Schönborn: Radikalreform für die Kirche Wiens

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SchoenbornAPA (Jäger)
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Viele der 660 Pfarren werden die Reform Kardinal Schönborns nicht überleben. Sie werden großzügig zusammengelegt. Laien sollen Teilgemeinden leiten dürfen.

[WIEN/d. n.] „Das ist wahrscheinlich der größte strukturelle Umbau in der Erzdiözese Wien seit Kaiser Joseph II., also seit 200 Jahren." Mit diesen Worten hat Kardinal Christoph Schönborn Mittwoch Abend eine völlig überraschend angesetzte Erklärung zu einer tief gehenden Strukturreform seiner Diözese eingeleitet.

Die wesentlichsten Punkte: Wegen des Rückgangs der Zahl der Priester, der Zahl der Katholiken und der Gottesdienstbesucher sollen - beginnend schon mit Jänner nächsten Jahres - bestehende Pfarren aufgelöst und mit anderen zu größeren Pfarren zusammengelegt werden. Laien werden die alten Pfarren, die nun Teilgemeinden sein sollen, leiten.

Bis 2022 sollen sich laut Schönborn 80 Prozent der heutigen Pfarren in der neuen Struktur finden. Wie viele der 660 Pfarren am Ende der Reform noch bestehen werden, ist derzeit laut Generalvikar Nikolaus Krasa unbekannt. Es werden sich aber wohl einige hundert in einer größeren Einheit wieder finden müssen.

Der Kardinal ahnt um die Schwierigkeiten bei der Umsetzung seines Umbaus, wenn er wörtlich sagt: „Es warten noch viele Probleme. Es gilt Abschied zu nehmen von vielem, was lieb geworden ist. Der Abschied soll aber auch ein Aufbruch sein." Die Vorgaben der Steuerungsgruppe der Diözesanreform unter Vorsitz Schönborns im Detail:

  • Mehrere Priester sind aktiv in einer Pfarre eingesetzt. „Sinnvollerweise mindestens drei bis fünf", wie es wörtlich in dem am Mittwoch präsentierten Papier heißt. Einer der Priester ist als Pfarrer dem Erzbischof letztverantwortlich.
  • Die Leitung der Pfarre wird prinzipiell gemeinschaftlich wahrgenommen - und zwar von Priestern wie Laien. Es gilt „partizipative Führung mit klarer Aufgabenzuteilung" - was aber im wesentlichen auch schon die Aufgabe der derzeit bestehenden Pfarrgemeinderäte ist.
  • „Die Filialgemeinden (katholische Gemeinden vor Ort, die einer größeren Pfarre angehören) werden in Gemeinschaft von Getauften und Gefirmten ehrenamtlich geleitet." Das heißt übersetzt: Laien sollen diese Gemeinden leiten.
  • Alle kirchlichen Aktivitäten sollen stärker missionarisch ausgerichtet werden - immerhin ist das der Grundauftrag der katholischen Kirche, wie Schönborn erinnerte, der hinzufügte: „Mission first."
  • Möglichst viele sollen am Sonntag den Pfarrgottesdienst (auch in einer örtlich entfernteren Kirche) besuchen. Daneben werden aber in Filialgemeinden auch Wortgottesdienste ohne Priester gefeiert.

Wie geht es weiter?

Kardinal Schönborn betonte ausdrücklich, dass mit der Reform die Gemeinden nicht abgeschafft werden. Im Gegenteil: „In den neuen Pfarren sollen sich mehr und lebendigere Gemeinden entfalten können." Durch den Wegfall administrativer Tätigkeiten soll die Kirche gleichfalls wieder missionarischer werden und den Menschen an ihren jeweiligen Lebensorten nahe sein, so Schönborn.

Wie geht es nun weiter? Die Grundstruktur soll der Erzdiözese, allen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern nahe gebracht. In den einzelnen Dekanaten (Ebene über den Pfarren) sollen Modelle gesucht werden, die Vorgaben der Zentrale zu erfüllen.

(Die Presse am Donnerstag, 20.09.2012)

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