Die "Revolution" des Papstamtes

(c) Reuters (MAX ROSSI)
  • Drucken

Konservative Kardinäle wie Stanislaw Dziwisz, einst Privatsekretär von Johannes Paul II., kritisieren die Ankündigung von Benedikt XVI., das Amt als Papst zurücklegen zu wollen. Sie sehen den Nimbus des Amts in Gefahr.

Michel Piccoli als depressiver Papst, der sich seinen Aufgaben nicht mehr gewachsen fühlt und aus dem Vatikan ausbricht: Der italienische TV-Sender Sky Cinema brachte am Montag „Habemus Papam“ von Nanni Moretti. Radio Vatikan hatte diese Filmkomödie 2011 als „sehr menschlich“ gelobt, die katholische Zeitung „Avvenire“ hatte moniert, dass in ihr „Gott fehlt“...

„Der Papst büxt aus“ war der deutsche Untertitel. Mit diesen Worten hat niemand den Rücktritt von Benedikt XVI. kommentiert, auch die deutsche „Bild“ – die 2005 „Wir sind Papst“ gejubelt hatte – fragte nur sachlich: „Bekommt der Heilige Vater jetzt eine Rente?“

Eine andere Frage ist von großer Relevanz für die Zukunft der katholischen Kirche. Sie betrifft das höchste Amt, das die 2000 Jahre alte Gemeinschaft von weltweit 1,2 Milliarden Mitgliedern zu vergeben hat: das Papstamt. In den vergangenen Jahrhunderten wurde der Nachfolger Petri mit einem Nimbus versehen, den er nun verlieren könnte. Dass das Papstamt kirchenrechtlich in kaum mehr zu überbietender Art mit Kompetenzen ausgestattet und gleichsam überhöht ist, steht außer Zweifel. Der Papst hat „höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt, die er immer frei ausüben kann“, schreibt das Kirchengesetzbuch in Canon 331 fest. Benedikt XVI. hätte selbstverständlich auch im theoretischen Fall des Fehlens einer kirchenrechtlichen Rücktrittsmöglichkeit sein Amt jederzeit niederlegen können.

„Stellvertreter Gottes a.D.“ hieß es jetzt in der „Süddeutschen Zeitung“ – womit das scheinbare Skandalon des Papstrücktritts auf eine knappe Formel gebracht wurde. Noch deutlicher fassten es Karikaturisten: „Gott amtsmüde“ steht unter einer Zeichnung, die einen Herrgott auf Krücken zeigt, der murmelt: „Mir reicht's.“ Die Vorstellung eines schwachen, leidenden Gottes ist dem Christentum nicht fremd. Trotzdem mögen solche Bilder Gläubigen als Zumutung vorkommen. Sie sind aber mögliche Konsequenz der Formulierung, ein Mensch sei Stellvertreter Gottes auf Erden. Freilich sagt die katholische Kirche das offiziell nicht so: Der Papst trägt „nur“ den Titel „Vicarius Jesu Christi“, also Stellvertreter Christi. Es hieße die Subtilitäten der Dreifaltigkeit zu unterschätzen, wenn man argumentierte, Christus sei doch Gott und daher seien die beiden Formulierungen äquivalent.

Eingeführt wurde der Titel von Papst Leo I. (400 bis 461), im Römischen Reich war „Vicarius“ die Bezeichnung für den Stellvertreter eines Beamten oder Offiziers. LeoI. beanspruchte als Erster den Titel „Pontifex Maximus“, den römische Kaiser getragen hatten, und führte den Titel „Patriarch des Abendlandes“ ein. Dieser wurde 2006 abgeschafft: Benedikt XVI. ist der Erste, der ihn nicht mehr trägt.

All diese neuen Titel waren Manifestationen eines Anspruchs: dass der Bischof von Rom der Führer aller Christen sei. Perfektioniert wurde der Anspruch auf den Primat des Papstes im Ersten Vatikanischen Konzil 1870. Es legte die „volle und oberste Gewalt der Rechtsbefugnis über die ganze Kirche“ fest. Wer sage, der römische Bischof habe „nicht die ganze Fülle dieser höchsten Gewalt“, erklärte das Konzil, „der sei ausgeschlossen“. Zugleich wurde die Unfehlbarkeit des Papstes – freilich nur in seinem Amt als „Lehrer aller Christen“ (ex cathedra) und in Glaubens- oder Sittenfragen – beschlossen.

„Man steigt nicht vom Kreuz“

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) bestätigte den Primat und die Unfehlbarkeit des Papstes zwar. Doch in der dogmatischen Konstitution „Lumen Gentium“ findet sich eine deutliche Nuancierung: „Die Bischöfe lenken das pilgernde Volk“, heißt es darin: „Sie üben ihr Lenkungsamt in Einheit mit dem Papst sowie in kollegialer Gemeinschaft mit den anderen Bischöfen aus.“

Gerade die Konservativen in Kurie und Kardinalsgremium nehmen Benedikt seinen Rücktritt nun sehr übel. „Man steigt nicht herab vom Kreuz“, rief Kardinal Stanislaw Dziwisz, der Privatsekretär Johannes Pauls II., aus Krakau nach Rom. Und wer in der Umgebung des erzkonservativen römischen Kardinals Dario Castrillon Hoyos nachfragt, bekommt zu hören, der „weichliche“ Benedikt XVI. habe mit seinem Rücktritt der Autorität des Papstamts geschadet. Dabei hätte er es von überzogenen, ans Unmenschliche grenzenden überbordenden Anforderungen befreien und in die Moderne geführt haben können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.