Geld für Sex ist nicht mehr sittenwidrig

Symbolbild Prostitution
Symbolbild Prostitution(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Das Höchstgericht rückt von seiner bisherigen Linie ab. Nun können Sexarbeiterinnen ihr Entgelt einklagen. Denn Prostitution sei sogar gesetzlich geregelt.

WIEN. Am Samstag wird der „Internationale Hurentag“ begangen, der an die schwierigen Arbeitsverhältnisse von Prostituierten erinnern soll. Eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) kommt den Sexarbeiterinnen nun entgegen: Denn künftig können sie den Lohn für ihre Arbeit einklagen. Bisher hatte das Höchstgericht dies untersagt, weil Verträge über die geschlechtliche Hingabe als sittenwidrig gewertet wurden.

Nun aber hätten sich die Zeiten geändert, meint der OGH. Anlass für die Judikaturwende war ein Fall aus Kärnten, in dem der Nutznießer von Sexleistungen nicht bezahlen wollte. Dabei galt der Mann in dem Villacher Nachtklub als Stammkunde und als großzügiger Gast. Das Geld blieb der Mann zwar öfters schuldig, er hinterließ aber dafür quasi zur Sicherheit die Bankomatkarte seiner Mutter und zahlte ein paar Tage später. In der Zwischenzeit schoss immer wieder ein Kellner im Bordellbetrieb das Geld für die Frauen, die auf freier Basis beschäftigt waren, vor. Als der Mann aber aufhörte, seine Schulden zu bezahlen und die Bankomatkarte der Mutter gesperrt wurde, kam es zum Prozess. Der Kellner klagte den Freier auf rund 12.000 Euro, wovon sich 6170 Euro auf sogenannte „Mädchendienstleistungen“ bezogen, und der Rest auf Konsumationen (Getränke, Zigaretten).

Die Klage hatte in der Unterinstanz nur mäßigen Erfolg: Das Landesgericht Klagenfurt gewährte dem Kellner bloß Ersatz für die Konsumationen und setzte den Betrag dafür mit 3000 Euro fest. Das Entgelt für Prostituiertenleistungen könne man hingegen nicht einklagen, weil es sich dabei um ein sittenwidriges Geschäft handle. Das Oberlandesgericht Graz bestätigte das Urteil. Es sprach aber aus, dass der Weg zum Höchstgericht zulässig sei. Denn die letzte Entscheidung, in der der OGH ein Entgelt für Geschlechtsverkehr als sittenwidrig erachtete, geht noch auf das Jahr 1989 zurück.

Damals hatten die Höchstrichter noch erklärt, dass im Zusammenhang mit Prostitution häufig der Leichtsinn, die Unerfahrenheit, die Triebhaftigkeit oder die Trunkenheit von Personen ausgenützt werde. Zudem meinten die OGH-Richter in den 1980er-Jahren, dass die Prostitution eine Gefahr für familienrechtliche Institutionen darstelle.

Nicht alle Freier brauchen Schutz

Nun sehe die Welt aber anders aus, meint der OGH. Denn Prostitution sei in Österreich nicht nur nicht verboten. Nein, es gebe sogar landesgesetzliche Vorschriften, die eingehend die Rahmenbedingungen für Prostitution und Bordelle regeln. Daher könne man aus dem geltenden Recht keine Anhaltspunkte mehr auf eine Sittenwidrigkeit für dieses Gewerbe finden. Und „nicht alles, was als potenzielle Gefahr für familienrechtliche Institutionen oder als unmoralisch empfunden wird“, sei schon allein deswegen sittenwidrig. Auch die Gefahr des Leichtsinns von Freiern könne ausgeklammert bleiben: Denn wenn tatsächlich die Leichtsinnigkeit einer Person ausgenutzt wurde, könne das immer noch im konkreten Fall den Vertrag sittenwidrig machen. Aber eine generelle Regel, laut der jeder Vertrag über Sex sittenwidrig ist, brauche es nicht mehr.

Die Höchstrichter (3 Ob 45/12g) hielten daher fest: „Wurde die sexuelle Handlung gegen vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen oder geduldet, so begründet diese Vereinbarung eine klagbare Entgeltforderung.“ Auch Bordellbetreiber (bzw. hier der Kellner, an den der Bordellbetreiber seine Ansprüche abgetreten hatte) könnten Kunden belangen. Nun muss nur noch exakt geklärt werden, welche „Mädchendienstleistungen“ der Kunde konsumiert hat. Dafür wurde das Verfahren an das Erstgericht verwiesen.

Eines bleibe aber gleich, betonte der OGH: Auch weiterhin könne man, selbst wenn man das vertraglich vereinbart hat, den Sex selbst nicht gerichtlich einklagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2012)

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