Franziskus und seine Revolution von oben

Franziskus
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Der Papst hat ein hohes Tempo bei Neuerungen eingeschlagen. Die Kurie verfällt teilweise in Schockstarre.

Wien/Vatikanstadt. Kaum ein Tag vergeht ohne Aussagen in Interviews („Höflinge“ an der Kurie, der Hofstaat als „Lepra“), Predigten oder in Ansprachen, die für Schlagzeilen und in der Öffentlichkeit für Begeisterung sorgen, kaum ein Tag ohne Verfügungen von oben, die in den Büros der vatikanischen Kurie für – gelinde gesagt – Irritation sorgen. Gestern, Mittwoch, war es wieder einmal so weit – diesmal für einen Dreifachschlag von Franziskus.

Zuerst wurde gestern publik, dass er bei Missbrauch eine Beschleunigung der Verfahren anordnet. Dabei soll eine Maßnahme seines Vorgängers Benedikt XVI. zurückgenommen werden. Dieser hat mit dem Argument, Vertuschungen hintanstellen zu wollen, Verfahren aus allen Ortskirchen bei der Glaubenskongregation konzentriert. Die Folge: Die römische Behörde wurde mit Akten überschwemmt und geriet, wie die Katholische Presseagentur schreibt, an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit...

Dann betonte Franziskus bei seinem wöchentlichen Mittwoch-Auftritt vor Zehntausenden auf dem Petersplatz, offiziell Generalaudienz genannt, dass alle in der katholischen Kirche Sünder seien – auch Kardinäle und Bischöfe. Die Kirche selbst sei heilig, dürfe sich aber nicht als Gemeinschaft der „Reinen“ gerieren und dürfe keine Sünder ausstoßen.

Kein erbarmungsloser Richter

Der Gott, dem man in der Kirche begegne, sei „kein erbarmungsloser Richter“, sondern wie der Vater aus der Bibel, der seinen verlorenen Sohn in die Arme nehme.

Und danach widmete sich Franziskus Mittwochnachmittag wieder den Beratungen seines neuen Gremiums von acht Kardinälen aus allen Kontinenten, darunter der Münchner Erzbischof Reinhard Marx, das (Kurien-)Reformen vorbereiten sollen.

Das erste Treffen, das von der Privatbibliothek des Apostolischen Palastes mittlerweile in das nüchterne Gästehaus Santa Marta verlegt wurde, soll heute, Donnerstag, beendet werden.

Dabei zeichnet sich eine Reform ab, die in den vergangenen Jahren von immer mehr Amtsträgern und Laien in der katholischen Kirche gefordert worden ist, nicht zuletzt von den Betroffenen selbst: den Bischofssynoden. Das Gremium wurde vom Zweiten Vatikanischen Konzil „erfunden“ und sollte den Papst bei der Leitung der Kirche beraten.

Reform für Bischofstreffen

Die Konferenzen erstarrten jedoch zusehends, zuletzt wurden von den zu verschiedenen Themen nach Rom gerufenen Bischöfen aus aller Herren Länder Statements abgelesen, Diskussionen fanden zumindest im Plenum nicht statt. Auch ein maßgeblicher Einfluss auf (wichtige) Entscheidungen des Papstes sind nicht überliefert.

Laut Katholischer Presseagentur hieß es am Mittwoch rund um eine Pressekonferenz von Pater Federico Lombardi, die Kardinäle hätten mit dem Papst über die Kompetenz der Synode gesprochen, die bisher ein beratendes Organ ohne Entscheidungsbefugnis ist. Zudem habe man über Möglichkeiten einer effizienteren Arbeit und eines direkteren Austauschs anstelle der bisher aneinandergereihten Monologe beraten.

Die Vorarbeiten für die nächste Synode haben intern bereits begonnen – obwohl sie erst 2015 stattfindet. Thema: Familienseelsorge. Ob dieser entscheidungsfreudige Papst mit einer Zulassung von Geschiedenen, die staatlich wieder geheiratet haben, zu den Sakramenten aber auf 2015 wartet, wird von manchen bezweifelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2013)

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