Pille & Co. – für »Kultur des offenen Wortes«

Es war die erste Personalentscheidung von Papst Franziskus, die Österreich betrifft: Benno Elbs wird Bischof von Vorarlberg. Im Interview spricht er sich für eine Öffnung zur Welt aus.

Sie waren nach dem Ausscheiden Bischof Elmar Fischers lange eineinhalb Jahre Administrator der Diözese Feldkirch. Haben Sie überhaupt noch damit gerechnet, zum Bischof ernannt zu werden?

Benno Elbs: Die Zeit der Sedisvakanz war für mich bestimmt durch die Aufgaben, die ich als Diözesanadministrator übernommen habe. Ich habe versucht, für die Priester, für die Menschen, die die Diözese ausmachen, ein guter Vermittler und natürlich auch Verwalter zu sein. Brücken bauen, Kontakte suchen und pflegen, die Menschen hören und sie in ihren Sorgen und Anliegen ernst nehmen. Glauben Sie mir, es waren nicht die Spekulationen um die Bischofsnachfolge, die in dieser Zeit mein Denken und Handeln dominiert haben.

Sehen Sie in der Personalentscheidung schon die Handschrift des neuen Papstes?

Diese Frage zu beantworten, fällt mir schwer. Wichtig ist für mich das Vertrauen, das der Papst mir durch die neue Aufgabe geschenkt hat.

Ist nicht Ihre Bestellung mit der mysteriös langen Dauer des Verfahrens ein Beweis für die Notwendigkeit, Bischofsbestellungen neu zu regeln? Was spricht eigentlich gegen die Abhaltung von einer Art Diözesankonklave bei der Bischofsbestellung?

Als Diözesanadministrator wurde ich ja gerade vom diözesanen Konsultorenkollegium gewählt und habe die Diözese geleitet und verwaltet. Zum anderen ist zu sagen, dass Bischofsbestellungen ganz unterschiedlich geregelt sind. Prinzipiell möchte ich aber gerade in diesem Zusammenhang den Gedanken des Papstes, der sich als Bischof von Rom versteht, betonen. Als solcher hat er den „Vorsitz der Liebe“ und trägt mit den Bischöfen der Ortskirchen die Verantwortung gemeinsam. Diesem Gedanken folgend, ist eine Bischofsernennung durch den Papst für mich eine Einladung, gemeinsam Kirche zu gestalten.

Im Vorfeld der Wahl des neuen Papstes haben mehrere Kardinäle auf eine Aufwertung der Ortskirchen gedrängt. Was erwarten Sie diesbezüglich von Franziskus?

Ich möchte hier direkt an den Gedanken der weltweiten Gemeinschaft anschließen. Versteht sich ein Papst nicht nur als Oberhirte, sondern auch als Bischof von Rom und sieht sich damit in der Gemeinschaft der Bischöfe, dann sind die Ortskirchen in diesem Kreis gleichberechtigt nebeneinander vertreten.

Der Papst erweckt ganz offensichtlich verschiedenste Erwartungen, was Reformen betrifft. Trifft das auch auf Sie zu?

Unsere Welt verändert sich schnell. Wir haben in den vergangenen Monaten auch miterleben dürfen, wie schnell sich die Kirche verändern kann. Wir haben berührend miterlebt, wie Papst Benedikt XVI. sein Amt niederlegt, wir haben gesehen, wie die Kardinäle den ersten Nichteuropäer zum Papst gewählt haben, wir sehen, wie Papst Franziskus die Nachfolge Petri auf seine ganz eigene Art ausfüllt und sind immer wieder überrascht. Ich glaube, das hat viel mit Pfingsten zu tun und zeigt, dass die Kirche heute lebendig ist und entschieden neue Wege mit den Menschen sucht.

Was stellt sich für Sie als vordringlichste Aufgabe des neuen Papstes dar?

Es geht mir nahe zu sehen, wie unser Papst aus Buenos Aires auf ganz einfache und unaufgeregte Art und Weise uns allen aufzeigt, wo der Platz der Kirche ist. Die Kirche soll überall dort sein, wo Menschen Hilfe brauchen, wo sie schwach sind, wo scheinbar kein Mensch mehr für sie da ist. Das ist das, was für mich auch im Bild vom barmherzigen Samariter gefasst ist. Gehen wir an die Ränder, sehen wir den anderen Menschen und packen wir zu, wenn er in Not ist.

Sie sind ja, was in der Vergangenheit nicht unbedingt auf jeden neuen Bischof zugetroffen hat, erfahrener Seelsorger. Für wie gefährlich halten Sie das Auseinanderklaffen von katholischer Lehre und dem, was große Mehrheiten der Katholiken in der Praxis leben. Nur zwei Stichworte: Pille, vorehelicher Geschlechtsverkehr.

Mit jungen Menschen spreche ich gern und am liebsten unverkrampft über das Leben, die Freude, die Liebe, das Vertrauen, die Treue, das Scheitern, den Neubeginn.

Sie sind ja auch ausgebildeter Psychotherapeut. Was würden Sie der katholischen Kirche im Umgang mit diesen Themen empfehlen?

Ich möchte diese Frage ganz im Allgemeinen beantworten. Während des Vorkonklaves hat der jetzige Papst Franziskus bereits den Ausdruck der „kühnen Redefreiheit“ geprägt. Auch in ethischen Fragen braucht es diese Kultur des offenen Wortes. Vorbild dafür ist das Verhalten Jesu. Ziel ist, dass das Leben der Menschen gelingt.


Hat die katholische Kirche nicht generell ein Problem, sich verständlich zu machen?

Die Sprache der Kirche ist eine, die sie durch ihre Tradition und Geschichte hindurch begleitet hat. Dass sich darin Elemente finden, die heute vielleicht eigenwillig anachronistisch anmuten, mag gleichzeitig irritieren wie auch stabilisieren. Aber Sie haben natürlich recht, dass es an uns ist, die Menschen wirklich zu verstehen, ihnen Anknüpfungspunkte verständlich und begreifbar zu machen und ihnen in ihren heutigen Lebenswelten auf Augenhöhe zu begegnen.

Papst Franziskus hat mit einer Predigt am Geburtstag seines Vorgängers für Aufsehen gesorgt, als er zu geringen Elan bei der Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils bemängelt hat. Teilen Sie diesen Befund?

Das Zweite Vatikanische Konzil ist bis heute Auftrag an uns, an dem beständig weitergearbeitet werden muss. Der Blick auf das, was sich seit der Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils bereits verändert hat – ich denke da an die Liturgiereformen, an die Rolle der Laien, an die Bedeutung und den Stellenwert der Ökumene – gibt mir persönlich genügend Kraft, auch weiterhin an der Umsetzung des Konzils mitzuarbeiten. Die Fenster, die Johannes XIII. aufgerissen hat, stehen nicht nur für die Erwartungen an den Geist Gottes, der in die Kirche einzieht. Sie stehen auch für unsere Offenheit zur Welt hin. Da sehe ich noch viel Arbeit vor uns.

In Österreich werden Pfarren aufgelöst und zu größeren verschmolzen. Wie soll dem Priestermangel begegnet werden?

In Zukunft wird es vielerorts so sein, dass ein Priester mit der Leitung mehrerer benachbarter Pfarrgemeinden betraut wird. Hier ist es wichtig, Wege der Zusammenarbeit zu finden, damit der Priester ein geistlicher Mensch bleiben kann. Die Zukunft der Kirche sehe ich darin, dass die Getauften sich mit allen Kräften, Fähigkeiten und Talenten einbringen und im Rahmen des Möglichen Verantwortung übernehmen.

Halten Sie es für wahrscheinlich, dass der Zölibat gelockert wird?

Diese Frage kann Ihnen nur Papst Franziskus selbst beantworten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2013)

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