IKG-Präsident: "Die Beschneidung ist nicht brutal"

IKGPraesident Beschneidung nicht brutal
IKGPraesident Beschneidung nicht brutal(c) Die Presse (Eva Rauer)
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Der neue IKG-Präsident Oskar Deutsch über Engelberg, Muzicant, Strache und Stronach sowie die Notwendigkeit, in Sachen Beschneidung juristisch zu handeln.

Die Presse: Sie wollen öffentlich darüber nicht sprechen, wir versuchen es dennoch: Sie haben Ronald Lauder, dem Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, Hausverbot erteilt, da er Vorstandsmitgliedern der IKG 4,5 Millionen Euro angeboten haben soll, damit diese Ihren Rivalen, Martin Engelberg, zum IKG-Präsidenten wählen.

Oskar Deutsch: Das sind interne Angelegenheiten. Ich bringe das nicht nach außen.

Was überrascht, ist die Härte, mit der dieser IKG-Wahlkampf geführt wurde – so unversöhnlich.

Was ist unversöhnlich? Sie wissen, bei uns wird viel diskutiert. Was ich verurteile, ist, dass der Wahlkampf in die nicht jüdischen Medien getragen wurde. Und zwar nicht von mir. Ich habe aber kein Problem mit Martin Engelberg. Er hatte das Recht wie jeder andere zu versuchen, IKG-Präsident zu werden. Es ist ihm nur nicht gelungen.

Eine Ihrer ersten Handlungen war eine Anzeige gegen die „Initiative gegen Kirchenprivilegien“, die ihrerseits den Beschneider Schlomo Hofmeister angezeigt hat. Muss man im Jahr 2012 unbedingt an einem archaischen Brauch festhalten, der, egal, wie man es dreht und wendet, letztlich ein Akt der Gewalt an Kindern ist?

Gemeinderabbiner Hofmeister hat gemeint: Wenn man ein kleines Kind erstmals in seinem Leben in eine Badewanne setzt, wird es auch weinen. Die Beschneidung ist nicht brutal. Und die Religion ist die Religion. Und wenn die Religion vorsieht, dass ein Junge nach acht Tagen beschnitten wird, dann ist das so – nicht nur bei den religiösen Juden, sondern auch bei den säkularen. Dieses eine Gebot der Beschneidung wird von 99,9 Prozent aller Juden weltweit eingehalten. Ich habe viele Mails und Briefe von Mitgliedern der Gemeinde bekommen, die wirklich besorgt waren. Und mit der Anzeige wollten wir jetzt zeigen: Wir müssen von Anfang an solche Sachen im Keim ersticken.

Ihr Vorgänger, Ariel Muzicant, war relativ rasch mit der sogenannten Antisemitismus- oder Nazi-Keule zur Hand. Er hat etwa in der Debatte über ein Beschneidungsverbot von einer neuen Shoa gesprochen. Sie wirken da verbindlicher.

Ich will Muzicant nicht interpretieren: Aber wenn diese Säule des Judentums nicht erlaubt ist, werden viele Juden hier nicht leben können. Ich glaube, man muss auch provokant argumentieren, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich habe mich auch bisher schon klar geäußert, wenn Antisemitismus aufgekommen ist. Und ich bemühe mich, Europas Politiker dafür zu sensibilisieren, dass man bei dem, was in Ungarn stattfindet, nicht wegschauen darf: dass Juden oder Roma physisch angegriffen werden. Hier würde ich fast sagen: Wehret den Anfängen!

Sehen Sie in der Gesellschaft Tendenzen gegen die Religionen?

Es gibt beides: eine Bewegung in Richtung Religion und eine dagegen. Gerade bei uns im Judentum gibt es eine traditionelle Mitte. Und diese Mitte wird immer geringer.

Die Kultusgemeinde verliert zusehends Mitglieder. Sie wollen gegensteuern. Wie?

Es gibt in Wien rund 8000 Juden, die nicht Mitglied der Kultusgemeinde sind. Da haben wir schon erfolgreich eine Initiative gestartet. Dann planen wir über die Rot-Weiß-Rot-Card eine gezielte Einwanderung – rund 150 Familien per anno. Um sicherzustellen, dass es hier auch in den nächsten 30, 40 Jahren eine jüdische Gemeinde gibt.

Jüdische Zuwanderer aus Osteuropa oder Zentralasien leben anders – auch und gerade ihr Judentum. Wie kann das funktionieren? Eventuell nur in Parallelgemeinden?

Da kann ich Ihnen nicht recht geben. Die Kultusgemeinde ist beispielhaft für gelungene Integration. Daher ist es wichtig, diese Einheitsgemeinde zu bewahren. Das gibt es nicht mehr in vielen Ländern Europas.

Dann könnte es sein, dass es irgendwann einen bucharischen Präsidenten gibt.

Es könnte einen Präsidenten geben, der in Österreich geboren ist und bucharische Vorfahren hat. Allerdings: Mein Vater kam aus Klausenburg, meine Mutter aus Lemberg.

Haben Sie schon mit Bundespräsident Heinz Fischer gesprochen, der ein prononcierter Verfechter des UN-Beobachterstatus für Palästina ist?

Ja, ich war vor einigen Tagen bei ihm. Wir haben uns über alles Mögliche unterhalten.

Mit dem Ergebnis: We agree to disagree?

Genau so ist es. Es gibt viele Themen, bei denen wir einer Meinung sind. In Sachen Naher Osten haben wir uns aber noch nicht geeinigt. Schade, dass Österreich hier nicht neutral ist – sondern vermehrt Resolutionen pro Palästina unterstützt.

Vielleicht weil ein kleines Land dazu tendiert, sozusagen zum Kleineren und Unterlegenen zu halten?

Ich glaube, dass es Interessen gibt.

Welche Interessen?

Wirtschaftliche.

Mit dem arabischen Raum?

Genau.

Und um muslimische Wähler zu gewinnen?

Kann auch sein.

Haben Sie Kontakt zu FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache beziehungsweise werden Sie ihn suchen?

Nein, dafür gibt es überhaupt keinen Grund– wenn Sie sich dessen Umgebung anschauen. Was soll ich mit denen anfangen? Nur weil sie jetzt nach Israel fahren?

Wie ist Ihr Verhältnis zu Frank Stronach?

Er hat ein großes Herz. Das zeigt er, indem er unsere Institutionen sponsert.

Darf man Sie fragen, wie Sie bei der Heeresvolksbefragung am 20. Jänner stimmen werden?

Es ist eine geheime Wahl. Und ich habe Kinder, die dann zum Militär gehen müssten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2012)

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