Ehe, Sex: Kirche korrigiert Kurs

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Im Vatikan stehen alle Zeichen auf Abrücken vom Kommunionsverbot für Geschiedene in einer neuen Ehe und auf Öffnung für Homosexuelle – selbst für gleichgeschlechtliche Partnerschaften.

Vatikanstadt. Der Prozess erscheint unumkehrbar: Die katholische Kirche ist drauf und dran, ihre Moraltheologie, ihre Sichtweise auf und ihr Sprechen über Partnerschaften grundlegend zu erneuern – selbst wenn diese zwischen Homosexuellen bestehen. Dem Wunsch von Papst Franziskus nach Abkehr von der belehrenden hin zur begleitenden Kirche wird offenbar entsprochen. So viel lässt sich nach den fast eineinhalbwöchigen, teilweise kontroversiellen Debatten der Bischofssynode zum Thema Familie sagen.

Eines der zuletzt am härtesten betonierten Moralthemen spielt fast keine Rolle: das Verbot „künstlicher“ Verhütungsmittel. Die Rückmeldungen aus dem Volk haben die Bischöfe zu der Erkenntnis gebracht, dass ihnen die Praxis der Gläubigen unaufhaltsam entglitten ist. Gleichzeitig werden Wege gesucht, wiederverheirateten Geschiedenen den Kommunionsempfang nicht zu verbieten.

Die einen, die Minderheit der 190 im Vatikan versammelten Bischöfe, sehen die Büchse der Pandora geöffnet. Sie befürchten, wie der polnische Episkopatschef Stanislaw Gadecki am Dienstag kundgetan hat, ein Abweichen von der Lehre. Der Präsident der Kirchenjustiz, Kardinal Raymond Leo Burke, spricht gar von „Manipulation“. Und der Chef der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller, klagt, „nicht mehr Teil der Regie” zu sein.

Für die anderen, die Mehrheit der bis Samstag tagenden Außerordentlichen Synode wird die Lehre lediglich vertieft, fortgeschrieben und bewegt, wie sich der Münchner Kardinal Reinhard Marx ausdrückt. Manche Bischöfe fühlen sich an den großen Aufbruch im Zweiten Vatikanischen Konzil erinnert. In Rom erlebt man dieser Tage regelrecht begeisterte Würdenträger. Den großen Applaus, der sich in der Synodenaula erhoben hat, kann keiner leugnen: Dort wurde die Zusammenfassung der ersten Diskussionswoche vorgestellt, und in diesem Spiegel sahen die Bischöfe überrascht, wie weit sie beim „realistischen Blick auf die Familie“ gekommen waren.

Kein „Hacken mit der Axt“

Den Wandel beschrieb Erzbischof Bruno Forte, führender Fachtheologe im Synodenpräsidium: „Die Kirche schaut die Welt mit Sympathie an. Sie will nicht über die Leute richten, sondern sie begleiten und die Komplexität ihrer Lebensumstände ernst nehmen.“ Ein moralisches „Alles oder nichts“, ein „Hacken mit der Axt“, werde der Realität nicht gerecht; man müsse unterscheiden, statt abgeschlossene Lehren zu präsentieren, tendiere die Synode zu einer „offenen Suche“.

Besondere Verblüffung – auch bei Bischöfen aus Afrika – hat die Öffnung gegenüber Homosexuellen hervorgerufen. Sie hätten, so heißt es erstmals in einem katholisch-kirchlichen Text, „Gaben und Qualitäten, die sie der christlichen Gemeinschaft anbieten“ könnten. Natürlich geht es mit dem Satz weiter, dass „homosexuelle Lebensgemeinschaften nicht der Ehe von Mann und Frau gleichgestellt werden“ könnten. Aber diesmal folgt „trotz der moralischen Problematik“ keine Verdammung. Vielmehr nimmt die Synode nicht nur ihre Existenz „zur Kenntnis“, sondern auch die Tatsache, dass es in solchen Verbindungen „zu gegenseitiger Unterstützung bis zur Selbstaufopferung“ kommen könne und dass dies „einen wertvollen Halt für das Leben der Partner“ darstelle.

Auch Ehen ohne Trauschein, laut Katechismus eine einzige Sünde, stellen sich in anderem Lichte dar: „Wenn eine solche Verbindung von tiefer Zuneigung, Verantwortung gegenüber Nachkommen, Widerstandskraft gegen Krisen gekennzeichnet ist, kann sie wie ein Keim gesehen werden, der auf dem Weg zum Ehesakrament zu begleiten ist.“ Eine der Kernfragen, bei der sich der Konflikt zwischen unerbittlich reiner Lehre und der vom Papst propagierten „Barmherzigkeit“ am schärfsten zuspitzt: Müssen wiederverheiratete Geschiedene von Beichte und Kommunion ausgeschlossen bleiben? „Mutige seelsorgerliche Schritte“, so befindet eine Mehrheit der Synode, sonst stünde es nicht so klar im Zwischenbericht, seien „notwendig und dringlich“. Einzelheiten fehlen. Noch.

Weitere Infos:www.diepresse.com/religion

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2014)

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