Weissagung. Ein Jahr vor dem Papst-Rücktritt sagte eine „Seherin“ Benedikts Vertreibung voraus. Was Papst-Prophezeiungen sonst noch sagen.
Geht es nach den Prophezeiungen, so wird die Zukunft unter dem kommenden Papst düster: Entweder er wird verfolgt und hingeschlachtet wie seine Herde. Oder er ist der Antichrist und wird unter einer höchst liebenswürdigen Maske seine Schäfchen in die Irre führen.
Die Seherin von Garabandal sagte im Jahr noch vier Päpste voraus und dann das Ende. Benedikt war der vierte Papst seitdem, jetzt hat er doch noch einen Nachfolger. Diese Prophezeiung hat sich somit erledigt, wie sieht es mit den übrigen aus?
„Während der letzten (bzw. äußerst großen) Verfolgung der heiligen römischen Kirche wird Petrus, ein Römer, regieren. Er wird die Schafe unter vielen Bedrängnissen weiden. Dann wird die Siebenhügelstadt zerstört werden und der furchtbare Richter wird sein Volk richten. Ende.“
Weissagung des Malachias
So lautet eine verbreitete Übersetzung für das Ende einer der berühmtesten Papstprophezeiungen, die sogenannte Weissagung des Malachias. Die Prophezeiung tauchte zuerst in einem Buch im Jahr 1595 auf und wurde dem irischen Bischof Malachias zugeschrieben. Der lebte im 12. Jahrhundert, und aus dieser Zeit stammt auch der erste in der Liste charakterisierte Papst, es ist aufgrund der Angaben eindeutig zuzuordnen, Cölestin II. (1143–1144). Insgesamt 112 Päpste werden in der Weissagung mit Aussagen und Sinnsprüchen charakterisiert, mit Benedikt XVI. war die Liste beim 111. und damit vorletzten Papst angelegt. „Gloria Olivae“ (Ruhm des Ölbaums, wobei Ölbaum in der christlichen Geschichte für Frieden steht) lautete der Sinnspruch für sein Pontifikat, selbst die größten Prophezeiungsgläubigen konnten das nur mit vielen Verrenkungen als passend deuten. Der neue Papst Jorge Mario Bergoglio ist der Liste zufolge der letzte. Von Malachias stammt diese Weissagung jedenfalls sicher nicht, das gilt als ebenso sicher wie dass die Voraussagen für die Päpste bis ins 16. Jh. eine Fälschung, also nachträglich entstanden sind. Zu genau beziehen sie sich auf Details wie Papstwappen, Namen oder Herkunft, während die späteren Prophezeiungen vage bleiben. Der Text entstand offenbar im 16. Jahrhundert und wurde zurückdatiert. Nur: von wem?
Eine erst jüngst wieder vom „Spiegel“ als Lösung präsentierte Theorie besagt, dass ein Kardinals-Sekretär die Prophetie schrieb, um seinem Vorgesetzten Kardinal Simoncelli auf den Papstthron zu verhelfen. Er habe für den Papst, der noch gewählt werden sollte, den Spruch „Ex antiquitate urbis - Aus der alten Stadt erfunden. Kardinal Simoncelli kam aus Orvieto, was von „urbs vetus“, „alte Stadt“, kommt. Allerdings wurde längst drauf hingewiesen, dass „urbs“, wenn es groß geschrieben wurde, immer Rom meinte. Abgesehen davon wollte Simoncelli gar nicht Papst werden.
Jede Voraussage Neris richtig
Also jemand anderer. Vielleicht, so besagt eine Theorie, war es der heilige Philipp Neri. Einiges spricht dafür: Von Neri wird überliefert, dass er fast jedes Mal nach dem Tod eines Papstes den nächsten richtig voraussagte. Neri verfasste etliche Schriften, veröffentlichte sie aber nicht. Sein Todesjahr 1595 fällt mit dem Jahr der Veröffentlichung zusammen, auch das würde passen.
Aber wie treffsicher sind die Voraussagen für die Päpste seit dem 16. Jahrhundert, also seit der Entstehungszeit des Textes? So treffsicher wie es nur natürlich ist, wenn Weissagungen so vieldeutig und vage formuliert sind wie hier. Nur einige Sprüche passen erstaunlich gut, zum Beispiel De balneis Etruriae , „Von den Bädern Etruriens“ für Gregor XVI., dessen Orden seinen Mittelpunkt im etrurischen Badeort Camaldoli hatte; oder „Peregrinus apostolicus“ für das Pontifikat von Pius VI., der als erster Papst ausgedehnte Auslandsreisen unternahm. Dennoch gibt es viele, die die Weissagung des Malachias ernst nehmen, so auch den letzten Spruch über den jetzigen Papst. Aber womöglich rührt der Glaube, dass hier die Apokalypse vorausgesagt wird, schlicht von einem Lesefehler? Das behauptet die neueste Deutung. Ein Punkt und ein Absatz im Original seien übersehen worden, heißt es da, und die richtige Übersetzung heiße: „Während der letzten“ (oder auch nur „sehr großen“) Verfolgung der heiligen römischen Kirche wird er regieren.“ Alles, was danach komme, also die Zerstörung der „Siebenhügelstadt“ und die Ankunft des „furchtbaren Richters“, sei im Original durch einen Punkt und einen Absatz abgetrennt und stamme offenbar, wie viele der Angaben über die historischen Päpste, von dem Kommentator Alphons Ciaconius. Somit bliebe vom Spruch für den letzten Papst in der Liste (die ja irgendwo enden muss, also nicht unbedingt mit dem wirklich letzten Papst) womöglich nur übrig, dass die Kirche „sehr verfolgt“ werde. Aber selbst wenn das eintreffen sollte, irrt die Weissagung des Malachias: Weder kommt der neue Papst aus Rom noch nennt er sich Petrus.
Verschwörung im Vatikan
Am merkwürdigsten unter den derzeit diskutierten Papst-Prophezeiungen ist vielleicht eine relativ unbekannte: Seit 2010 veröffentlichte eine irische „Seherin“ im Internet ihre „Visionen“, von denen sich einige auch auf Papst Benedikt XVI. und seinen Nachfolger bezogen. Ausgerechnet am 11. Februar 2012, also auf den Tag genau ein Jahr vor dem Papst-Rücktritt, konnte man (nachweislich nicht später veröffentlicht) lesen: „Mein armer Heiliger Stellvertreter, Papst Benedikt XVI., wird vom Heiligen Stuhl in Rom vertrieben werden... Im letzten Jahr, meine Tochter, sprach ich zu dir von der Verschwörung innerhalb der Korridore des Vatikans.
Zufall? Prophetie? Oder einfach eine sich selbst erfüllende Prophezeiung? Papst Benedikt XVI. könnte die Prophezeiung gekannt und seinen Rücktrittstermin absichtlich gewählt haben. Wenn ja, bleibt die Frage, was er damit sagen wollte – und eine neue, seit gestern Abend: Was um Himmels willen hat das Datum 13.3.2013 zu bedeuten?
("Die Presse" Printausgabe vom 14.3.2013)