In der Sixtinischen Kapelle beginnt am Dienstag das 75. formelle Konklave der Kirchengeschichte. Die 115 Kardinäle hoffen, sich in drei Tagen auf ein neues Kirchenoberhaupt geeinigt zu haben.
Ihre Zimmer im vatikanischen Gästehaus „Zur heiligen Martha“ beziehen sie am Dienstagvormittag, die Sixtinische Kapelle am Dienstagachmittag: Die 115 zur Papstwahl berechtigten Kardinäle beginnen mit dem Konklave.Die Wahl des Ortes. Saßen sie bei ihren zehn Generalversammlungen streng nach hierarchischer Rang- und Weiheordnung, so sind sie in der Unterkunft nächst Sankt Peter alle gleich: Die Zimmer wurden den Kardinälen per Los zugeteilt, damit sich keiner benachteiligt fühlt. Schließlich haben nicht alle Räume einen Blick auf den Dom. Die Sixtinische Kapelle wiederum, die hat Johannes Paul II. 1996 zum festen Ort einer Papstwahl bestimmt, weil dort „alles dazu beiträgt, das Bewusstsein der Gegenwart Gottes zu fördern, vor dessen Angesicht ein jeder eines Tages treten muss, um gerichtet zu werden.“
>>Virtueller Flug über den Vatikan
Der Kamin auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle ist installiert, in der in der nächsten Woche schwarzer und weißer Rauch aufsteigen wird – ein Blickfang für die Weltöffentlichkeit. Nach einem Gottesdienst zum Auftakt wird sich am Dienstagnachmittag das Kardinalskollegium in die prachtvolle, von Michelangelo-Fresken dekorierte Kapelle im Vatikan zurückziehen, um einen neuen Pontifex aus ihrer Mitte zu erwählen – und den Kurs der Weltkirche neu zu bestimmen. Handy und andere technischen Hilfsmittel sind beim Konklave zwar untersagt, in Rom schwirren derweil seit Tagen die Gerüchte. Die „Vaticanisti“, die teils selbst ernannten Vatikan-Experten, haben Hochkonjunktur. Doch wer als Papst ins Konklave einzog, so ein geflügeltes Wort, sei noch stets als Kardinal wieder herausgekommen. Und so versuchen alle Papabili, die Papst-Favoriten, ihre Chancen kleinzureden oder ins Ironische zu wenden. Als Topfavorit und als Kompromisskandidat der mächtigen, jedoch in sich gespaltenen italienischen Kardinalsfraktion kristallisierte sich der Mailänder Kardinal Angelo Scola heraus. Dass ihn Papst Benedikt XVI. für würdig erachtet, die Nachfolge Petri anzutreten, mag Unentschlossene womöglich überzeugen. Hinter den Kulissen brachen längst Intrigen aus, der einflussreiche Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone gilt als Erzrivale Scolas. Die Sehnsucht, nach dreieinhalb Jahrzehnten den „Papa“ – den Heiligen Vater – wieder nach Italien zurückzuholen, könnte sie indes einen. Indessen schmieden die amerikanischen Kardinäle an einer antiitalienischen Allianz. Sind die „Italiener“ an einem kurzen Konklave interessiert, so plädieren die Amerikaner für ein langes Wahlprozedere. Weiter: Die „Presse“ stellt fünf Favoriten vor, im Anschluss folgen Kurzportraits weiterer Anwärter. (c) EPA (ETTORE FERRARI) Es wäre ein Albtraum“, beschied Marc Ouellet im Sommer 2011 Journalisten, die ihn fragten, ob er Nachfolger von Papst Benedikt XVI. werden könnte – und ließ ein Lächeln aufblitzen. Durch seine Nähe zu Benedikt und dessen Vorgänger Johannes Paul II. wusste er um die erdrückende Verantwortung, die mit dem Papstamt verbunden ist. Natürlich habe er das nur im Scherz gesagt, erläutert er jetzt vor dem Konklave, in das er als einer der potenziellen Nachfolger Benedikts und nach Ansicht mancher Auguren gar als Favorit geht. „Ich muss bereit sein, selbst wenn ich denke, dass andere es wahrscheinlich besser machen würden“, sagt der 68-jährige Kardinal. Marc Ouellet kommt aus der Landgemeinde La Motte, 500 Kilometer nordwestlich von Montreal. Seine 91 Jahre alte Mutter Graziella und die 500 Bewohner des Dorfes sehen dem Ansturm von Medien aus aller Welt entgegen, sollte Ouellet zum Pontifex gewählt werden. Würde sich das Konklave auf ihn einigen, dann käme der nächste Papst aus einer Provinz Kanadas, die sich wie keine andere von der katholischen Kirche abgewendet hat. Das Leben der Familie von Pierre Ouellet, Direktor der Dorfschule, und seiner Frau Graziella und ihren acht Kindern wurde von der Kirche geprägt. Die Kirche Saint-Luc war der Mittelpunkt von La Motte. Hier wurde Marc Ouellet 1944 geboren, er begeisterte sich für Eishockey und die Montreal Canadiens, für Fischen und Jagd. Im Mai 1968 in La Motte zum Priester geweiht, zog es ihn in den 1970er-Jahren als Professor und Leiter von Priesterseminaren ins kolumbianische Bogotá, nach Montreal und Edmonton sowie zu Studien nach Rom. Er studierte in Innsbruck, lernte dort auch Deutsch. 1983 promovierte er in Dogmatik. 2002 wurde er Erzbischof von Québec, 2003 Kardinal. Papst Benedikt holte Ouellet 2010 als Präfekt der Kongregation für die Bischöfe und Präsident der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika nach Rom. Täglicher Rosenkranz für den Sohn. Er gilt als Intellektueller und Kosmopolit – er spricht neben Englisch, Französisch und Deutsch auch Spanisch, Portugiesisch und Italienisch, beherrscht daneben noch Latein und Hebräisch –, seine Kritiker sehen ihn als konservativen Hardliner. Als angesehener Theologe steht er dem Intellektuellen Benedikt sehr nahe. Wie früher Ratzinger sucht auch er nicht das Rampenlicht, aber er scheut nicht den Konflikt. Er sprach sich vehement gegen die Homosexuellenehe aus. Scharfe Kritik zog er sich zu, als er Abtreibung selbst nach einer Vergewaltigung der Frau ablehnte. Ouellet ist gegen die Priesterweihe für Frauen, will Frauen aber stärkere Mitwirkung in der Kirche einräumen. Er führte Kanadas Kirche auf einen klaren Kurs bei der Bewältigung von Missbrauchsskandalen, traf sich mit Missbrauchsopfern und ihren Familien. Er entschuldigte sich für Fehler der Kirche, für Rassismus auch gegenüber den Ureinwohnern, Antisemitismus und die Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen. Mutter Graziella steht treu zu ihrer Kirche und ihrem Sohn, sie betet für ihn jeden Morgen den Rosenkranz. Marc Ouellet, 68 (Kanada) FUNKTION: Kurienkardinal in Rom BESONDERHEITEN: Studium unter anderem in Innsbruck, Fan der Montreal Canadiens KARRIERE: 2002 Erzbischof von Québec, 2003 Kardinal, 2010 Präfekt für die Kongregation der Bischöfe und Lateinamerika Text: Gerd Braune (Ottawa)>> Weiter (c) REUTERS (PAUL HANNA) Aus Venedig sind schon namhafte Päpste gekommen: Johannes XXIII. und Johannes Paul I. zuletzt. Beide trugen sie den für die Lagunenstadt traditionellen Ehrentitel eines Patriarchen. Aber warum ist Angelo Scola als „papabile“ erst so recht ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, als Benedikt XVI. ihn vor eineinhalb Jahren von Venedig nach Mailand versetzte? Zum einen, weil es einen solchen Wechsel zwischen diesen beiden bedeutenden, praktisch gleichrangigen Bischofssitzen nie zuvor gegeben hatte. Zum anderen, weil die Versetzung weniger eine Beförderung darstellte als eine Inszenierung. Die Absicht des Papstes war klar: Über Scola sollte in großem Format gesprochen werden. Und drittens ließ sich Scolas Aufwertung kirchenpolitisch lesen: als Benedikts Versuch, einen Befreiungsschlag gegenüber der römischen Kurie zu vollziehen. Dass sich Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, der in Italien so viele persönliche Günstlinge auf „große“ Posten geschoben hat, mit Scola nicht versteht, weiß man seit Langem. So dreht sich auch eines der infamsten Dokumente, die aus den „VatiLeaks“ an die Öffentlichkeit gesickert sind, um Scolas Wechsel. Von einem anonymen deutschen Muttersprachler verfasst, steht darin, der Papst, „der Bertone hasst“, habe „nur noch ein Jahr zu leben“ – der Kontext legt eine kuriale Verschwörung mit Mordabsicht nahe. Bendikt habe Scola deshalb nach Mailand versetzt, „damit dieser sich dort in Ruhe auf das Papstamt vorbereiten kann“. Im Nachhinein stellt man mit gewisser Beunruhigung fest, dass dieser Text am 10. Februar 2012 publiziert worden ist: fast exakt ein Jahr später, am 11. Februar 2013, ist Benedikt XVI. zurückgetreten. Dass Scola Papstqualitäten hat, bezweifelt niemand: Philosoph und Theologieprofessor von Gewicht, starker Prediger, Autor zahlreicher Bücher, in der Leitung seiner mittlerweile dritten Diözese auch ein talentierter Verwalter. Scola war zudem Rektor der Lateranuniversität in Rom – die einzig wirkliche Uni „des Papstes“ –, er kennt das römische Getriebe also durchaus. Aber er war nie Mitglied der vatikanischen Kurie. Im Gegenteil: Er stand ihr immer reserviert gegenüber. Davon könnte Scola im Konklave profitieren: In diverse Skandale war er offenbar nicht verwickelt. Auf Scola könnten sich die 28 – unter sich uneinigen – italienischen Kardinäle zumindest im zweiten Durchgang der Papstwahl verständigen. Das ist eine Hausmacht. Wichtige Netzwerke. Und dann ist Scola auch noch eingebunden in eine äußerst starke Seilschaft. Er ist sowohl Mitglied als auch Vorzeigefigur von „Comunione e Liberazione“, einer fromm-politischen Bewegung, die sich von Italien aus mittlerweile über 70 Länder verbreitet hat und 100.000 Mitglieder zählen soll. Vor allem im Norden Italiens durchzieht das Netz von „Comunione e Liberazione“ alle Bereiche des kirchlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens. Engagiert hat sich Scola auch als Brückenbauer zum Nahen Osten – nicht nur zu den christlichen Minderheiten, sondern vor allem zum Islam. Seine „Stiftung Oase“ unterhält von Venedig aus Kontakte in alle arabischen Länder. Angelo Scola, 71 (Italien) FUNKTION: seit 2011 Erzbischof von Mailand BESONDERHEITEN: ist Mitglied der politisch einflussreichen Organisation „Comunione e Liberazione“ KARRIERE: 1991–1995 Bischof von Grosseto, 2003 ins Kardinalskollegium aufgenommen, 2002–2011 Patriarch von Venedig Text: Paul Kreiner (Rom)>> Weiter (c) Reuters (DYLAN MARTINEZ) Vorigen Sonntag haben die Gläubigen in der Kathedrale von São Paulo ihren Erzbischof zum Konklave verabschiedet. Und weil sie Dom Odilo so gern mögen, hoffen sie, dass er nicht mehr zurückkommt. Er trägt die Hoffnungen seines Landes, seines Kontinents, der halben katholischen Christenheit. Der stattliche 63-Jährige, dem seine Eltern einst den Namen Otto gaben, könnte der erste Latino auf dem Stuhl Petri werden. Er kam 1949 als siebtes von elf Kindern einer Familie zur Welt, deren Vorfahren um 1880 aus dem Saarland in Brasiliens südlichsten Bundesstaat Rio Grande do Sul ausgewandert waren. „Es wäre anmaßend zu behaupten, ich sei bereit“, sagte Scherer nach dem Rücktritt Benedikts. „Niemand wird sagen: ,Ich bin Kandidat‘.“ Das sagen andere, etwa Marco Politi, der legendäre „Vaticanista“ – der Vatikan-Insider der Zeitung „La Repubblica“. Angeblich habe er die Unterstützung der einflussreichen italienischen Kardinäle Angelo Sodano und Giovanni Battista Re. Scherer bringt viel mit. Er leitet die größte Diözese des größten katholischen Landes mit immer noch 137 Millionen Katholiken. Er hat in Brasilien und Rom studiert und gelehrt, war Seelsorger in der Heimat, aber auch – vertretungsweise – im hessischen Bad Vilbel. Von 1994 bis 2001 wirkte er in der Kurie in Rom und pflegt gute Kontakte aus jener Zeit. Papst Benedikt XVI. kürte Scherer 2007 zum Kardinal, nachdem der den ersten Lateinamerika-Besuch des deutschen Papstes ausgezeichnet über die Bühnen brachte. So wurde Scherer mit 58 Jahren zu einem der jüngsten Purpurträger in der neueren Kirchengeschichte. Unter Benedikt wurde Scherer in zwei Gremien beordert, die besonderes Gewicht haben für die Kirche von morgen: Er ist Mitglied eines Rates, der die Evangelisierung vorantreiben soll – besonders wichtig in einem Zeitalter, wo Laizismus der Kirche ebenso zusetzt wie protestantische Sekten, insbesondere in Lateinamerika. Und Scherer sitzt in jenem Kontrollgremium, das die Funktion des „Instituts für religiöse Werke“ überwachen soll. Mit U-Bahn in die Arbeit. Scherer, der via iPhone telefoniert und eifrig twittert, fährt wie viele seiner „Schäfchen“ mit der U-Bahn zur Arbeit, was in der 20-Millionen-Einwohner-Stadt ein atemraubendes Unterfangen mit vollem Körperkontakt ist. Er spricht sechs Sprachen: neben Portugiesisch auch perfekt Deutsch und Italienisch, überdies sehr gut Englisch, Französisch und Spanisch. In Glaubensfragen ist er allerdings nur bedingt modern. Gleichgeschlechtliche Lebensformen lehnt er ebenso strikt ab wie Abtreibung. 2007 lobte er öffentlich die „nicht politischen Aspekte“ der Befreiungstheologie wie etwa das soziale Engagement der Kirche für Gerechtigkeit in Lateinamerika. Nicht gutheißen will er die Nähe der Befreiungstheologen zu marxistischen Theorien, was ihm deftige Kritik von Leonardo Boff eintrug, einem der prominentesten Verfechter der „Teología de liberación“. Diese Ohrfeigen könnten ihm womöglich jetzt helfen, denn im Kardinalskollegium gibt es heute keine Sympathisanten für die linke Linie der 1970er-Jahre. Odilo Scherer, 63 (Brasilien) FUNKTION: seit 2007 Kardinal von São Paolo BESONDERHEITEN: spricht perfekt Deutsch und fünf andere Sprachen, fährt immer mit der U-Bahn in die Arbeit, ambivalentes Verhältnis zur Befreiungstheologie und zu Leonardo Boff KARRIERE: 1994 bis 2001 Funktionen in der Kurie in Rom Text: Andreas Fink (Buenos Aires)>> Weiter (c) REUTERS (TONY GENTILE) Péter Erdö scheint alle zu überragen. Nicht nur seine baumlange Statur, sondern auch seine geistigen Fähigkeiten nötigen denjenigen, die ihm begegnen, Respekt ab. Seine Menschlichkeit wird allseits gerühmt, gewürzt mit einer gesunden Portion Selbstironie und Humor. Kein Wunder, dass Erdö innerhalb der katholischen Glaubensgemeinschaft in Ungarn größte Hochachtung genießt. In der nordungarischen Kleinstadt Dorog hat er sogar eine treue Fangemeinde, die ihm überallhin folgt – sei es zur Einweihung einer Kapelle oder zu seiner ersten Predigt als frisch ernanntem Kardinal im Jahr 2003. In Dorog nahm die kometenhafte Karriere des Erzbischofs von Esztergom und Primas von Ungarn ihren Anfang. Nach seiner Priesterweihe im Jahr 1975 war Erdö Kaplan in Dorog. Mitglieder der dortigen Kirchengemeinde erzählen die Schnurre seines allerersten Gottesdienstes, als der hochgewachsene Kaplan das Messgewand seines vorgesetzten Priesters trug, eines kleinen, rundlichen Mannes. Es reichte nur bis zu den Knien. Was ihm die Gläubigen in Dorog besonders hoch anrechnen, sind seine Umgänglichkeit und Bodenständigkeit. Bei seiner ersten Messe als Kardinal versicherte er: „Ich bin für euch der geblieben, der ich schon immer war, der Peter.“ Für seine Verehrer in Dorog gibt es jedenfalls keinen Zweifel: „Peter“ habe das Zeug dazu, den Stuhl Petri in Rom zu besteigen. Kollegen und Freunde im Gymnasium und Priesterseminar beschreiben ihn als einen hochintelligenten, wissbegierigen und ambitiösen Schüler und Studenten, der seine Mitschüler allesamt in den Schatten stellte. Erdö habe seine intellektuelle Brillanz aber nie blasiert zur Schau gestellt. Er sei niemals abgehoben gewesen, vielmehr war er dank seiner Offenheit und Hilfsbereitschaft überaus beliebt, lautet das Resümee seiner Wegbegleiter. Gleichwohl sei er von einer würdevollen Aura umgeben gewesen. In seiner Gegenwart hätten es sich seine Freunde und Mitschüler verkniffen, schlüpfrige Witze zu erzählen. Passion fürs Kirchenrecht. In Péter Erdö entbrannte schon früh eine Leidenschaft für die Wissenschaften, insbesondere fürs Kirchenrecht. Ehemalige Mitschüler erzählen, dass er Bücher über das kanonische Recht mit einer Hingabe gelesen habe, als seien es literarische Werke gewesen. Dank herausragender Studienerfolge kam er Ende der 1970er-Jahre sogar in den Genuss eines Studiums an der Päpstlichen Lateran-Universität in Rom – ein seltenes Privileg für ungarische Priesterkandidaten zu Zeiten des Kommunismus. Innerhalb der Weltkirche gehört Erdö heute zu den größten Autoritäten in Sachen Kirchenrecht, was seinem großen Wissen wie seinem Pragmatismus zugeschrieben wird. Sein Sprachtalent wird dabei wohl auch mitgespielt haben, neben Latein spricht er fünf Sprachen, darunter Deutsch. Papst Johannes Paul II. hat ihn mit 50 Jahren zum Kardinal geweiht, zum zweiten Mal avancierte er bereits zum Vorsitzenden der europäischen Bischofskonferenz, Letzteres schon zum zweiten Mal. Nach seinen Zukunftsplänen befragt, witzelte er einst: „Weiter auf dem Wege Lenins, meine Freunde.“ Péter Erdö, 60 (Ungarn) FUNKTION: seit 2003 Erzbischof von Esztergom-Budapest BESONDERHEITEN: spricht Deutsch (und fünf andere Sprachen), bodenständig („Ich bin der Peter“) KARRIERE: Studium an der Lateran-Universität in Rom (Privileg für Priesterstudenten aus dem Ostblock), 1980 bis 2003 Theologieprofessor Text: Peter Bognar (Budapest)>> Weiter (c) REUTERS (LASZLO BALOGH) In den Philippinen werden in der kommenden Woche viele Menschen den Atem anhalten, wenn sich in Rom die Kardinäle zum Konklave versammeln. Denn Kardinal Luis Antonio Tagle, der Erzbischof von Manila, gilt als einer der Geheimfavoriten. Tagle ist im Vorjahr in Rom zum Kardinal befördert worden, mit Mitte 50 ist er somit der zweitjüngste Kardinal. Tagle ist in seiner Heimat sehr populär. Er stammt aus einer einfachen Familie, gilt als bescheiden und setzt sich für Sozialprojekte ein. Anders als viele der anderen Kirchenoberen sucht er den Kontakt zu den einfachen Gläubigen, etwa durch seine Facebook-Seite. Mit Klappsesseln in die Messe. Die Kirche steht in den Philippinen hoch im Kurs. 80 Prozent der 94 Millionen Filipinos sind katholisch, sonntags sind die Kirchen gesteckt voll. An Feiertagen bringen Gläubige scharenweise Klappsessel zum Gottesdienst, weil die Plätze nicht ausreichen. In letzter Zeit stören sich jedoch immer mehr Filipinos daran, dass die katholische Kirche offenbar selbstverständlich auf ein Mitspracherecht in der Politik pocht. Erst neulich haben hochrangige Kirchenvertreter versucht, gegen den äußerst populären Präsidenten Benigno Aquino III. Stimmung zu machen. Damit haben sie viele Menschen gegen sich aufgebracht. Aquino hat ein Gesetz unterschrieben, das es staatlichen Stellen ermöglichen soll, Filipinos bei der Familienplanung zu beraten, Aufklärungsmaterial und kostenlos Kondome zu verteilen. Der Privatsektor soll sich an der Finanzierung der Kampagne beteiligen. Da sich die Kirche schon lang gegen das Gesetz stemmt, hat sich dessen Ratifizierung um ganze 14 Jahre verzögert. Kaum ein Politiker konnte es sich leisten, die mächtige Kirche gegen sich aufzubringen. Doch Aquino – dessen Mutter in den 1980er-Jahren unter anderem mit dem Kardinal Jaime Sin Massenproteste anzettelte, die zum Sturz des Diktators Ferdinand Marcos führten – ist auch deshalb ins Amt gewählt worden, weil sich viele Menschen einen Wandel wünschen. Das Verhältnis zwischen dem Präsidenten und der Kirche ist mehr als angespannt. Einige Wortführer der philippinischen Bischofskonferenz haben dem Staatschef sogar mit der Exkommunikation gedroht. Kardinal Tagle gilt als sehr konservativ. Er hält an den traditionellen Werten der Kirche fest und lehnt beispielsweise Schwangerschaftsverhütung und Abtreibungen ab. Das wiederum könnte ihn in den Augen der übrigen Kardinäle erst recht zu einem geeigneten Kandidaten machen, obgleich er ein Benjamin unter ihnen ist. Luis Tagle, 55 (Philippinen)FUNKTION: seit 2011 Erzbischof von Manila BESONDERHEITEN: hat eine eigene Facebook-Seite, setzt sich für Sozialprojekte ein, im Clinch mit Präsident Benigno Aquino um Empfängnisverhütung und Abtreibung KARRIERE: seit November 2012 Kardinal Text: Sascha Zastiral>> Weiter (c) REUTERS (MAX ROSSI) Timothy Dolan (63), USA.Täglich erschien der Bonvivant und deklarierte Fan der New York Yankees im US-Fernsehen und erklärte den Zusehern der News Shows auf NBC und CNN Gott und die Welt – und die Byzantinismen im Vatikan. Als Kardinal von New York verkörpert Timothy Dolan die Machtfülle und das Selbstbewusstsein der größten und reichsten US-Diözese. Als Wortführer der US-Kardinäle, als PR-Profi und bulliger Kirchenmanager verbreitet er bei den Kurienkardinälen im Vatikan indes Unbehagen. Er würde einen frischen Wind in die altehrwürdigen Gemäuer bringen, in Rom sorgten seine „Cowboy“-Manieren schon während des Interregnums für Irritationen. Sollte ihn das Konklave zum Papst küren, so witzelte er, wäre wohl Marihuana im Spiel. Christoph Schönborn (68), Österreich. „Konservativer Reformer“ ist eines der Etikette, mit denen sich der Spross aus altem europäischen Adel von internationalen Medien dieser Tage versehen sieht: Christoph Schönborn, Wiener Erzbischof, nimmt zum zweiten Mal an einem Konklave teil – und gilt zum zweiten Mal als papabile. Der 68-jährige Dominikaner, Dogmatiker und treue Schüler Joseph Ratzingers hat im weltweiten Vergleich bei Bekanntwerden der Fälle (sexueller) Gewalt gegen Kinder und Jugendliche vorbildlich reagiert. Eine Opferschutzgruppe hat ihn erst jüngst neben nur zwei anderen Kardinälen positiv hervorgehoben. Schönborn gilt als einer der bedeutendsten europäischen Kardinäle und ist weltweit vernetzt. Sein Manko: Er wäre nach Benedikt der Nächste aus einem deutschsprachigen Land. Peter Turkson. Vor acht Jahren war der Nigerianer Francis Arinze ein Geheimfavorit. Diesmal gilt der 80-Jährige jedoch als zu alt. Die Hoffnung der Afrikaner verkörpert jetzt Peter Turkson, ein 64-jähriger konservativer Kurienkardinal aus Ghana. In der Weltkirche meinen viele, dass es endlich Zeit wäre für den ersten schwarzen Papst – zumindest für den ersten außerhalb Europas. Turkson kletterte die Kirchenhierarchie in Rom hoch. Als Präsident der Kongregation für Gerechtigkeit und Frieden hat er eine wichtige Funktion inne. Robert Sarah (67), Guinea. Mit 22 Jahren Seelsorge- und Verwaltungserfahrung als Bischof in seiner westafrikanischen Heimat Guinea, mit mehr als elf Jahren an der Kurie und mit den ihm zugewachsenen diplomatischen Aufgaben als Sonderbotschafter des Papstes für Libanon/Syrien könnte Robert Sarah auch den Schliff für das Papstamt haben. Das ideale Alter hätte er mit 67 Jahren. Sarah leitet seit 2010 das päpstliche Hilfswerk „Cor Unum“; zuvor war er neun Jahre lang Sekretär der einstigen „Propaganda“-Kongregation und kennt deshalb die katholische Kirche der Entwicklungs- und Wachstumsländer in allen ihren Teilen und Problemen. In Afrika leben 183 Millionen Katholiken; das sind bereits heute mehr als 15 Prozent der Weltkirche. Doch Afrika stellt nur elf Kardinäle im Konklave. Zurück zur Themenseite: Alles zur Papstwahl (c) Reuters (DYLAN MARTINEZ) Die Favoriten auf den Stuhl Petri Johannes Paul II. hatte in erster Linie natürlich Michelangelos „Jüngstes Gericht“ vor Augen, das von der Altarwand aus formatfüllend den Raum beherrscht. Dadurch, dass nun eigens für das Konklave der Fußboden mit einer Bühne aus Stahl und Holz um einen guten halben Meter angehoben worden ist – man wollte den buckligen historischen Boden und diverse Stufen als Stolperfallen ausschalten –, wirkt Michelangelos endzeitlicher Figurenwirbel sogar noch näher und bedrängender. Zeitplan. Wenn der vatikanische Fachmann Ambrogio Piazzoni richtig gezählt hat – was in den Wirren der Historie nicht eben einfach ist –, beginnt am Dienstag nun also das 75. reguläre Konklave der Kirchengeschichte, das 25. in der Sixtinischen Kapelle.
Genau genommen beginnt die Prozedur am Dienstagvormittag im Petersdom, wo sich alle Kardinäle zur gemeinsamen Messe „für den zu erwählenden Papst“ versammeln. Gegen 16.30 Uhr ziehen sie in feierlicher Prozession innerhalb des Apostolischen Palasts zur Sixtinischen Kapelle. Dort schwören sie noch einmal strengste Geheimhaltung, dort hören sie aus dem Mund eines Altkardinals eine – laut Johannes Paul II. – „wohlüberlegte Betrachtung über die Lage der Kirche und die erleuchtete Wahl des neuen Papstes“.
Anschließend ruft der vatikanische Zeremonienmeister sein berühmtes „Extra omnes!“, „Alle raus!“; das hohe, schwere Holzportal der Sixtina schließt sich auch für die Fernsehkameras, und die Kardinäle bleiben für den ersten Wahlgang unter sich.
KonklaveBeginn obersten Priester waehle APA
Streng abgeschirmt. Überhaupt bleiben Wahllokal und Gästehaus für die Dauer des Konklaves streng abgeschirmt: Nicht nur, dass die Vatikanpolizei alle Leute abhält, die mit den Kardinälen ins Gespräch kommen wollen; Störsender sollen auch verhindern, dass Handy- und andere Funksignale hinein- oder herausdringen. Experten haben die Sixtinische Kapelle außerdem auf Wanzen untersucht und gegen sonstige Hightech-Lauschangriffe gesichert. Die Nutzung von Medien ist den Kardinälen untersagt, bis der neue Papst dem Volk offiziell vorgestellt ist – und jener päpstliche Zeremoniar, der 2005 den Namen Ratzingers ein paar Minuten vorher per SMS „exklusiv“ an einen deutschen Nachrichtensender verraten hat, war seinen Job ziemlich schnell los.
KonklaveBeginn obersten Priester waehle (c) APA
Wahlgänge. Von Mittwoch an gibt es also jeden Vormittag und jeden Nachmittag jeweils zwei Wahlgänge. Bleiben sie erfolglos, dann steigt am Ende jeder Sitzung schwarzer Rauch aus dem Giebel der Sixtinischen Kapelle auf – täglich gegen 12 und gegen 19 Uhr. Weißer Rauch hingegen als Zeichen einer geglückten und vom Beglückten angenommenen Wahl wird ohne Verzögerung in die Luft geblasen, also auch gegen 11 und gegen 18 Uhr.Geheime Wahl. Die Wahl erfolgt geheim. Jeder Kardinal schreibt – nach der Anordnung Johannes Pauls II. – „in verstellter, aber deutlicher Schrift“ den Namen dessen, „von dem er glaubt, dass er nach Gottes Willen gewählt werden soll“, auf einen Zettel. Dieser trägt die lateinische Aufschrift „Zum obersten Priester wähle ich...“ („Eligo in Summum Ponteficem“), wird zweimal gefaltet und in die Urne aus Bronze und Silber gelegt, die sich auf dem Altar der Sixtina befindet, exakt zu Füßen des „Jüngsten Gerichts“. Zweidrittelmehrheit. Gewählt ist, wer mindestens zwei Drittel der Stimmen auf sich vereinigt. Bei 115 Wahlmännern sind das 77. Sollten diese bis Freitagabend nicht zusammenkommen, ist am Samstag erst einmal Pause. Die Stimmzettel werden nach jeder Wahlsitzung in einer Art Kanonenofen noch in der Sixtinischen Kapelle verbrannt. Damit die Farbe des Rauchs von außen auch deutlich erkennbar wird – 2005 war genau das nicht der Fall –, sorgen chemische Stoffe in einem zweiten Ofen für düsteres Schwarz oder strahlendes Weiß.
KonklaveBeginn obersten Priester waehle APA
Zeitraum. Wie lange dieses Konklave dauern wird, weiß niemand. Weil die Kardinäle aber möglichst schnell nach Hause wollen, hoffen sie auf ein eher kurzes Verfahren. Anhaltspunkte könnte die Wahl Karol Wojtylas bieten, der als Pole und nur 58-jähriger Außenseiter 1978 acht Wahlgänge brauchte, um zu Johannes Paul II. zu werden; Benedikt XVI. hingegen stand 2005 innerhalb von 24 Stunden, nach dem vierten Wahlgang, fest. Aber Joseph Ratzinger galt ja auch als „geborener“ Nachfolger Wojtylas. Vergleichbare Favoriten sind diesmal nicht in Sicht.
Damit die 115 wahlberechtigten und angereisten Kardinäle am Dienstag in die Sixtinische Kapelle einziehe konnten, haben unzählige Arbeiter zuvor schon ganze Arbeit geleistet. (c) Reuters (OSSERVATORE ROMANO) Dazu gehört auch die Montage der Öfen für die Verbrennung der Stimmzettel. Nach jeder Wahlsitzung am Vormittag und am Nachmittag - dabei gibt es in der Regel je zwei Wahlgänge - werden die Stimmzettel und auch alle Notizen zur Wahl verbrannt. (c) REUTERS (STEFANO RELLANDINI) Das geschieht in zwei gusseisernen Wahlöfen, die wenige Tage vor Beginn des Konklaves in der Kapelle aufgestellt wurden. Lange Rohre leiten den Rauch von dort bis zum Dach des Gebäudes. (c) EPA (OSSERVATORE ROMANO) In einem Ofen, der seit 1939 verwendet wird, werden die ausgezählten Wahlzettel verbrannt. Im zweiten Ofen, der 2005 erstmals zum Einsatz kam, wird mit Hilfe von Chemikalien schwarzer oder weißer Rauch produziert. (c) Reuters (DYLAN MARTINEZ) Der Ursprung dieser Tradition ist weitgehend unbekannt. Schon für die Papstwahl 1775 im römischen Quirinalspalast ist Rauch als Signal für die draußen Wartenden belegt. Spätestens seit 1878 ist der Rauch fester Bestandteil des Konklaves. (c) EPA (CLAUDIO PERI) Bevor sie im Ofen landen, geben die Kardinäle die Wahlzettel bei jedem Wahlgang in diese Wahlurnen. Für eine gültige Papstwahl muss ein Kandidat mindestens zwei Drittel der Stimmen (das sind dieses Mal 77) auf sich vereinen. (c) REUTERS (OSSERVATORE ROMANO) Um Lauschangriffe oder andere elektronische Signale nach außen zu verhindern, hat sich die Sixtinische Kapelle in einen Sicherheitstrakt verwandelt. Unter dem extra verlegten Zwischenboden montierten die Arbeiter Störsender. (c) EPA (CLAUDIO PERI) Vor Beginn des Konklaves durchsuchen Sicherheitskräfte des Vatikans die Kapelle und die Gästezimmer, in denen die Kardinäle wohnen, auf versteckte Mikrofone.Im Bild: Restauratorinnen bereiten die Sixtinsche Kapelle auf die Papstwahl vor. (c) Reuters (OSSERVATORE ROMANO) Vor dem Einzug der Kardinäle ist am Dienstag um 10 Uhr eine besondere Messe für eine gute Papst-Wahl ("Pro Eligendo Romano Pontifice") geplant. Um 16.30 Uhr beginnt die Prozession der Kardinäle, die von der Paolinischen Kapelle in die Sixtinische Kapelle ziehen werden. Danach sollen die Tore der Sixtinischen Kapelle geschlossen werden. (c) REUTERS (STEFANO RELLANDINI) Das Personal, das die Kardinäle während des Konklaves unterstützt, darunter Ärzte, der Tischdienst und die Putzkolonne, schwört am Montagnachmittag Verschwiegenheit. Am Dienstagvormittag ziehen die Kardinäle ins Hospiz Santa Marta, in dem sie während des Konklaves wohnen. (c) REUTERS (OSSERVATORE ROMANO) Der Speisesaal von Santa Marta. Hier essen die Kardinäle zwischen den Abstimmungen. Kontakt mit der Außenwelt ist streng verboten. (c) EPA (OSSERVATORE ROMANO) Alles bereit für das Konklave ("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2013)
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