Ein „Gasland“ mit Hindernissen

Niederösterreich. Die OMV will mit neuen Methoden ein Gasfeld erschließen, das den heimischen Bedarf 30 Jahre decken könnte. Könnte – denn Bürger und Politik bremsen.

Herrnbaumgarten. Die Frontlinie im Kampf um die Zukunft der heimischen Energieversorgung verläuft quer durch das niederösterreichische Weinviertel. Genauer gesagt: bei den Gemeinden Herrnbaumgarten und Poysdorf nahe der tschechischen Grenze. Eine Region, geprägt von weiten Feldern und Hügeln, idyllischen Weingärten und Kellergassen. Von Industrie ist in diesen klassischen Auspendlerorten nichts zu bemerken. Noch nicht.

Angst vor Umweltschäden

Denn weit unter der Weinviertler Landschaft, in rund sechs Kilometer Tiefe, lagert der OMV zufolge genügend Gas, um Österreichs Bedarf rund 30 Jahre lang decken zu können. Gas, das mehr Unabhängigkeit gegenüber unberechenbaren Partnern wie Russland bieten würde, die heute rund fünf Sechstel des heimischen Gasbedarfes liefern, betont der Energiekonzern.

Unglücklicherweise handelt es sich bei den Vorräten unter dem Weinviertel aber nicht um konventionelles Erdgas, sondern um sogenanntes „Schiefergas“ (siehe Artikel unten) – und das macht die Angelegenheit kompliziert. Denn bei der Förderung von Schiefergas sind in den USA massive Umweltschäden aufgetreten – die durch den Film „Gasland“ einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurden. Und damit auch im Weinviertel.

In den nächsten Jahren würde der Konzern gerne mit zwei Probebohrungen beginnen – mit einem neuen, gemeinsam mit der Montanuniversität Leoben entwickelten Verfahren, das für die Umwelt verträglicher sein soll. Widerstand gibt es in der Region trotzdem – und das nicht zu knapp.

„Aus unserer Sicht gibt es nicht einen Grund, für die Förderung zu sein“, sagt Sabine Randl, Mitglied der Bürgerinitiative „Schiefes Gas“ in Herrnbaumgarten. Sie zeichnet ein düsteres Bild von Landschaften, die alle paar Kilometer von großflächigen Förderanlagen verschandelt werden, vom hart erarbeiteten Tourismus in der Region, der zum Erliegen kommen würde und von der Gesundheit der Anwohner, die durch die Bohrungen gefährdet würde.

Starke Lobby gegen Bohrungen

Und dann bringt sie es auf den Punkt: „Wir vertrauen der OMV einfach nicht.“ Schon wahr, der Konzern habe in den betroffenen Gemeinden auf vier Bürgerversammlungen Rede und Antwort gestanden – aber Informationen habe man nur stückchenweise bekommen: „Und die waren unvollständig, teilweise sogar falsch.“ Die Sorgen, dass im Weinviertel Zustände wie im „Gasland“ herrschen würden, wo sich Leitungswasser aufgrund seines hohen Gasgehalts entzünden lasse, seien jedenfalls aufrecht.

Allein kämpfen die beiden Bürgerinitiativen gegen die Schiefergasförderung jedenfalls nicht: Grüne und Umwelt-NGOs haben das Thema dankbar aufgegriffen, um fossile Brennstoffe zu verdammen und für eine „alternative Energiewende“ einzutreten. Auch der heimische Biomasseverband kampagnisiert gegen das Schiefergas und hat am Mittwoch eigens den Ex-Bürgermeister der texanischen Gas-Gemeinde Dish eingeflogen, der Horrorgeschichten von Kindern erzählte, die von den ausgetretenen Dämpfen nachts Nasenbluten bekommen hätten.

Auf taube Ohren fällt der Protest freilich nicht, denn: Niederösterreich wählt in einem Jahr – und da käme es nicht gut, Ängste in der Bevölkerung (einer „Profil“-Umfrage zufolge sind 48Prozent der Niederösterreicher gegen die Bohrungen) zu ignorieren: Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) hat sich vor Kurzem dafür eingesetzt, dass auch für die Probebohrungen eine UVP nötig ist, was unter anderem auch den Bürgerinitiativen Parteistellung verschaffen würde. Ein Wunsch, der ihm erfüllt werden dürfte: Ein entsprechendes Gesetz liegt bereits in der parlamentarischen Beratung.

Die OMV versucht unterdessen, die Wogen zu glätten: Das neue „Clean Fracking“-Verfahren sei noch nicht so weit entwickelt, dass man es schon anwenden könnte – geschweige denn abschätzen, ob eine großflächige Förderung überhaupt wirtschaftlich sei. Bis man auch nur die Probebohrungen einreiche, könne noch gut und gern ein Jahr vergehen. Bevor dann tatsächlich Dutzende Bohrtürme die Hügel des Weinviertels säumen, ist offen – wenn es überhaupt passiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2012)

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