgehend unversehrten Leichnam mit nahezu abgetrenntem Kopf.

Deshalb kursieren Mutmaßungen, wonach es sich um die Inszenierung eines Selbstmords gehandelt habe. Dies wiederum würde die Ein-Täter-These zu Fall bringen. Allerdings: Im gerichtsmedizinischen Gutachten wurden keine Hinweise auf die mögliche Einwirkung eines Dritten festgehalten.

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Ob in diesem Punkt – und auch wegen anderer offener Fragen, etwa wegen Schlampereien bei der Spurensicherung im Haus des Entführers – noch einmal neu ermittelt wird, hängt nun von der Arbeit jenes Ausschusses ab, der seit 1. Dezember unter strenger Geheimhaltung im Parlament tagt. Es handelt es sich um den „Stapo-Ausschuss“ (so benannt, weil er etwa zur Kontrolle des Verfassungsschutzes eingerichtet ist). Dieser „Stapo-Ausschuss“ – ursprünglicher Sitzungsort war der dafür vorgesehene abhörsichere Raum im Keller des Parlaments (siehe Foto), mittlerweile wurde ein luftigerer Saal gewählt – könnte in den nächsten Wochen einen Bericht verabschieden, der neue Ermittlungen empfiehlt.

- In diesem abgeschotteten, unterirdischen Raum des Parlaments hat der „Stapo-Ausschuss“ mit der Prüfung des Falls „Kampusch“ begonnen.
- In diesem abgeschotteten, unterirdischen Raum des Parlaments hat der „Stapo-Ausschuss“ mit der Prüfung des Falls „Kampusch“ begonnen.(c) Die Presse Archiv



Dass diese dann vom FBI geführt werden, wie dies derzeit debattiert wird, gilt als höchst unwahrscheinlich. Denn: Abgesehen davon, dass die österreichische Staatsanwaltschaft nicht einfach eine US-Behörde mit Ermittlungen eindecken kann, konzentrierten sich praktisch alle früheren Vorwürfe an der Ermittlertätigkeit auf einen gewissen „Unwillen“ der Staatsanwaltschaft Wien. Rein kriminaltechnische Defizite, die nur das FBI lösen könnte, wurden den österreichischen Behörden bisher nicht nachgesagt.

Ein Sprecher des Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck, sagte auf „Presse“-Anfrage nach etwaigen FBI-Ermittlungen: „Wir würden hoffen, dass die Staatsanwaltschaft das nötige Vertrauen in das Innenministerium und die österreichische Polizei hat.“

Ansonsten verwies Grundböck auf die nominellen Leiter eines jedes Ermittlungsverfahrens, eben die Staatsanwälte. In der Staatsanwaltschaft Wien sorgte die „FBI-Variante“ am Montag für ungläubiges Staunen. Man verwies lediglich auf den „Stapo-Ausschuss“. Inoffiziell hieß es: „Uns ist nicht bekannt, dass wir einfach die US-Polizei beauftragen können.“ Indessen erklärte der Obmann des „Stapo-Ausschusses“, Werner Amon (VP), er halte es für „denkbar“, dass im Fall Kampusch internationale Experten weiterermitteln – „aber natürlich gemeinsam mit österreichischen“.

U-Ausschuss unwahrscheinlich

Dass der geheime Ausschuss mit einem einstimmigen Bericht endet, in dem die bisherigen Ermittlungen durchwegs als vorbildlich eingestuft werden, kann aufgrund bisheriger politischer Statements ausgeschlossen werden. Auch die Variante, dass es am Schluss einen (öffentlichen) U-Ausschuss gibt, gilt derzeit als wenig wahrscheinlich, da die möglichst restlose Klärung eines Kriminalfalls wohl kaum von einem Parlament erwartet werden kann.

Abgesehen von dem bevorstehenden Bericht des „Stapo-Ausschusses“, könnte der Fall auch auf anderer Ebene wieder belebt werden: Derzeit prüft der Rechtsschutzbeauftragte des Justizministeriums, Gottfried Strasser, jenen Bericht der Staatsanwaltschaft Innsbruck, in dem die Einstellung des Amtsmissbrauchsverfahrens gegen fünf ehemalige Kampusch-Staatsanwälte erläutert wird. Und Strasser hat immer noch die Möglichkeit, einen Antrag auf Fortsetzung des Staatsanwälteverfahrens zu stellen.

Was sagen Ausschussmitglieder?

Werner Amon (ÖVP) erklärte am Montag, die Einzeltäter-These werde sich „schwer aufrechterhalten“ lassen. Es sei eventuell genauer zu prüfen, wie es sein kann, dass die einzige Zeugin der Entführung „immer und immer wieder“ von mehr als einer Person gesprochen habe. Es könne „nachvollziehbare“ Gründe geben, warum Kampusch, als Opfer selbst demgegenüber von einem Einzeltäter berichtet hat.
Peter Pilz (Grüne) – er ist Mitglied des „Stapo-Ausschusses“ – findet die Variante, dass nun das FBI ermitteln solle, ziemlich kurios. Er verweist auf den geplanten gemeinsamen Abschlussbericht des geheimen Unterausschusses. Die Vorwürfe, wonach Polizei und Staatsanwaltschaft „bestimmte Spuren nicht verfolgt“ hätten, hält er aufrecht. Insofern spricht Pilz von einem „Versagen“ der Behörden.

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