Die Hälfte der Eltern schlägt ihre Kinder

(c) AP (Michael Probst)
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Eine aktuelle Umfrage in Deutschland zeigt: Fast die Hälfte der Eltern gibt ihrem Kind einen Klaps. In Österreich ist die Situation nicht besser. Klaps und Ohrfeige werden oft nicht als gewalttätige Handlung gesehen.

Wien. Fast die Hälfte der befragten Eltern gab an: Ja, sie hätten ihr Kind im vergangenen Jahr schon einmal mit einem Klaps auf den Po bestraft. Das ist eines der Ergebnisse einer „Forsa“-Umfrage, die in Deutschland durchgeführt und am Dienstag veröffentlicht wurde.

Und in Österreich? Hier sieht die Situation nicht besser aus – im Gegenteil. Aus einer Fünf-Länder-Vergleichsstudie „Familie – kein Platz für Gewalt! (?)“, die vor zwei Jahren vom Jugend- und Familienministerium veröffentlicht wurde (aktuellere Daten sind nicht verfügbar), geht Folgendes hervor: Während in Deutschland 43Prozent der Eltern Ohrfeigen geben, sind es in Österreich laut Befragung von Eltern 50Prozent.

Seit 1989 verboten

Dabei hat Deutschland die gewaltfreie Erziehung erst vergleichsweise spät (im Jahr 2000) gesetzlich verankert. In Österreich ist die sogenannte „gsunde Watschn“ schon seit 1989 verboten. Auch bei der Häufigkeit eines „Klapses auf den Po“ (62Prozent in Österreich, 68 in Deutschland) und bei der „schallenden Ohrfeige“ (18Prozent in Österreich, 13 in Deutschland) liegt das Niveau körperlicher Strafen laut der Studie des Ministeriums auf ähnlich hohem Niveau.

Ähnliche Ergebnisse zeitigte etwa auch eine Befragung im Burgenland, die Ende 2010 präsentiert wurde: 43,5Prozent von 435 zum Thema Erziehung befragten Eltern gaben an, ihr Kind – „selten“, aber doch – zu schlagen. Und das, obwohl ein ähnlicher Anteil – 45,4Prozent – diese Erziehungsmethode als „völlig falsch“ bezeichnet.

„Dass Gewalt nicht sein soll, das wissen mehr oder weniger alle Menschen, natürlich auch alle Eltern“, sagt Ewald Filler, Kinder- und Jugendanwalt des Bundes. Die Hauptgründe, warum es doch vorkomme, sei nicht sadistisches Verhalten. „Eltern wollen ihren Kindern nicht wehtun – der Hauptgrund dürfte Überforderung sein“, so Filler.

Problembewusstsein fehlt

Herta Staffa, Sprecherin der Magistratsabteilung11 (Kinder, Jugend und Familie) und Sozialarbeiterin bringt es auf den Punkt: „Das kann ihnen jeder Sozialarbeiter bestätigen: Ein Klaps oder eine Ohrfeige wird oft nicht als Gewalt wahrgenommen.“ Die betroffenen Eltern würden meinen, dass ihnen eine Ohrfeige auch nicht geschadet hätte (Tenor: „Aus mir ist auch was geworden“). Zudem würden die Kinder, so die gängige Meinung, den Klaps auf den (Windel-)Popo ohnehin nicht spüren.

Warum man es trotzdem mache? Weil die Eltern meinen, damit sei es leichter, ein trotziges Kind von der Fernbedienung wegzubekommen, als zum tausendsten Mal zu erläutern, warum die Fernsehstunde jetzt vorbei ist.

Hohe Toleranzschwelle

So verbreitet die Ohrfeige oder der Klaps auch sein mag, so schwierig ist es, zu erheben, wie viele Kinder tatsächlich betroffen sind. Denn wie viele der rund 2000 unter 14-Jährigen, an denen jährlich Körperverletzungen angezeigt werden, Opfer einer „Erziehungsmaßnahme“ wurden, wird nicht gesondert erfasst.

Bei der MA11 beispielsweise betreffen die wenigsten Anrufe und Beschwerden (insgesamt sind es jährlich rund 10.000 Meldungen, die hier einlangen) die Ohrfeige oder den Klaps. Wird der MA11 ein Fall von körperlicher Gewalt gemeldet, dann seien es eher schwerwiegendere Fälle, so Herta Staffa. „Bei uns ruft kein Nachbar an und meldet, dass die Mutter dem Kind im Stiegenhaus eine verpasst hat. Die Toleranzschwelle in der Bevölkerung ist sehr hoch, was Ohrfeigen betrifft.“

Und auch wenn eine Meldung erfolgte, wie realistisch ist es dann, dass ein Kind eine Aussage gegen seine eigenen Eltern machen würde? „Das würden nur die wenigsten Kinder tun“, antwortet Wiens Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits auf diese Frage. Abgesehen davon, dass viele Kinder gar nicht wüssten, dass sie nicht geschlagen werden dürfen. Oft würden Betroffene verwundert reagieren, wenn Pinterits sie aufkläre.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2012)

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