Was wir über Mohammed sagen dürfen

ueber Mohammed sagen duerfen
ueber Mohammed sagen duerfen(c) REUTERS (MUHAMMAD HAMED)
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Der Amateurfilm "The Innocence of Muslims", der Moslems zu Protesten treibt, ist eine Provokation. Wieso funktioniert sie? Was darf man über Mohammed sagen, ohne den Zorn seiner Anhänger auf sich zu ziehen?

Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf der Erde, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist.“ Dieses oft verkürzt wiedergegebene „Bilderverbot“ aus der Thora, das Freud als „Triumph der Geistigkeit über die Sinnlichkeit“ gewürdigt hat, gilt – einer verbreiteten Meinung entgegen – im Islam nicht. Im Koran steht es nicht. Mohammeds Himmelfahrt war ein beliebtes Motiv islamischer Kunst, im Iran werden Darstellungen des Propheten heute als Postkarten und Poster verkauft.

Es ist also nicht die Empörung darüber, dass Mohammed dargestellt wird, was islamische Massen auf die Straßen treibt, sondern, wie er in dem Amateurfilm „The Innocence of Muslims“ dargestellt wird. Allein in dem auf YouTube erhältlichen 15-Minuten-Ausschnitt wird er als vaterloser Geselle gezeigt, der peinliche Schlapfen trägt, an Ripperln nagt, sich von einer Frau „Sitz!“ sagen lässt, der einen Esel zum „ersten muslimischen Tier“ erklärt, die Pädophilie seiner Gefährten akzeptiert, den Koran je nach seinen Gelüsten umschreibt...

„Das Leben des George“?

Der Eindruck ist klar: Dieser Film wurde gedreht, um Moslems zu verletzen. Nun hat eine Schauspielerin, die nicht namentlich genannt werden will, erzählt, die Hauptperson des Films hätte zunächst gar nicht Mohammed heißen sollen, sondern George. Zumindest habe man das den Schauspielern erklärt. Das erinnert an „Das Leben des Brian“ (1979) der britischen Komikertruppe Monty Python, der das Leben eines Zeit- und Schicksalsgenossen Jesu zeigt, der durch ein Missverständnis zum Messias und gekreuzigt wird. Der Film ist derb und zugleich so subtil, dass man ihn als Persiflage auf die Jesus-Erzählung (und aufs Christentum) sehen kann, aber nicht muss. Doch bald nach Anlaufen des Films protestierten jüdische und christliche Gruppen; in Columbia, South Carolina, verschwand „Das Leben des Brian“ auf Betreiben eines republikanischen Senators aus den Kinos.

Die Frage liegt nahe: Was wäre, wenn „Innocence of Muslims“ in der angeblichen Urversion mit George statt Mohammed geblieben wäre? Als „Leben des George“ sozusagen? Ein Unterschied ist offensichtlich: Das Leben Jesu ist im heiligen Buch der Christen zentral, ist zugleich die Botschaft – oder der Mythos – vom Sohn Gottes, vom Erlöser. Der Koran dagegen handelt nicht von Mohammed, er hat ihn laut islamischem Glauben nur von Allah entgegengenommen.

Was darf man über Mohammed sagen, ohne den Zorn seiner Anhänger auf sich zu ziehen? Er hatte mindestens neun Frauen, er kam wahrscheinlich zwischen 547 und 570 auf die Welt, wurde bald Waise, Halbwaise oder eben nicht. Entscheidend für seine Karriere: die Heirat mit einer reichen, älteren Kaufmannswitwe. Sie bot ihm die Möglichkeit zu reisen, den Glauben zu verbreiten. Als Lieblingsfrau nach dem Tod der Witwe wird Aisha genannt, je nach Überlieferung war sie sechs, neun oder 18 Jahre alt, als sie Mohammed versprochen wurde. Über den Vollzug der Ehe weiß man nichts, nur dass es 623 gewesen sein soll, ein Jahr nach Mohammeds Flucht nach Medina. Litt er an Epilepsie? Das wurde lange nach seinem Tod von christlichen Historikern behauptet. Sicher scheint, dass er kriegerisch war. Der erste Waffengang galt Mekka, das er mit Truppen aus Medina erobern wollte. Dann ging es bald gegen die halbe Christenheit.

Dieser kriegerische Aspekt, nicht nur im Koran reichlich belegt, ist vielleicht ein Grund, warum das Sprechen über den Islam rasch heikel wird. Man könnte ihn als Religion der Eroberung bezeichnen, während das Christentum zumindest zu Beginn ein Glaube der Außenseiter war. Der Kreuzestod Jesu war der schmähliche Tod eines Verbrechers. „Jetzt aber hoch schimpfiertet“, heißt es im Kirchenlied „O Haupt voll Blut und Wunden“: Schmähungen sind dieser Heilsgeschichte inhärent. Das Christentum ist nichts für Stolze. Es ist paradox, wenn sich Christen etwa über die Schändung des Kreuzes empören, von dem Paulus sagte, es sei „den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit“.

Im Vergleich dazu sind Moslems leicht zu kränken, wie nicht nur die Affäre um die Mohammed-Karikaturen 2005 gezeigt hat. Genau mit diesem Schema des „Leicht-beleidigt-Seins“ spielt der Skandalfilm „The Innocence of Muslims“. Er baut auf mangelnde Aufklärung. Also, was ist wahr an Mohammed? Was können wir über ihn sagen? Er selbst schien recht gelassen, wenn es um Authentizität ging. Navid Kermani schreibt in „Gott ist schön“, einer Hymne auf den Koran: „Der Prophet soll selbst erklärt haben, dass jede ihm zugeschriebene Aussage, die im Einklang mit dem Koran steht, tatsächlich von ihm selbst stamme, ,gleich, ob ich es wirklich gesagt habe oder nicht‘.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2012)

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