Der Gott, die Gott, das Gott?

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Die deutsche Familienministerin hat eine spannende Debatte über das Geschlecht Gottes ausgelöst. Muss man Gott als Vater sehen? Auch als Mutter? Jedenfalls als Person? Oder darf man sich gar kein Bild machen?

God's gender divides German government“: Mit dieser Schlagzeile fasste die Presseagentur Reuters die Debatte zusammen, die die deutsche Familienministerin Kristina Schröder (CDU) kurz vor Weihnachten entfacht hatte.

In einem Interview mit der „Zeit“ war Schröder u.a. gefragt worden, wie sie ihrer kleinen Tochter erklären werde, „dass alle zu dem lieben Gott beten, nicht zu der Gott“. Schröders gewitzte Antwort: „Ganz einfach: Für eins musste man sich entscheiden. Aber der Artikel hat nichts zu sagen. Man könnte auch sagen: das liebe Gott.“

„Der liebe Gott bleibt der liebe Gott!“, rief darauf Schröders Parteigenossin Katherina Reiche, Staatssekretärin im Bundesumweltministerium; Stefan Müller, ebenfalls CDU, nannte Schröders Aussage „unpassend“; Norbert Geis von der Schwesterpartei CSU erklärte: „Gott ist uns von Christus als Vater offenbart. Dabei sollte es bleiben.“ Nur der hessische CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch zeigte sich flexibel, wenn auch ironisch: „Wem nur ein geschlechtsneutraler Zugang zum Herrgott möglich erscheint, dem empfehle ich gerade in der Weihnachtszeit das Christkind.“

„Nicht päpstlicher als der Papst“

Kalmierend meldete sich Regierungssprecher Steffen Seibert im Namen von Kanzlerin Angela Merkel: „Wer an Gott glaubt, dem sind die Artikel egal.“ Und Ministeriumssprecher Christoph Steegmans fand für seine Ministerin (die übrigens zur eher kleinen „Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche“ gehört) einen unverdächtigen Verteidiger in Papst Benedikt XVI., der in seiner Jesus-Biografie schreibt: „Natürlich ist Gott weder Mann noch Frau.“ Man möge also „nicht päpstlicher sein als der Papst“. Vatikan-Berater Wilhelm Imkamp allerdings attackierte Schröder heftig: Ihre Äußerungen seien „dumm und dreist“, und sie würden von einem „erschreckenden religiösen Analphabetismus“ zeugen.

So erschreckend dieser rüde Ton ist, einen wichtigen Aspekt brachte Imkamp in die Debatte: „Gott ist eine Person. Wir haben einen personalen Gott, dass dieser personale Gott die Dimensionen der Geschlechtlichkeit übersteigt, führt nicht dazu, dass man ihn neutralisieren kann.“

Tatsächlich ist der sächliche Artikel theologisch wesentlich problematischer als der weibliche. Gott als Neutrum, als Sache, als unpersönliches Wesen („das Göttliche“) passt nicht zum Status als Person, der den Offenbarungsreligionen gemeinsam ist. Die Vorstellung eines weiblichen Gottes, einer Göttin, schon. Der Kurzwitz „Ich habe Gott gesehen: Sie ist schwarz“ ist in diesem Sinn keine Blasphemie. Gewiss werden viele Christen mit dem CSU-Politiker Günther Beckstein übereinstimmen, der bekannte, für ihn sei es „wichtig, Gott als Vater zu haben“ – man darf sich aber schon fragen, ob diese innige Vorstellung (die freilich auch der biblische Jesus hatte) nicht gegen eine strikte Auslegung des Gebots steht: Du sollst dir kein Bildnis machen.

Klar ist: Vor dem Monotheismus war der Polytheismus, und der kannte mindestens so viele Göttinnen wie Götter. Auch der Gott Jahwe habe einst eine Aschera an seiner Seite gehabt, erklären Forscher. Die Abgrenzung von den anderen Göttinnen und Göttern, die Beschränkung auf eine Gottheit bedeutete einen Verzicht auf Bilder, aber auch auf Geschichten, vor allem Liebes- und Familiengeschichten. Thomas Mann drückte das in „Joseph und seine Brüder“ so aus: „Es gab von Gott keine Geschichten. (...) Gott war nicht entstanden, nicht geboren worden, von keinem Weibe. Es war auch neben ihm auf dem Throne kein Weib, keine Ischtar, Baalat und Gottesmutter. (...) Des Menschen waren Zeugung und Tod, aber nicht Gottes, und kein Gottweib sah dieser an seiner Seite, weil er nicht zu erkennen brauchte, sondern Baal und Baalat in einem und auf einem war.“

Baal und Baalat in einem? Es ist nicht leicht, im Gott des Alten Testaments, dieses oft eifersüchtigen und wütenden Herrschers der Heerscharen, eine weibliche Seite zu finden. Immerhin spricht ein Psalm (22,10) über ihn wie über eine Hebamme: „Du hast mich aus meiner Mutter Leib gezogen.“ Im Deuteronomium (32,18) ist gar von „Gott, der dich geboren hat“, die Rede. Und wenn es in der einen Version der Schöpfungsgeschichte (Genesis 1,27; in der anderen entsteht die Frau aus der Rippe des Mannes) heißt, dass Gott den Menschen „nach seinem Bild“ geschaffen habe, und zwar „als Mann und Weib“, kann man daraus schließen, dass Gott auch „Mann und Weib“ sei.

Umstritten: „Bibel in gerechter Sprache“

Auch in diesem Sinn haben (vor allem evangelische) Bibelwissenschaftler von 2001 bis 2006 an der „Bibel in gerechter Sprache“ gearbeitet. Diese neue Übersetzung aus dem Hebräischen und Griechischen sollte erstens soziale Verhältnisse nicht verzerren, also z.B. nicht „Magd“ statt „Sklavin“ sagen. Zweitens sollte sie antijüdische Tendenzen vermeiden. So steht in der Bergpredigt statt „Ich aber sage euch“, was nach Antithese klingt, „Ich lege euch das heute so aus“.

Drittens ging es den Übersetzern um „geschlechtergerechte Sprache“. Das heißt, dass bei ihnen z.B. von „Jüngern und Jüngerinnen“ und (im Weihnachtsevangelium) von „Hirten und Hirtinnen“ die Rede ist, was doch gezwungen wirkt. Vor allem aber verwendet die „Bibel in gerechter Sprache“ konsequent auch weibliche Ausdrücke für Gott. In manchen Kapiteln steht „die Heilige“, in anderen „der Heilige“, in manchen „die Ewige“, in anderen „der Ewige“; häufig wird der männliche „Gott“ durch die weibliche „Gottheit“ ersetzt. Das Projekt, von Bischöfin Margot Käßmann als „ungeheuer spannend“ gelobt, wurde vielfach verrissen, so schrieb Philologe Johan Schloemann in der „Süddeutschen Zeitung“ von einer „gesinnungsterroristischen Gerechtigkeitsbibel“. Und das, obwohl die Autoren versichert hatten, ihre Übersetzung trete nur als „neuer Versuch neben die existierenden Übersetzungen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2012)

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