Interview. Der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner über die größten Herausforderungen für den neuen Pontifex: Es wäre an der Zeit für mehr Macht für die regionalen Bischofskonferenzen – und ein Hinterfragen des Zölibats.
Die Presse: Was werden denn die größten Herausforderungen für den neuen Papst Franziskus I. sein?
Paul Zulehner: Die katholische Kirche braucht jetzt endlich eine tiefgreifende Strukturreform im Sinne eines weltweiten Föderalismus. Auf dem bisherigen zentralistischen Weg kann es nicht weitergehen. Konkret bräuchte es einen Umbau und Reduktion der Macht der Kurie parallel zu einer Aufwertung der regionalen Bischofskonferenzen beziehungsweise der Bischofssynode (der Vertretung der Bischöfe, die unregelmäßig zusammentritt, um die Beziehungen zwischen heiligem Stuhl und Regionalkirchen zu intensivieren, Anm.) Dem Papst sollte etwa ein permanenter Rat zur Seite gestellt werden, der sich aus Vertretern der kontinentalen Bischofskonferenzen zusammensetzt.
Würde es gegen eine solche Reform nicht Widerstand geben? Die Regionalkirchen sind daran gewöhnt, dass die Macht zentral in Rom liegt.
Widerstand wäre in dieser Frage nicht zu erwarten – immerhin steht jede Region vor ihren eigenen Herausforderungen. So müssen sich die Asiaten überlegen, wie sie in Zukunft mit der alten chinesischen Kultur umgehen wollen, mit Konfuzianismus, Buddhismus und Hinduismus. Für die Afrikaner geht es um das Verhältnis der katholischen Kirche zu den Muslimen, in Südamerika dreht es sich wieder um die Beziehungen zu den Pfingstkirchen – und überall um die Frage der sozialen Gerechtigkeit.
Sie haben Strukturreformen angesprochen. Aber kommen auf den neuen Pontifex nicht auch große inhaltliche Herausforderungen zu, etwa was die Position der Kirche zu umstrittenen Themen angeht?
Seit Johannes Paul II. lautet das große Thema der Kirche, wie man die Botschaft des Evangeliums in modernen, säkularen Gesellschaften auf moderne Weise vermittelt, etwa wie man – das ist die europäische Frage – den Dialog mit Agnostikern und anderen Glaubensrichtungen gestaltet. Das sind alles Fragen, die von den Bischofskonferenzen noch am besten gemeistert werden können – je nach den regionalen Gegebenheiten. Und dann gibt es noch die durchgängigen Fragestellungen wie die nach dem Umgang mit Frauen oder wie man gewährleisten kann, dass auch in Zukunft alle gläubigen Gemeinden die Eucharistie feiern können.
Sie meinen das Problem des Priestermangels in Europa . . .
Das ist kein rein europäisches Problem – das gibt es beispielsweise auch in Lateinamerika oder auch auf Taiwan. Zu dieser Frage gehört auch das Thema, welche Rolle Frauen und verheirateten Männern in Zukunft zukommen wird. Die Kirche kann nicht auf Dauer die Feier der Eucharistie in gläubigen Gemeinden dem durchaus wertvollen ehelosen Lebensstil der Priester opfern.
("Die Presse" Printausgabe vom 14.3.2013)