Marslandung: "Ab dem Zeitpunkt lief etwas schief"

Die geplante Landung von Schiaparelli.
Die geplante Landung von Schiaparelli.(c) ESA
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Beim Abstieg der ESA/russischen Sonde Schiaparelli auf den Mars am Mittwoch lief in der Endphase kurz nach dem Start der Bremsdüsen offenbar etwas schief. Man hat vorerst den Kontakt verloren.

Bei der historischen ersten gemeinsamen Marsmission der Europäischen Weltraumagentur ESA und Russlands ist offenbar etwas schiefgegangen. Bereits am Mittwochabend war absehbar, dass die Landung des kleinen Moduls "Schiaparelli" in einer Ebene in der Äquatorialregion des Mars, die für etwa 16.48 MESZ geplant gewesen war, nicht problemlos abgelaufen sein konnte. Es hieß zwar, das scheibenförmige Gerät sei in die Marsatmosphäre eingetaucht, aber irgendwann riss der Datenstrom ab. 

Bei einer live übertragenen Pressekonferenz in der Operationszentrale ESOC (European Space Operations Centre) Darmstadt (Deutschland) am Donnerstagvormittag sagte Andrea Accomazzo, aus Italien stammender Leiter der Gesamtoperation namens "ExoMars", dass anfangs alles gut funktioniert und man einen schönen Datenstrom habe: Vom Eintreten in die Atmosphäre in 121 km Höhe, Abbremsen per Hitzeschild, Einsatz des Bremsfallschirms ab etwa elf Kilometer Höhe. Doch nachdem dieser in - jedenfalls so programmierten - rund 1100 Metern ausgeklinkt worden war und die Bremsraketen zündeten, "sind die Daten, die wir bekamen, nicht mehr wie erwartet gewesen." Ab dem Zeitpunkt sei also etwas schiefgelaufen.

Was genau, konnte oder wollte Accomazzo auch auf mehrmaliges Nachfragen von Journalisten nicht beantworten. Zum Zeitpunkt der Raketenzündung sollte Schiaparelli noch mit 250km/h fallen und letzlich bis auf Schritttempo abgebremst werden. Accomazzo ergänzte immerhin, dass die Bremsraketen drei oder vier Sekunden gebrannt hätten. Ab dem Zeitpunkt riss dann vermutlich die Datenübertragung ab. Und seither kam nichts mehr: "Wir haben keine Daten von der Oberfläche. Wir wissen einfach nichts im Moment." Man wisse nicht einmal, ob es überhaupt Bodenkontakt gibt - jedenfalls noch nicht, weil man die Daten des Beschleunigungsmessers noch nicht ausgewertet (oder überhaupt bekommen) habe.

Gereizter ESA-Chef Wörner

ESA-Chef Jan Wörner, ein Deutscher, reagierte auf die Frage, ob der Lander zerschellt sei, recht gereizt und ablenkend: "Ich verstehe die Frage nicht." Man habe doch immerhin zugleich den "Trace Gas Orbiter" (TGO), einen Satelliten, von dem aus Schiaparelli am Sonntag ausgeklinkt worden war, erfolgreich in eine Marsumlaufbahn gebracht, dazu haufenweise Daten bekommen. TGO werde seine wissenschaftliche Arbeit beginnen und für die zweite Stufe von ExoMars - das Landen eines Rovers mittels einer erneuten ESA/russischen Mission anno 2021, als Kommunikationsrelais dienen. Also sei doch alles "ein großer Erfolg." Der Lander Schiaparelli sei ja nur ein "Test" gewesen.

Ein unrunder ESA-Chef Wörner (links); zweiter von rechts: Flight Manager Andrea Accomazzi
Ein unrunder ESA-Chef Wörner (links); zweiter von rechts: Flight Manager Andrea AccomazziESA TV/Screenshot

Damit könnte Schiaparelli (benannt nach einem italienischen Astronomen des 19. Jahrhunderts) in etwa das gleiche Schicksal ereilt haben wie im Dezember 2003 die britische Marslandesonde "Beagle 2". Die war damals von dem ESA-Marssatelliten "Mars Express" ausgesetzt worden, verschwand aber beim Abstieg zur Planetenoberfläche und meldete sich nicht mehr wieder. Außerdem gab es während des Abstiegs zum Mars im Gegensatz zu Schiaparelli überhaupt keine Telemetriedaten von Beagle 2.

Mars Express funktionierte seither hervorragend und lieferte wichtige neue Einblicke in den Mars, etwa die Existenz von Methan in der Atmosphäre: Dieser Kohlenwasserstoff wird typischerweise bei biologischen Prozessen wie Fäulnis und Verdauung erzeugt. Beagle 2 aber wurde erst im Jänner 2015 auf Bildern eines US-Marsorbiters identifiziert, sie liegt nahe der geplanten Landestelle, kam aber offenbar ungünstig zur Ruhe und konnte sich bzw. ihre Solarpanele nicht richtig entfalten.

Ungünstiges Omen für Rover-Landung 2021

Richtig ist, dass Beagle 2 damals Systeme für wissenschaftliche Experimente an Bord hatte, etwa die Analyse von Bodenproben, Schiaparelli hingegen nicht: Dabei ging es nur um den Test eines Abstiegssystems, und nach einer weichen Landung würden die Batterien in sowieso in wenigen Tagen ausgehen.

Idealvorstellung von Beagle 2 auf dem Mars
Idealvorstellung von Beagle 2 auf dem MarsESA
Beagle und zwei weitere seiner Teile auf dem Bild einer US-Marssonde
Beagle und zwei weitere seiner Teile auf dem Bild einer US-MarssondeNASA/JPL-Caltech/Univ. of Arizona/University of Leicester
In Zoomansicht
In ZoomansichtNASA

Dass die Landung aber offenkundig nicht wie erwartet gelungen ist bzw. man sie bisher nicht bis zum Ende nachvollziehen kann, wirft einen ungünstigen Schatten auf die Landung des ExoMars-Rovers anno 2021. Dabei soll der Transport des ESA-Rovers zur Oberfläche zwar mit einem weitgehend russischen Lander erfolgen, der zum Beispiel zwei Fallschirme nacheinander benützt. Allerdings orientiert sich die Gesamtkonstruktion stark an jener von Schiaparelli - jedenfalls nach den jetzigen Plänen.

ExoMars dient als erste Marsmission seit langem, ja seit den beiden "Viking"-Landern der Nasa von 1976, dezidiert der Suche nach Lebensspuren bzw. -Formen auf unserem roten Nachbarplaneten. TGO soll für den Zweck Methan und dessen Verteilung bzw. Quellen in der Atmosphäre und auf der Oberfläche suchen bzw. feststellen. Der Rover soll mit biologischen Labors die Marserde untersuchen und zum Beispiel testen, ob sich darin Bio-Prozesse abspielen.

Bridget, ein Prototyp des ExoMars Rover bei einem Test in der Nähe des Paranal-Observatoriums in der Atacamawüste im Norden Chiles
Bridget, ein Prototyp des ExoMars Rover bei einem Test in der Nähe des Paranal-Observatoriums in der Atacamawüste im Norden ChilesESO

(wg)

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