Urbi et orbi: Von Rom aus die Welt verändern

Urbi orbi Welt veraendern
Urbi orbi Welt veraendern. EPA/GUIDO MONTANI
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Kardinale Fragen. Der Umbau der Kurie, die Aufwertung von Ortskirchen, eine Reform der Liturgie – viel ist zu tun.

Der neue Papst ist erwählt. Was kann dieser Mann bewirken, der mit seinem katholischen Amt die Einheit der Kirche anstrebt? Was für Aufgaben erwarten diesen Franziskus? Welche Dringlichkeit haben sie für diesen literarischen Jesuiten, der in Argentinien als Anwalt der Armen gilt?

Diese Nachfolge bietet Chancen, gerade auch, weil Benedikt XVI. durch den Amtsverzicht signalisiert hat, wie mächtig ein Papst sein kann. Er kann sogar zurücktreten, er könnte sogar sein Primat und das erst nach mehr als 1800 Jahren christlicher Geschichte formulierte, aus dem damaligen Zeitgeist zu erklärende, weltfremde Dogma der Unfehlbarkeit so interpretieren, dass die Gemeinschaft der Bischöfe aufgewertet wird, dass eine neue Kollegialität entsteht, mehr Subsidiarität. Das wären Korrekturen, die weitere Reformen bewirken. Ein halbes Jahrhundert nach dem Zweiten Vatikanum sind sie nötig für eine Kirche in der Defensive. Was ist zu erwarten? Was ist zu hoffen?

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Kurie. Durch viele Skandale, wie zuletzt „Vatileaks“, ist diese „Regierung“ des Bischofs von Rom ins Gerede gekommen, aber das ist nicht ihr einziges Problem. Das wesentliche: Sie bildet in ihren Strukturen nicht mehr die Weltkirche von heute ab, sondern wirkt wie die Erinnerung an eine Monarchie. Vor allem angelsächsische und deutsche Theologen plädierten für eine Neuordnung der Kurie, die von Italienern dominiert wird. Warum herrschen sie eigentlich vor? Weil sie „bella figura“ machen?  Von der alten Garde kann man das nicht behaupten. Die Staatssekretäre Sodano und Bertone fielen durch Mauern auf, als Aufklärung nötig gewesen wäre. Den letzten Umbau der Kurie hatte, mit mäßigem Erfolg, Paul VI. unternommen, als im Vatikan noch der Geist der Öffnung wehte. Wenn der Papst, der über ihre Zusammensetzung entscheidet, sie auf das Nötige reduziert, kann das vital sein.

Globaler Auftrag. Solch eine Veränderung sollte auch mit einer Dezentralisierung einhergehen. Das Magazin „Economist“ hat den Vatikan wie eine Firma analysiert. Es rät dem Weltkonzern die Stärkung von Stützpunkten dort, wo die Katholiken Wachstum erleben und findet dafür ein starkes Symbol, das den globalen Anspruch stärken würde: „Zumindest könnte die Kirche die Sommerresidenz des Papstes nach Lateinamerika verlegen.“ (Bisher reist der Bischof von Rom für die Sommerfrische nur 20 Kilometer hinaus ins Grüne, nach Castel Gandolfo, vielleicht reist Papst Franz in den Sommern bis Rio.) Noch besser wäre es aber, wenn er ganze Abteilungen ins Ausland verlegte. Warum nicht für Themen wie Mission, Soziales, Entwicklung zentrale Stellen in Afrika, Asien schaffen? Zum Ausgleich könnte man sich von Überflüssigem trennen, von Grauzonen. Braucht der Vatikan wirklich eine Bank?

Ökumene. Nötiger als die Existenz der Vatikan-Bank wären Impulse für die Ökumene. Dazu ließ der evangelische Bischof Michael Bünker aufhorchen: Eine Einheit der Christen unter römischer Führung ist für ihn zwar nicht denkbar, aber der künftige Papst könnte fallweise Sprecher aller Christen sein. Bünker erwartet sich, dass der Papst die Dialogbereitschaft gegenüber anderen Kirchen fortsetzt. Unter Benedikt XVI. war vor allem die Beziehung zu Protestanten heikel. Das größte Hindernis für Ökumene bleibt eben Roms exklusives Amtsverständnis. Und man sollte beim Ringen ums Miteinander der Religionen auch erwähnen dürfen, dass christliche Kirchen in vielen Ländern verfolgt werden, dass auf dieser globalen Ebene von Ökumene nicht überall die Rede sein kann.

Liturgie. Weniger spektakulär ist die Liturgie, sie aber sollte ebenfalls Priorität haben. Immer weniger Menschen in Europa besuchen die Messe. Hängt das auch damit zusammen, dass ihnen die Liturgie zu hoch ist, die Musik zu fremd? Die letzten größeren Reformen gab es dazu ebenfalls im Zweiten Vatikanum. Eine Balance ist schwer zu finden zwischen starrer Form mit mächtigen Zeichen und Anpassungen, die zwar mehr Verständnis bringen, aber auch Verflachung bewirken können. In der Eucharistie geht es um Heiliges, somit ist auch die Liturgie eine zentrale Frage für die katholische Kirche.

Causa finita. Andere Themen, die medial dominieren, sind nicht so zentral, wie sie präsentiert werden. Debatten zur Sexualmoral wirken wohl deshalb so aufgeheizt, weil die Kluft zwischen Anspruch und Praxis so groß ist. Besser wäre es wohl, Rom steckte seine Energie in die konsequente Aufklärung der vielen Fälle von Missbrauch. Sollen Geschiedene wieder heiraten dürfen? Das hat die Kirche viele Jahrhunderte nicht gekümmert, ist keine zentrale Glaubensfrage. Soll man den Zölibat aufheben? Warum nicht? Tausend Jahre hat man der Ehelosigkeit der Priester wenig Bedeutung zugemessen. Heikler scheint die Frage, ob Frauen das Priesteramt ausüben können. Das ist ein dogmatisches Problem. Aber wenn der Papst es nur will, gilt auch hier: „Roma locuta . . .“

("Die Presse" Printausgabe vom 14.3.2013)

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