Wiener Islamisten-Prozess: Spendengeld und Terrorcamps

(c) Clemens Fabry
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Vier angeklagte Muslime sollen Mitglieder von Terrororganisationen sein, die Verteidigung spricht von „paranoiden Verschwörungstheorien“. Drei der Männer plädieren auf „nicht schuldig“.

Wien/Eko. Es ist alles nicht so ganz einfach. Rund eineinhalb Stunden lang dauerte das Plädoyer von Staatsanwältin Nina Mayrgündter, unterstützt von unzähligen Power-Point-Folien, das den Auftakt des Terrorprozesses gegen vier Muslime bildete. Ihnen allen wirft die Staatsanwaltschaft die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Wobei sowohl Mitgliedschaft als auch Terrororganisation nicht so einfach definiert werden können.

Gleich sechs Terrororganisationen bringt die Staatsanwältin ins Spiel, mit denen die Beschuldigten zu tun gehabt haben sollen. Und auch noch ein paar zusätzliche Beteiligte, darunter zwei weitere Angeklagte, die nicht am Prozess teilnehmen – einer lässt sich entschuldigen, weil er sich um seine kranke Mutter kümmern müsse, ein zweiter soll in Libyen oder Ägypten untergetaucht sein.

Hauptangeklagter ist der 26-jährige Thomas Al J. – er soll unter anderem einen Vortrag des Extremisten Anwar al-Awlaki ins Deutsche übersetzt haben, in dem der zur Ermordung von Ungläubigen aufrief, die den Propheten Mohammed beleidigt haben sollen. Daneben wirft ihm die Anklage vor, für Terrororganisationen gespendet zu haben. Und nicht zuletzt soll er auch Reisen zu Terrorcamps organisiert haben. Erfolglos allerdings – seine Reise mit einer 13-köpfigen Gruppe nach Somalia endete auf dem Flughafen in Äthiopien.

Fernreise nach Somalia

„Eine Fernreise, um andere Länder kennenzulernen“, sei das gewesen, argumentiert sein Anwalt Lennart Binder. Al J. habe nie vorgehabt, sich dort islamischen Milizen anzuschließen. Und generell stütze sich die Staatsanwaltschaft laut Binder auf „paranoide Verschwörungstheorien“. Der Beschuldigte selbst zeigt sich heute gemäßigt – über die Anschläge am 11.September 2001 habe er sich zwar gefreut, doch er sei erst kurz zuvor zum Islam konvertiert und habe radikaler gedacht. Osama bin Laden sehe er heute kritischer – aber „ich tu ihn jetzt nicht verteufeln, es gibt sehr viel schlimmere Leute“.

Al J. wurde am 15.Juni 2011 festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft. Die anderen drei anwesenden Angeklagten sind auf freiem Fuß. Einem wurde eine Spende von 200 Euro zum Verhängnis, einem anderen wird ein konspiratives Telefonat angelastet. Und ein dritter, ein österreichischer Konvertit, soll den Besuch eines Terrorcamps geplant haben. Er wurde im Juni 2011 mit seiner schwangeren Frau, ihrem Kind und einem der nicht anwesenden Angeklagten auf dem Flughafen Schwechat von der Polizei gestoppt.

Die drei Männer plädieren auf „nicht schuldig“, Al J. auf „teilweise schuldig“. Der Prozess wird am 30.Mai fortgesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2012)

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