Zeugen Jehovas werben bei Türken

Archivbild: Kongress der Zeugen Jehovas 2009 im Wiener Ernst-Happel-Stadion
Archivbild: Kongress der Zeugen Jehovas 2009 im Wiener Ernst-Happel-Stadion APA/GEORG HOCHMUTH
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Rund 40 Zeugen Jehovas sprechen in Wien gezielt türkischsprachige Menschen an. In Social-Media-Foren wird vor ihnen gewarnt.

In Social-Media-Foren wird eindringlich vor ihnen gewarnt. Man solle nicht mit ihnen sprechen, so der Tenor, denn die freundlich erscheinenden Menschen seien in Wahrheit Zeugen Jehovas. „Wir haben schon unsere Religion", bekommen dann auch Wilfried Hanner und Yasemin Figo oft zu hören. Hanner und Figo sind zwei von rund 40 Zeugen Jehovas, die in Wien gezielt türkischsprachige Personen ansprechen.

Die Zeugen Jehovas sind grundsätzlich - auch in Wien - in vielen Sprachen unterwegs; die multilinguale Ausrichtung zeigt allein die religiöse Zeitschrift „Wachturm", die in über 200 Sprachen erscheint. Und der Bezirkskongress der Zeugen Jehovas, der an diesem Wochenende im Wiener Ernst-Happel-Stadion stattfindet - 10.000 Personen werden erwartet -, wird auch auf Englisch, Serbisch und Kroatisch abgehalten. Die Sprache stellt für Hanner und Figo also keine Hürde dar - beide sprechen Türkisch -, sondern der Zugang zur Community selbst. Ihre Gesprächspartner sind meist Muslime; die Hemmschwelle, über die Bibel zu reden, sei oft hoch, erzählen sie im Königreichssaal, dem Ort ihrer religiösen Zusammenkünfte, im zehnten Wiener Gemeindebezirk. Hinzu komme die „Menschenfurcht", wie Figo sagt: Der religiöse Halt sei innerhalb der türkisch-muslimischen Gemeinschaft ausgeprägter. Zeige jemand Interesse am Studium der Bibel, werde das als Untreue gegenüber der Familie bewertet. Viele hätten deswegen auch den Kontakt zu den Zeugen Jehovas abgebrochen.

Parallelen zwischen Koran und Bibel

Um türkischsprachige Personen ansprechen zu können, haben der Pädagoge Hanner und seine Frau Türkisch gelernt. Die Sprache sei bei ihnen mittlerweile Lingua franca, mit den Kindern würden sie ausschließlich Türkisch sprechen. Figo ist vor zwölf Jahren aus der türkischen Provinz Hatay nach Wien gezogen. Auch dort gebe es eine kleine Gemeinde der Zeugen Jehovas, der zunächst ihre Mutter und schließlich die ganze Familie beigetreten sei.

„Türken reden sehr gern über Religion", sagt Figo. In Wien werde sie für Gespräche oft in die Wohnung gebeten, auch wenn ganz offensichtlich kein Interesse an ihrer Religion gezeigt werde. Man spreche über aktuelle politische Ereignisse, aber auch über persönliche Umstände und Probleme. „Meistens", sagt Figo „fangen wir mit einem Text aus der Bibel an." Oft würden Parallelen zwischen dem Koran und der Bibel zur Sprache kommen. Sie selbst habe die heilige Schrift des Islam einmal gelesen, die Grundlage für ihre Arbeit bleibe aber freilich die Bibel. Dass in Social-Media-Foren derzeit vor ihnen gewarnt wird, ist für Figo und Hanner ein Zeichen, dass sie doch viele Menschen erreichen.

Klingeln bei türkischen Namen

In Österreich leben laut Angaben der religiösen Gemeinschaft rund 23.000 Zeugen Jehovas, die in 300 „Versammlungen" organisiert sind. Vor drei Jahren wurden die Zeugen Jehovas als Religionsgemeinschaft offiziell anerkannt. Auch wenn sie innerhalb der türkischen Gemeinschaft Bekanntheit erlangt hätten - vor 20 Jahren habe kaum jemand etwas über sie gewusst -, würden sie oft nicht von anderen christlichen Gruppen unterschieden, sagt Hanner. Die Meinung, dass die Bibel eigentlich eine verfälschte Schrift sei, sei innerhalb der muslimischen Gemeinschaft ebenfalls gängig. Erst bei ihren Gesprächen würden sie erkennen, „dass vieles von dem, was sie glauben, eigentlich hier seine Grundlage findet".

Wie viele Personen Hanner, Figo und ihre Gemeinschaft erreichen - und wie viele von ihnen genuines Interesse am Bibelstudium zeigen -, könne man nicht genau sagen. Viele seien nur zeitweise bei ihnen, andere würden wegziehen oder aufgrund ihrer Familien das Studium beenden. Ihr Ziel bleibe, sagt Figo, jeden zu erreichen, den sie erreichen können. Auf der Straße sprechen sie jene an, die Türkisch sprechen, bei den Wohnungen klingeln sie an jenen Türen mit Schildern, die türkische Bewohner vermuten lassen. Ihr Ziel sei es auch, zu vermitteln, dass die Bibel kein verstaubtes, sondern ein hochaktuelles Buch für das tägliche Leben sei.

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