Asylbescheid droht Familie zu zerreißen

(c) Clemens Fabry
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Weil der Vater Kosovo-Albaner und die Mutter Ukrainerin ist, droht einer Familie mit vier Kindern die Abschiebung in zwei unterschiedliche Länder.

Denis Spahija ist acht Jahre alt. Stolz zeigt er einen Ausweis mit seinem Foto und seinem Namen. Darüber steht „Kinderpolizist“. Den Ausweis hat Denis bei einem Schulausflug zur Hartberger Polizei bekommen. Wenn er von der Polizei aufgehalten wird, solle er diesen Ausweis vorzeigen. „Dann muss ich keine Strafe zahlen, sagte der Polizist“, erzählt Denis. Als er von dem Schulausflug nach Hause gekommen war, zeigte Denis den Ausweis seinen Eltern. Er sagte: „Ihr braucht euch keine Sorgen machen, wir dürfen nicht mehr abgeschoben werden. Ich bin jetzt nämlich Kinderpolizist.“

Familie Spahija lebt seit zweieinhalb Jahren in Österreich. Vor wenigen Wochen wurde ihnen der negative Asylbescheid in zweiter Instanz zugestellt. Gegen diesen gibt es keine Rechtsmittel mehr. Die Erteilung des humanitären Bleiberechts ist die einzige Möglichkeit für die sechsköpfige Familie. Den Antrag haben Sherif und seine Frau gestellt, die Entscheidung liegt bei der Bezirkshauptmannschaft Hartberg.

„Ich bin am Ende“, sagt Vladislava. „Wenn sie unsere Familie teilen, dann weiß ich nicht, wie unser Leben weitergehen soll.“ Denn im Falle der Abschiebung würde die Familie getrennt. Weil Sherif und Denis die kosovarische Staatsbürgerschaft haben, müssten sie in den Kosovo ausreisen. Vladislava und die zwei Töchter Naxhie, 13, sowie Melinda, zehn, sind Ukrainerinnen. Sie würden mit dem zweijährigen Darian, der in Österreich geboren ist, in die Ukraine abgeschoben werden.

Illegal in Österreich

Der Kosovo wird von der Ukraine nicht anerkannt, also können Sherif und Denis nicht einreisen. Im Kosovo werden Ukrainer als Verbündete von Russland und Serbien angesehen – und deswegen bedroht. „Das war ja der Grund, wieso wir vor zweieinhalb Jahren nach Österreich geflohen sind“, erzählt Sherif. „Auf der Straße habe ich mit meiner Frau Deutsch gesprochen, damit niemand erfährt, woher sie kommt.“ Die Familie wurde bedroht, sie mussten Schutzgeld zahlen, Vladislava konnte das Haus kaum verlassen.

Seit März dieses Jahres wohnt Familie Spahija in St. Johann in der Haide. Pfarrer, Bürgermeister, Lehrer – sie alle setzten sich für die Familie ein. Die Dachgeschosswohnung, die die Caritas der Familie zur Verfügung stellt, können Vladislava und Sherif dennoch kaum verlassen. Denn seit dem negativen Asylgerichtsbescheid halten sie sich illegal in Österreich auf. Werden sie von der Polizei kontrolliert, müssen sie Strafe zahlen. Alltägliche Dinge wie Lebensmittel einkaufen werden zum Spießrutenlauf. Auch arbeiten dürfen sie nicht. Pro Person bekommt die Familie nun 150 Euro monatlich.

Melinda, die die vierte Klasse der Hauptschule besucht, will hier bleiben. Sie hat in St. Johann in der Haide neue Freunde gefunden. Sie erzählt, dass sie Angst hat, abgeschoben zu werden. Denn vor wenigen Wochen wurde die Familie, die unter ihnen gewohnt hatte, von der Polizei abgeholt. „Sie sind um 5.30Uhr gekommen. Die Männer haben Masken getragen. Zwei Stunden wurde geschrien.“ Sherif sagt sehr leise: „Meine Kinder haben mich gefragt, ob das bei uns auch so sein wird.“ Er schüttelt den Kopf. „Was soll man darauf sagen, wie soll man ihnen das erklären.“ Seit 16 Jahren sind Sherif und Vladislava verheiratet. Kennengelernt haben sie sich in Deutschland. Getrennt war die Familie schon einmal. 1998, Vladislava war gerade schwanger mit ihrem ersten Kind, flüchtete sie wegen des Kosovokrieges in die Ukraine. Monatelang wusste sie nicht, ob ihr Mann noch am Leben war. Naxhie, seine erste Tochter, sah Sherif im Alter von sieben Monaten das erste Mal. Sherif hofft, mit seiner Familie in Österreich bleiben zu können. Sie fühlen sich wohl hier. Doch wie sie von den Behörden behandelt werden, versteht er nicht. „Ich habe den Krieg im Kosovo erlebt, dort wurden Menschen mit Gewehren getötet“, sagt Sherif. „Hier führt man Krieg mit Kugelschreibern.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2012)

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