Ein Fest für die ersten 900 Jahre

Stift Klosterneuburg
Stift KlosterneuburgManfred Seeh
  • Drucken

Das Stift Klosterneuburg feiert seine Grundsteinlegung anno 1114. Der Hausobere, Propst Bernhard Backovsky, verrät seinen »Wunschtraum« für die Zukunft der Augustiner-Chorherren.

Die zeitlich-historische Dimension ist beeindruckend: 1114 gründete der Babenberger Markgraf Leopold III. das Stift Neuburg. Am 12. Juni desselben Jahres legte er den Grundstein für die Stiftskirche. Anfänglich war das Stift noch kein Kloster. Das änderte sich rasch. Im Jahr 1133 rief Leopold Augustiner-Chorherren herbei.

1136 wurde die Stiftskirche geweiht. Sie war damals die größte Kirche des Landes. Zum Vergleich: Der Stephansdom bzw. die erste Kirche des sich groß entwickelnden Bauwerks wurde später, 1147, geweiht. Bis heute verwalten Augustiner-Chorherren – aktuell sind es 47 Ordensbrüder – die Stiftung des Markgrafen. Dieser wurde 1485 heiliggesprochen.

1114 war also das Jahr, in dem alles begann. Heuer, genau 900 Jahre später, wird gefeiert. Nicht nur das Stift, auch das gleichaltrige Weingut begeht das Festjahr, etwa mit dem Jubiläumswein „900 Jahre“, einer Cuvée aus St.Laurent, Zweigelt und Merlot (Jahrgang 2011). Das Gut nennt Lagen in Klosterneuburg, Wien, Gumpoldskirchen und Tattendorf sein Eigen. Und es zählt mit 108 Hektar Rebfläche zu den größten Gütern des Landes. Das älteste ist es jedenfalls. Zwar schreibt die Augustinusregel den Ordensbrüdern vor: „Haltet euren Leib in Zucht durch Fasten und Enthaltung von Speise und Trank, soweit es die Gesundheit erlaubt!“ – komplette Kostverächter müssen die Chorherren aber nicht sein. So betrieben sie seit der Stiftsgründung Weinbau.

Mit Veranstaltungen, Festmessen, Ausstellungen, Konzerten und der Präsentation zeitgenössischer Kunst – mit „künstlerischen Interventionen“, wie es heißt – werden nun also Stiftsgründung und Grundsteinlegung der Stiftskirche gefeiert (siehe Infobox). Die Vorbereitungen dauerten Jahre. Umfangreiche Sanierungen an dem die Babenbergerstadt Klosterneuburg überragenden Stift wurden vorgenommen. Das Budget betrug 9,6 Millionen Euro. Das Land Niederösterreich und der Bund zahlten mit. Der „Hausherr“ (Superior maior) des Stifts, Propst Bernhard IV. Backovsky (71), zugleich Abtprimas, also der Oberste aller Chorherren weltweit, meint in diesem Zusammenhang zur „Presse am Sonntag“: „Es passt hier das biblische Wort: ,Es ist nicht gut, wenn der Mensch allein ist.‘ Wenn es ein gutes Team gibt, dann sind auch erdrückende Probleme im Miteinander lösbar.“


Symbiose mit der Stadt.
Apropos Miteinander: Die an der Donau liegende Stadtgemeinde Klosterneuburg ist ohne das – auch ob seiner Kunstschätze international bekannte – Stift kaum vorstellbar. Und umgekehrt: Was wäre das Stift ohne „seine“ Stadt? So symbiotisch diese Beziehung auch ist – manchmal wird sie auf die Probe gestellt. Zuletzt war dies der Fall, als das Stift (wie so oft) in seiner Rolle als Großgrundbesitzer in Erscheinung trat.

Klosterneuburgs Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager (ÖVP) war aufgrund einer Unterschriftensammlung gezwungen, eine Volksbefragung zu den von ihm propagierten Umwidmungen von Grün- in Bauland abzuhalten. Die Bevölkerung sprach sich dabei klar gegen solche Umwidmungen und damit gegen die Pläne der Mehrheitsfraktion aus. Das betraf auch Gründe des Stifts – die dann eben nicht, wie geplant, in Bauland umgewandelt wurden.

„Die Nöte mit den Umwidmungen kamen vonseiten der Stadt“, sagt Backovsky. „Wir Chorherren wollen ja der Bevölkerung nichts zu Fleiß machen.“ Dass die Klosterneuburger nicht noch mehr verbaute Zonen wollen, sei „eine politische Entscheidung“ gewesen. „Die Leute haben das abgelehnt. Das ist eben so und wird respektiert.“

Zurück ins Stift. Derzeit gehören ihm, wie erwähnt, 47 Chorherren an. Einige arbeiten (auch) im Stift selbst, etwa der Stiftsdechant, der Novizenmeister, der Stiftskustos, der Kämmerer und freilich der Propst. 22 arbeiten in Pfarreien. Zwölf sind in der Ausbildung. Zwei sind Novizen. Der Rest ist im Ruhestand, darunter sind auch Pflegefälle. Man muss wissen: Alle Chorherren haben die Priesterweihe. Und das Stift Klosterneuburg besitzt, betreut und erhält 27 Pfarren. 24 davon in Österreich, eine in Bergen, Norwegen, und zwei in Long Island, New York (USA).

Wie verlief nun die Entwicklung der Augustiner-Chorherren des Stifts, wenn man hundert Jahre zurückblickt? Laut Stiftsarchiv gab es 1913 genau 81Chorherren. 1936 waren es 89. Zu Zeiten der Monarchie trug das Stift den Beinamen „böhmisches Stift“. Der Propst: „Es gab ja Zeiten, in denen vom jüngsten Mitglied der Gemeinschaft bis zum Propst alle ,von oben‘ waren, wie man damals sagte.“

„Von oben“ heißt, dass die Brüder dazumal aus Böhmen und Mähren stammten. Mit dem Ende der Monarchie endete der Zuzug aus diesen Ländern und beschränkte sich vorerst hauptsächlich auf Österreich. Heute sind wieder mehrere Nationen, vor allem Nachbarländer Österreichs, vertreten.

Und wie wird die Zukunft aussehen? „In der Wüste zu überleben ist durch den Tau möglich. Ich hoffe, dass sich auch in Zukunft Menschen für diese Art des Miteinanderlebens und die Aufgaben interessieren, die dieses Haus den Mitbrüdern ermöglicht. Das wäre mein Wunschtraum“, erklärt Backovsky. „Aber ich habe selbst Zeiten mitgemacht, in denen durch zehn Jahre hindurch niemand eingetreten ist.“ Der derzeitige Stand der Chorherren ist leicht schwankend. „Es sterben einige, manche Novizen überlegen es sich doch anders.“ Wie viele Chorherren es in einigen Jahrzehnten geben werde, sei reine Spekulation. Backovsky: „Bisher war das Stift ein Fels in der Brandung der Weltgeschichte.“

Lebendige Werbung. Auf die Frage, ob er eigentlich Werbung für den Eintritt in den Orden mache, sagt der Abtprimas: „Jeder Mitbruder, der in der Pfarrseelsorge tätig ist und sich zum Stift zugehörig fühlt, soll die lebendige Werbung sein.“ Und: „Werbung in dem Sinn, dass man eine Annonce in die Zeitung gibt – ,Wer will Chorherr vom Stift Klosterneuburg werden?‘ –, gibt es jetzt nicht mehr, wir haben das aber schon einmal gemacht. Das war nach dem Zweiten Weltkrieg. Da sind dann einige holländische Mitbrüder gekommen, einer ist geblieben.“ Das ist lange her. Ist es das wirklich? Zeit ist wohl eher relativ – bei einer seit 900 Jahren bestehenden Institution.

Feiern

Glaube. Unter dem Motto „Glaube, Begegnung, Friede“finden heuer, im Jubiläumsjahr des Stifts Klosterneuburg, diverse Veranstaltungen statt. Zu den Höhepunkten zählen ein Pontifikalamt mit Propst Backovsky mit Musik von Anton Bruckner am 12. Juni zur Grundsteinlegung des Stifts. Und das große Stiftsfest am 15. Juni ab zwölf Uhr auf dem Stiftsgelände.

Wein. Das Weingut des Stifts, das älteste Weingut Österreichs, feiert heuer ebenfalls seinen 900.Geburtstag. Am 30. August wird ab 14 Uhr im Stift gefeiert. Eingeladen sind die ältesten Weingüter der Welt, etwa der seit 1128 bestehende Staatliche Hofkeller Würzburg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.