Kann ein Papst überhaupt zurücktreten?

Geschieht der Verzicht auf das Amt frei, ist ein Rücktritt kirchenrechtlich kein Problem. Die meisten Rücktritte geschahen aber unter Druck.

Der Papst wird als Oberhaupt der katholischen Kirche grundsätzlich auf Lebenszeit gewählt. Die Frage, ob man als Stellvertreter Christi auf Erden überhaupt zurücktreten kann, ist also durchaus gerechtfertigt. Der Codex Iuris Canonici hält für diesen Fall tatsächlich eine eindeutige Regelung bereit. Wenn der Verzicht frei geschieht und ausreichend kund getan wird, ist ein Rücktritt kein Problem. Der Verzicht auf das Amt kann also vom Papst selbst entschieden werden und bedarf keiner weiteren Anerkennung durch andere Amtsträger (Canon 332 § 2 CIC). Für die Wirksamkeit genügt die bloße Mitteilung des Verzichtenden (Canon 189 § 3). Nach dem Rücktritt tritt kirchenrechtlich dieselbe Situation ein, als wäre der Papst verstorben - 15 bis 20 Tage danach tritt die Versammlung der Kardinäle im Konklave zusammen und wählt den nächsten Papst. Dem ehemaligen Papst kommt die Rechtsstellung eines emeritierten Bischofs zu.

Die Bedingungen, dass der Rücktritt aus freien Schritten erfolgen und hinreichend publik gemacht werden muss, wurden erst 1983 bei der Neufassung des Kirchenrechts unter Papst Johannes Paul II. ins Gesetz aufgenommen. Neben der Vakanz kennt das Kirchenrecht auch die Möglichkeit der "völligen Behinderung des römischen Bischofstuhls". Dabei ist gemäß Canon 335 ebenso zu verfahren wie im Fall einer Vakanz. Das Kirchenrecht schreibt nicht vor, von wem und in welchem Verfahren eine "völlige Behinderung" festgestellt wird.

Beispiel könnte Schule machen

Der Kirchengeschichtsprofessor Rupert Klieber von der katholisch-theologischen Fakultät Wien sieht im Rücktritt von Papst Benedikt XVI. einen "Präzedenzfall, den es in der jüngeren Kirchengeschichte noch nicht gegeben hat". Der Experte geht nun davon aus, dass die Vorgehensweise Schule machen wird und auch künftige Päpste ihr aufgrund körperlicher Schwäche zurücklegen könnten. Seit 1917 ist der Rücktritt eines Papstes kirchenrechtlich klar geregelt, Benedikt XVI. ist der erste, der davon Gebrauch macht. "Es wird wahrscheinlich üblich werden", vermutet Klieber.

Rücktritte bisher meist unter Druck

Rücktritte von Päpsten kamen in der Geschichte der katholischen Kirche bisher nur selten vor und geschahen in der Regel nicht freiwillig. Im Jahr 235 legte Papst Pontianus, nachdem man ihn in die Bergwerke von Sardinien verbannt hatte, sein Amt nieder. Papst Silverius trat 537 zurück, als er wegen Hochverrats nach Patara in der heutigen Türkei verbannt wurde. Johannes XVIII. wurde vermutlich 1009 entthront - er starb im selben Jahr zurückgezogen als Mönch. 1415 wurde Gregor XII. während des Konzils von Konstanz im Streit mit Gegenpäpsten zum Rücktritt gezwungen. Seine Konkurrenten wurden zwangsweise abgesetzt, er selbst wurde zum Bischof von Macerata und zum Kardinalbischof von Frascati und von Porto ernannt. Der einzige wirklich freiwillige Rücktritt vor Benedikt XVI. dürfte der von Papst Cölestin V. am 13. Dezember 1294 gewesen sein. Nach nur fünf Monaten fühlte er sich dem Amt nicht gewachsen und wurde Einsiedlermönch. Er starb 1296 und wurde später heiliggesprochen.

Geheime Amtsverzichts-Schreiben

In der Moderne haben Pius XII. (1939-1958), Paul VI. (1963-1978) und Johannes Paul II. (1978-2005) einen schriftlichen Amtsverzicht vorbereitet. Pius XII. wollte die Kirche damit angesichts einer drohenden Entführung durch Hitlers Truppen absichern. Paul VI. und Johannes Paul II. wollten verhindern, dass die Kirche im Fall von langer, schwerer Krankheit führungslos bliebe. Keines der geheim gehaltenen Amtsverzichts-Schreiben kam zum Einsatz.

(sg/APA)

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