Hasstiraden im "Portal Gottes": Spur nach Österreich

Hasstiraden Portal Gottes Spur
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Die pseudokatholische Internet-Hetzseite „Kreuz.net“ könnte zum Problem für die Kirche werden: Laut Privatermittlern sind ihre Macher Priester. Sie agieren sehr geschickt und mit großem Aufwand.

[Berlin] Alle mochten Dirk Bach. Oder besser: fast alle. Groß war die Trauer in Deutschland, als der bunte Vogel, kauzige Komiker und Schauspieler Anfang Oktober mit nur 51 Jahren an Herzversagen starb. Nur eine „katholische Nachrichtenseite“ im Internet namens „Kreuz.net“ frohlockte in großen Lettern: „Jetzt brennt er in der ewigen Homo-Hölle – dieser Gestörte, sexuell Kranke, Sittenverderber und Propagandist der Unzucht.“
Es war dieses von posthumer Verleumdung triefende Hasspamphlet, das ein sich langsam füllendes Fass zum Überlaufen brachte. Bereits 2004 hatten bis heute Unbekannte das Portal ins Netz gestellt. Anfangs galt es als seriöse Plattform ultrakonservativer kirchlicher Kreise. Doch mit der Zeit wurde der Ton immer rauer, aggressiver, menschenverachtender.

Gegen die „Protestunten“

Spätestens seit 2009 regiert offene Hetze im Namen Gottes: gegen Juden, Moslems, Schwule, „Protestunten“, aber auch gegen die „verrottete altliberale Amtskirche“. Vertreter rechtsextremer Splitterparteien kommen ebenso zu Wort wie Holocaust-Leugner; Reden von Irans Präsident Mahmud Ahmadinejad stehen neben Texten von Joseph Goebbels und Heinrich Himmler. Es gab Anzeigen wegen Volksverhetzung, Ermittlungen von Staatsanwälten und Verfassungsschutz – ohne Erfolg. Die Macher wurden bis heute nicht enttarnt. Sie agieren sehr geschickt und mit großem Aufwand. Ihre Server stehen in den USA, Rumänien, Russland, bis zu dreimal täglich wird der Standort gewechselt. In letzter Zeit, heißt es, sei die Seite auf den Bahamas registriert worden. Somit kann nicht nach deutschem oder österreichischem Recht gegen die Inhalte vorgegangen werden.

Kirche ging auf Distanz

Die Bischofskonferenzen in Deutschland und Österreich distanzierten sich mehrmals mit deutlichen Worten von dem laufend aktualisierten Machwerk. Sie beteuerten, dass kein Kirchenmitarbeiter etwas damit zu tun habe. Als aber die Empörung über die Seite nach dem Tode Bachs hochkochte, stellte der „Spiegel“ diese Zusicherung in Zweifel: Auf der Plattform erscheinen nämlich nicht nur anonyme Artikel der vermutlich drei- bis vierköpfigen Redaktion, sondern auch namentlich gezeichnete Gastbeiträge. Der „Spiegel“ zählte zwei Dutzend Autoren mit kirchlichem Hintergrund: einen Prälat, einen Pfarrer, einen Religionslehrer. In deren Beiträgen fehlt der menschenverachtende Tonfall, aber ihre Autoren lassen sie ohne Berührungsängste neben die anonymen Hetzartikel stellen.

Die Macher von Kreuz.net fühlen sich sicher. Sie höhnen über den „Satan“, der vergeblich versuche, ihrem „Portal Gottes“ Einhalt zu gebieten. Doch nun zieht sich die Schlinge um sie enger. Ein Berliner Verlag und der katholische Theologe David Berger gründeten in Reaktion auf den Bach-Artikel die Initiative „Stoppt Kreuz.net“. Geboten wird, in bewährter „Aktenzeichen XY“-Manier, eine Belohnung von mittlerweile 23.000 Euro für Hinweise auf Standort und Hintermänner der Homepage.
600 Hinweise gingen bisher ein, 60 davon erwiesen sich als hilfreich. Die Berliner Staatsanwaltschaft erhielt eine Liste mit fünf Namen – nach Überzeugung der privaten Fahnder sind sie die Verantwortlichen für die Hass-Seite. Die Namen sollen vorerst nicht veröffentlicht werden, um die Ermittlungen nicht zu gefährden.

Schönborn-Feind aus Wien?

Aber die Initiatoren nennen Details. Und diese bergen Brisanz für die katholische Kirche: Vier der fünf Macher sollen nämlich Diözesanpriester sein. Nach der geografischen Aufteilung liege das Zentrum der Aktivitäten hierzulande: „Die heiße Spur führt nach Österreich“, sagt Berger. Es gehe bei den fünf Personen um drei Österreicher, einen Deutschen und einen Schweizer. Einer sei Priester der Diözese Wien, wie Berger im Berliner „Tagesspiegel“ verrät. Er habe eine Rechnung mit Kardinal Christoph Schönborn offen – was erklären würde, dass auch dieser immer wieder auf dem Portal verunglimpft wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2012)

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