Amtsverzicht: Auch Johannes Paul II. spielte mit dem Gedanken

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Seit 1983 ist der Rücktritt im Kirchenrecht geregelt. Schon mehrere Päpste wollten ihr Amt aufgeben und hatten schon Erklärungen vorbereitet.

Wien/Rom. Papst Benedikt XVI. folgte in gewisser Weise den Gedanken seines Lehrmeisters und Vorgängers. „Nach den Plänen der Vorsehung wurde es mir gegeben, im schwierigen Jahrhundert zu leben, das jetzt in die Vergangenheit eingeht, und jetzt, in dem Jahr, in dem mein Leben das 80.Jahr erreicht, muss man sich fragen, ob es nicht Zeit ist, mit dem biblischen Simeon zu sagen: ,Nunc dimittis‘.“ Diese Sätze hatte Johannes Paul II. im Jahr 2000, im 22.Jahr seiner Amtszeit, in seinem Testament notiert.

Erst fünf Jahre später, kurz vor seinem Begräbnis am 8.April 2005, wurde es veröffentlicht. „Ich hoffe, Gott wird mir helfen zu erkennen, bis wann ich diesen Dienst fortsetzen soll“, schrieb er.

Auch Papst Johannes Paul II. spielte also mit dem Gedanken, von seinem Amt zurückzutreten, einer Idee, die er jedoch anders als sein Nachfolger nie in die Tat umsetzte.

Der Übergang in das 21.Jahrhundert sowie sein 80.Geburtstag waren für den Heiligen Vater Wendepunkte, an denen er innehielt und sich fragte, ob er das Amt wirklich noch ausüben könne; eine Frage, die er letztendlich doch mit Ja beantwortete – auch deshalb, weil er, nachdem er das Attentat von 1981 überlebt hatte, dies als göttlichen Auftrag sah, seinen Dienst fortzuführen.

Es muss freiwillig geschehen

In der Moderne haben mehrere Päpste einen schriftlichen Amtsverzicht zumindest vorbereitet: Papst Pius XII. (1939–1958) wollte die Kirche damit angesichts einer drohenden Entführung durch Hitlers Truppen absichern; Papst Paul VI. (1963–1978) fasste ebenfalls einen Rücktritt ins Auge, um die Kirchenführung im Fall einer schweren Krankheit nicht zu lähmen. Doch keines dieser Schreiben kam zum Einsatz – anders als bei Papst Coelestin V., der 1294 nach nur fünf Monaten abdankte, weil er sich dem Amt nicht gewachsen fühlte (s. Artikel links).

In der Amtszeit von Papst Johannes PaulII. wurden übrigens die Bedingungen, unter denen der Rücktritt aus freien Stücken erfolgen kann, bei der Neufassung des Kirchenrechts 1983 aufgenommen. „Falls der Papst auf sein Amt verzichten sollte“, heißt es dort, müsse der Verzicht freiwillig geschehen und „hinreichend kundgemacht“ werden. Offiziell annehmen muss den Rücktritt hingegen niemand; er ist sogleich gültig.

Rücktritt aus Angst um sein Leben

In zweitausend Jahren Kirchengeschichte gab es kaum Päpste, die vor ihrem Tod freiwillig aus dem Amt schieden. Der Amtsverlust hatte zumeist mit Gewalt und politischen Rivalitäten zu tun. Der Erste war Pontianus. Vom römischen Kaiser Maximinus Thrax nach Sardinien verbannt, verzichtete er auf sein Amt, um der Kirche die Wahl eines neuen Führers zu ermöglichen. Der Termin, an dem Pontianus abdankte – der 28.September 235 –, ist das erste historisch gesicherte Datum der Papstgeschichte.

Als nächster verzichtete Benedikt IX. am 1.Mai 1045 auf sein Amt. Es hatte einen Aufstand in Rom gegeben, blutige Kämpfe zwischen Adelsgeschlechtern, und Benedikt, der zuvor bereits zwölf Jahre amtiert hatte, war nach einer vorübergehenden Absetzung zum zweiten Mal ins Amt gelangt. Aus Angst um sein Leben – andere sagen, um zu heiraten – trat er nach zwei Monaten zurück.

Zweieinhalb Jahre später war er wieder da. Die Kaiserlichen um Heinrich III. setzten ihn zum dritten Mal ins Amt ein; es war Bestechung im Spiel. Nach neun Monaten wurde Benedikt IX. endgültig entthront.

Gregor XII. räumte sein Amt nur halb freiwillig. Er tat es auf Druck des Konstanzer Konzils am 4.Juli1415, um das große „Papstschisma“ zu beenden: Über 37 Jahre hinweg hatte es wegen eines kirchenpolitischen Zwists zwei Päpste gegeben. Von 1409 an, als das Konzil von Pisa die zwei Päpste ergebnislos absetzte und einen neuen wählte, regierten sogar drei Päpste.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2013)

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