Die Qual der Papstwahl: Einer aus 115 Kardinälen

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Anders als vor acht Jahren bei der Kür Joseph Ratzingers steht diesmal kein "logischer Nachfolger" bereit.

Die Augen der Welt richten sich heute auf Rom und die Sixtinische Kapelle, wo sich 115 wahlberechtigte Kardinäle der katholischen Kirche streng abgeschirmt zur Kür eines neuen Papstes versammeln. Sie stehen dabei unter doppeltem Druck, eine rasche Einigung zu erzielen. Einerseits gilt es, Einigkeit und Entschlossenheit zu demonstrieren. Zum anderen drängen die Medien auf eine rasche Wahl: 5000 Journalisten verfolgen in Rom die Kür des Pontifex maximus.

Vor acht Jahren war das Konklave schnell vorbei. Innerhalb von 24 Stunden und vier Wahlgängen stieg im Vatikan weißer Rauch auf, und kaum eine Stunde später erscholl auf dem Balkon des Petersdoms der Ruf „Habemus papam“. Diesmal könnte sich die Papstwahl länger hinziehen, weil kein „logischer Nachfolger“ bereitsteht wie damals Joseph Ratzinger. Im Folgenden sieben aussichtsreiche Kandidaten:

Angelo Scola (71) Italien

Mit 40 Stimmen, so meinen die Auguren in Rom, geht der Erzbischof von Mailand ins Konklave. Er gilt somit als klarer Favorit für die ersten beiden Wahlgänge am Dienstag. Mehr als ein Drittel der Stimmen scheint ihm demnach sicher, für die Wahl würde er freilich eine Zweidrittelmehrheit von 77 Voten benötigen. Seine Parteigänger im Kardinalskollegium waren darum bemüht, einen Pakt mit den außereuropäischen Purpurträgern zu schließen, um ihren „Papabile“ zu küren.

Als früherer Patriarch von Venedig hätte Scola als Papst zumindest zwei prominente Vorgänger: Johannes XXIII. und Johannes Paul I. Benedikt XVI. berief ihn erst vor eineinhalb Jahren nach Mailand.

Odilo Scherer (63) Brasilien

Seine Vorfahren sind einst aus dem Saarland nach Brasilien ausgewandert, insofern wäre der erste lateinamerikanische Papst als Nachfolger Benedikts von der Herkunft her ein Deutscher. In Rom kursierte sein Name bereits von Anfang der Sedisvakanz an als einer der Topkandidaten – am Ende so sehr, dass seine Befürworter fürchteten, dies könnte ihm letztlich beim Konklave schaden. Auch zwei einflussreiche italienische Kardinäle sollen sich für ihn starkmachen.

Er studierte unter anderem in Rom und wirkte auch mehrere Jahre an der Kurie, kennt somit den Vatikan aus nächster Nähe. In São Paulo gab er sich bodenständig, fuhr täglich mit der U-Bahn ins Erzbischöfliche Palais, hielt sich aber von den Befreiungstheologen um Leonardo Boff fern.

Marc Ouellet (68) Kanada

Sollte die Wahl diesmal nicht auf einen Europäer fallen, dann könnte seine Stunde schlagen: Marc Ouellet, am 8.Juni 1944 in der kanadischen Landgemeinde La Motte geboren, zählt zu den aussichtsreichsten Kandidaten auf den Stuhl Petri. Als Kardinalspräfekt der Bischofskongregation ist der intellektuelle Kosmopolit bestens vernetzt im Vatikan.

Seine Wahl wäre ein Zeichen für Kontinuität. Denn der Kanadier gilt als enger Gefolgsmann von Papst Benedikt XVI., der ihn 2010 auch nach Rom geholt hat. So wie sein Lehrmeister hat sich auch Ouellet einen Ruf als scharfsinniger Theologe erworben. Auch der emeritierte Erzbischof von Québec ist im konservativen Spektrum der Kirche zu verorten. Priesterweihen für Frauen lehnt er etwa strikt ab.

Timothy Dolan (63) USA

Täglich erschien der Bonvivant und deklarierte Fan der New York Yankees im US-Fernsehen und erklärte den Zusehern der News Shows auf NBC und CNN Gott und die Welt – und die Byzantinismen im Vatikan. Als Kardinal von New York verkörpert Timothy Dolan die Machtfülle und das Selbstbewusstsein der größten und reichsten US-Diözese.

Als Wortführer der US-Kardinäle, als PR-Profi und bulliger Kirchenmanager verbreitet er bei den Kurienkardinälen im Vatikan indes Unbehagen. Er würde einen frischen Wind in die altehrwürdigen Gemäuer bringen, in Rom sorgten seine „Cowboy“-Manieren schon während des Interregnums für Irritationen. Sollte ihn das Konklave zum Papst küren, so witzelte er, wäre wohl Marihuana im Spiel.

Péter Erdö (60), Ungarn

Der Vorsitzende des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen, Ungarns Kardinal Péter Erdö, hat immer Wert darauf gelegt, ein Mann des (Kirchen-)Volkes zu bleiben: „„Ich bin für euch der geblieben, der ich schon immer war, der Peter“, sagte Erdö in seiner ersten Predigt, nachdem ihn Johannes PaulII. 2003, nur drei Jahre nach seiner Ernennung zum Bischof von Esztergom-Budapest, zum Kardinal erhob. Während es in Ungarn seine Bodenständigkeit, seine Menschlichkeit und sein Humor sind, deretwegen Erdö hier Hochachtung genießt, ist es in der Weltkirche seine umfassende Kenntnis des Kirchenrechtes: Ende der 1970er-Jahre hat er unter anderem an der Lateran-Universität studiert – selten für Priesterkandidaten aus kommunistischen Staaten.

Ch. Schönborn (68) Österreich

„Konservativer Reformer“ ist eines der Etikette, mit denen sich der Spross aus altem europäischen Adel von internationalen Medien dieser Tage versehen sieht: Christoph Schönborn, Wiener Erzbischof, nimmt zum zweiten Mal an einem Konklave teil – und gilt zum zweiten Mal als papabile.

Der 68-jährige Dominikaner, Dogmatiker und treue Schüler Joseph Ratzingers hat im weltweiten Vergleich bei Bekanntwerden der Fälle (sexueller) Gewalt gegen Kinder und Jugendliche vorbildlich reagiert. Eine Opferschutzgruppe hat ihn erst jüngst neben nur zwei anderen Kardinälen positiv hervorgehoben. Schönborn gilt als einer der bedeutendsten europäischen Kardinäle und ist weltweit vernetzt. Sein Manko: Er wäre nach Benedikt der Nächste aus einem deutschsprachigen Land.

Robert Sarah (67) Guinea

Mit 22 Jahren Seelsorge- und Verwaltungserfahrung als Bischof in seiner westafrikanischen Heimat Guinea, mit mehr als elf Jahren an der Kurie und mit den ihm zugewachsenen diplomatischen Aufgaben als Sonderbotschafter des Papstes für Libanon/Syrien könnte Robert Sarah auch den Schliff für das Papstamt haben. Das ideale Alter hätte er mit 67 Jahren.

Sarah leitet seit 2010 das päpstliche Hilfswerk „Cor Unum“; zuvor war er neun Jahre lang Sekretär der einstigen „Propaganda“-Kongregation und kennt deshalb die katholische Kirche der Entwicklungs- und Wachstumsländer in allen ihren Teilen und Problemen. In Afrika leben 183 Millionen Katholiken; das sind bereits heute mehr als 15 Prozent der Weltkirche. Doch Afrika stellt nur elf Kardinäle im Konklave.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2013)

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