Karlskirche als Moschee

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wien ist seit Jahrhunderten auch von islamischer Architektur geprägt, nur fällt es kaum jemandem wirklich auf.

Moscheen mit Minaretten in Wien? Eine Ortsbildkommission, die das verhindern wollte – wie in Kärnten –, könnte sich in Wien daran die Zähne ausbeißen. Denn das Ortsbild der Bundeshauptstadt enthält bereits zahlreiche Elemente, die von der islamischen Kultur stark geprägt wurden. Dabei geht es gar nicht nur um Bauten wie das Islamische Zentrum am Hubertusdamm – Wiens einzige baulich erkennbare Moschee. Auch klassische Wiener Architektur trägt islamische Züge.

Bekanntestes Beispiel ist die Karlskirche: Mit ihrer Kuppel und den beiden Säulen kann sie bei flüchtigem Hinsehen tatsächlich für eine türkische Moschee gehalten werden. Und das ist gar nicht so unbeabsichtigt, erklärt Claudius Caravias in seinem aktuellen Buch „Die Moschee an der Wien“: Johann Bernhard Fischer von Erlach ließ sich unter anderem von der Süleyman-Moschee in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, inspirieren.

Erst auf den zweiten Blick lässt sich erkennen, dass die beiden Glockentürme der Trajanssäule in Rom nachempfunden sind und die Säulenvorhalle das Pantheon aber auch den Petersdom zitiert. Verstehen lässt sich diese architektonische Mischung vor allem aus dem Wunsch des Auftraggebers Kaiser Karl VI., dass Wien als Residenzstadt des römisch-deutschen Kaisers neben West- und Ost-Rom (Konstantinopel) zum dritten Rom wird – und die Kirche zum Symbol dafür.

Türkenzelte am Belvedere

Caravias, selbst Architekt und Historiker, zeigt in seinem Buch neben der Karlskirche auch weitere architektonische Beispiele, die orientalische Einflüssen haben – manche gut sichtbar, manche erst auf den zweiten Blick erkennbar.

Schon zwei Mal muss man etwa hinschauen, um die muslimischen Spuren im Belvedere zu finden: Das Dach des Lustschlosses ist nach dem Vorbild türkischer Prunkzelte gestaltet. Bei der Türkenbelagerung 1683 waren derartige Zelte genau an der Stelle des späteren Schlossparks gestanden. Kein Wunder also, dass Prinz Eugen von Savoyen, siegreicher Feldherr bei der Entsatzschlacht um Wien, seinen Architekten Lukas von Hildebrandt diese Symbolik wählen ließ.

Auch Theophil Hansen ließ sich 1849 bis 1856 beim Bau des Arsenals stark vom orientalischen Stil beeinflussen. Die Gebäudefront des Heeresgeschichtlichen Museums ist etwa mit filigranen Steinmetzarbeiten und Fensterrosen an den islamischen Formenschatz angelehnt, die zentrale Halle im Obergeschoss erinnert den Besucher an ein maurisch-islamisches Repräsentationsbauwerk.

Von der Zacherlfabrik in Unterdöbling bis zu den Kiosken am Naschmarkt, die an die Basar-Architektur angelehnt sind, reichen die Beispiele in Caravias' Buch. Islamische und orientalische Einflüsse haben in Wien also durchaus Tradition. „Und dann regen sich die Leute wegen irgendwelchen Minaretten auf“, meint der Autor. Sein Buch will er demnach auch als Beitrag zur Kulturverständigung sehen: „Gerade in Zeiten der Islamfeindlichkeit soll es genau in die andere Richtung wirken.“

Claudius Caravias: Die Moschee an der Wien. 300 Jahre islamischer Einfluss in der Wiener Architektur. 21 €, www.lunaverlag.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2008)

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