Italien: Die Muttergottes und der Boss

Foto IPP Albano Angiletta Sibari CS 21 06 2014 Papa Francesco in visita in Calabria Papa Francesc
Foto IPP Albano Angiletta Sibari CS 21 06 2014 Papa Francesco in visita in Calabria Papa Francesc(c) imago/Italy Photo Press (imago stock&people)
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Bei einer Marienprozession in Kalabrien verneigte man sich vor dem Haus eines Mafiachefs, den der Papst exkommuniziert hatte.

Rom. Gut zwei Wochen ist es her, dass Papst Franziskus in ungewohnt harten Tönen die Angehörigen der Mafia als „exkommunziert“ verdammt hat – nun aber gibt es neuen Ärger. Zum Skandal ist plötzlich die traditionelle Marienprozession in Oppido Mamertina geworden. Das 5400-Einwohner-Städtchen liegt im Stammland der kalabrischen 'Ndrangheta, und all die Jahre zuvor hat niemand bemängelt, dass die massive Madonnenstatue, die auf den Schultern von zwanzig jungen Leuten durch die Straßen getragen wird, immer vor dem Haus eines alten Mafiabosses anhielt. Dabei wurde dem wegen Mordes zu lebenslang verurteilten Giuseppe Mazzagatti mit einer angedeuteten Verneigung die Ehre erwiesen.

Mit den Carabinieri war dieses Jahr eine andere Route vereinbart, nur bogen die Träger doch wieder in die alte Straße ein – und mit ihnen die versammelte Geistlichkeit, Bürgermeister, Gemeinderat, Volk. Die Carabinieri ermitteln nun: Wer hatte den Umweg angeordnet? Wer ist so stark, einen ganzen Ort an seinem Haus vorbeidefilieren zu lassen?

Mit den Medien ist auch die Kirche aufgewacht. „Das war keine Verneigung, das war eine Unterwerfung unter die Mafia“, schimpft der kalabrische Bischof Nunzio Galatino. Der Konflikt geht quer durch die Kirche. Den Ortsbischof von Oppido Mamertina, der „erst aus den Medien von den Vorgängen erfahren“ haben will, attackiert ein kalabrischer Amtsbruder: „Wäre ich der Bischof dort“, sagt Salvatore Nunnari aus Cosenza, „würde ich die Prozessionen für ein paar Jahre verbieten. Genau das wäre der Muttergottes wohlgefällig.“

'Ndrangheta schießt auf Vereinshaus

Versuche, mafiös instrumentalisierte Zeremonien zu verbieten, hat es in Kalabrien bereits gegeben. In Sant'Onofrio sah sich der Bischof im April gezwungen, die Osterprozession zu untersagen: Die 'Ndrangheta hatte versucht, das prestigereiche Tragen der Statuen ihren Mitgliedern zuzuschanzen. 2010, beim ersten Versuch, 'Ndrangheta-Träger durch Mitglieder des örtlichen Sportvereins zu ersetzen, knallten Schüsse auf das Haus des Vereinschefs. (pk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2014)

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