Wir waren Papst: Die Deutschen zwischen Respekt, Wehmut und Kritik

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Die deutschen Politiker zeigen Verständnis für die Entscheidung von Papst Bennedikt. Der Bruder wusste über sein Rücktrittsplan Bescheid.

Berlin/Gau. Ein Blitz aus heiterem Himmel? Georg Ratzinger wusste schon seit Monaten Bescheid über die Rücktrittspläne seines Bruders. „Das Alter drückt“, und „ich war eingeweiht“, gestand der 89-jährige Priester. Der Theologe Max Seckler, ein Freund und Kollege aus Tübinger Tagen, plaudert von anderen Motiven: „Er hat sehr gelitten unter manchen Dingen.“ Man könne sich „schwer vorstellen, welche Intrigen es da in Rom gibt“. In der Heimat weiß man eben mehr – und leidet mit.

Die Deutschen pflegten anfangs ein fast familiäres Verhältnis zu „ihrem“ Benedikt XVI. „Wir sind Papst“ titelte die „Bild“-Zeitung euphorisch und stilbildend, als sich das Konklave 2005 für den Bayern Joseph Ratzinger entschieden hatte. Doch auch die Klage über seine dogmatisch-konservative Linie klang schon damals schärfer als anderswo: „Oh mein Gott!“, seufzte die Berliner „TAZ“ vor ganzseitig schwarzem Hintergrund. Auch die Reaktionen auf den Rücktritt reichten von herzlicher Verbundenheit bis kritischer Bilanz. Berlin zollte der Entscheidung parteiübergreifend Respekt, Kanzlerin Merkel sogar den „allergrößten“. Präsident Gauck sieht dahinter „großen Mut und Selbstreflexion“.

Seehofers Lob, Becks Abrechnung

CSU-Chef Seehofer schwärmte von der „charismatischen Ausstrahlung“, mit der der „Papst aus Bayern die Menschen in aller Welt begeistert hatte“. Es geht auch anders. Hans Küng, einst theologischer Mitstreiter, später Kritiker Ratzingers, hofft nur, dass er „nicht Einfluss auf seinen Nachfolger nimmt“. Freilich habe er so viele konservative Kardinäle berufen, dass kaum jemand die Kirche aus ihrer „Krise herausführen könnte“.

Bitter die Abrechnung des Grünen Volker Beck: Die katholische Kirche sei unter dem deutschen Papst hinter das Konzil „zurückgefallen“. „Auch seine Worte gegen Homosexuelle waren stets ein Angriff auf den säkularen Verfassungsstaat, die Menschenrechte und eine humanistisch orientierte Werteordnung.“ Die Forderung an den Nachfolger: dass er auch im Umgang mit Juden und Muslimen „nicht mehr spaltet, sondern eint“.

In Erinnerung bleiben den Deutschen die Reisen in die Heimat: der Popstar-Auftritt von „Benedetto“ vor der Jugend in Köln, das launig-persönliche Interview vor seiner Bayern-Reise, auf der er in Regensburg mit einem provozierenden Zitat die muslimische Welt in Aufruhr versetzte.

Später kränkten sich die Protestanten, dass sie in Rom weiterhin nicht als Kirche gelten. Nach der „Begnadigung“ für den Holocaust-Leugner Williamson forderte sogar Merkel eine Klarstellung. Die Berlin-Reise 2011 verlief versöhnlich. Und gestern überwog Wehmut darüber, dass der prominente Deutsche nicht für seinen Lebensabend in die Heimat zurückkehrt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2013)

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