Kardinal Christoph Schönborn lobt Diskussionskultur und Authentizität des seit einem Jahr amtierenden Papstes.
Positiv blickt Kardinal Christoph Schönborn auf das erste Jahr von Papst Franziskus zurück. Franziskus habe gleichsam einen „Schock der Authentizität" hervorgerufen. Es sei bemerkenswert, was „normale Verhaltensweisen", die den Stil des Papstes prägen, bewirken.
Der Wiener Erzbischof, beim Konklave vor einem Jahr selbst an der Papstwahl beteiligt, begrüßt unter anderem die neue Diskussionskultur in der Kirche. Die weltweite Umfrage in den Diözesen zu Ehe und Familie etwa erlaube eine Debatte, die „kontroverser und freier" sei, als in der Vergangenheit.
Franziskus lebe einen klar veränderten Stil vor, so Schönborn bei einem Pressegespräch. Nicht zuletzt die Wohnsituation - Franziskus residiert weiterhin im Gästehaus des Vatikan - erlaube „den direkten Kontakt" zu Mitarbeitern und Gästen. Dieser sei in vergangenen Tagen oft schon durch das Zeremoniell behindert gewesen.
Tadel für Pfarrer-Initiative
Auch die Schritte hin zu einer Kurienreform, die Franziskus vorantreibe, würdigte Schönborn. Franziskus lasse sich ausgiebig beraten, höre viel zu und entscheide schließlich klar und mutig. Die Reformen seien jedenfalls auf einem guten Weg.
Unter den österreichischen Bischöfen sei das positive Klima übrigens schon länger zu konstatieren. Weniger Freude hat Schönborn weiterhin mit der Pfarrer-Initiative. „Ungehorsam" sei für ihn nach wie vor der falsche Zugang. Dennoch werde er Gespräche mit der Initiative weiterhin nicht ablehnen.
Initiative: Bischöfe nutzen Freiräume nicht
Die Initiative um Sprecher Helmut Schüller zog unterdessen eine gemischte Bilanz: Sie lobte Franziskus als Reformpapst, der Türen öffne und deutliche Zeichen für einen Reformaufbruch setze. Die Bischöfe würden diese Freiräume aber nicht nutzen, kritisierte der Schüller. Besonders gefährdet sieht er deshalb die Zukunft der Pfarrgemeinden.
Peter Paul Kaspar, Rektor der Ursulinenkirche Linz, freute sich über einen "völlig anderen Papst als Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte davor". Man befinde sich "möglicherweise am Beginn einer neuen Kirchenära", sagte er bei einer Pressekonferenz am Dienstag. "Wir haben einen sehr anregenden Papst, der die Monarchie in der Kirche offensichtlich beenden will." Franziskus sehe sich "nicht als Diktatur", sondern als Bruder, der die Kirche ermutige, sich selbst zu reformieren, so Kaspar. "Er möchte eine dienende Kirche der Armen und er lebt das vor."
"Wir sehen einen Papst, der offensichtlich Freiräume öffnen will, aber keine Bischöfe, die da hineinstoßen wollen", kritisierte Schüller. Die Pfarrer-Initiative wehrt sich gegen die Zusammenlegung von Pfarrgemeinden. Statt diese zu "anonymen Großclustern" zusammenzuschließen, müsse die Kirche das Priesteramt für verheiratete Männer und für Frauen öffnen und "den sogenannten Laien" mehr Verantwortung zutrauen, forderte Schüller. Die "Einfallslosigkeit" der Bischöfe passe nicht zu einem Papst, der "fast nichts so stark predigt wie die Nähe zu den Menschen".
An ihrem Appell zum Ungehorsam hält die Pfarrerinitiative nach wie vor fest, dieser gelte "einem System, das sich nicht geändert hat".
(APA/Red.)