Glaubensfrage: Gehört das Kruzifix in den Kindergarten?

(c) BilderBox (Erwin Wodicka)
  • Drucken
  • Kommentieren

In Linz streiten SPÖ und ÖVP um religiöse Symbole. Seit den 1970er Jahren hängen in den dortigen Kindergärten keine Kreuze, obwohl sie laut Landesgesetz müssten. In Wien sind diese seit Jahrzehnten verbannt.

Linz/Wien. Sollen in Österreichs Kindergärten Kruzifixe hängen oder nicht? In Linz ist zur Beantwortung dieser Frage nun eine Art Stellvertreterkrieg ausgebrochen. Ein Streit übrigens, der in einem einzigen Bundesland seit Jahrzehnten endgültig beigelegt ist: in Wien. Ebendort ist das Kreuz (wie alle anderen religiösen Symbole) aus den Spielzimmern der öffentlichen Kindergärten verbannt.

Wie in (fast) allen Bundesländern legt auch das oberösterreichische Kindergartengesetz ausdrücklich auf die religiöse Erziehung der Kinder Wert und schreibt das Aufhängen von Kreuzen bei einer christlichen Mehrheit innerhalb der Gruppe vor. Einzig: Die von SPÖ-Bürgermeister Franz Dobusch regierte Landeshauptstadt hält sich seit den 1970er-Jahren nicht daran.

Die ÖVP hat das Thema nun breitenwirksam für sich entdeckt und eröffnete ein Jahr vor den Landtagswahlen im Herbst 2009 den Vorwahlkampf. Der für Kindergärten und Horte zuständige VP-Landesrat Viktor Sigl meinte, dass bei weiterer Nichtbefolgung des Gesetzes neun Millionen Euro an Landesförderung für die Linzer Kindergärten eingefroren werden könnten.

SP-Bürgermeister Franz Dobusch hingegen beruft sich auf die strikte Trennung von Kirche und Staat, wie sie in der Verfassung verankert ist. Wenn es hart auf hart kommt, will Dobusch allerdings von seiner Position abrücken: „Wir sind ja schließlich keine Fundis.“

Andererseits: Dobusch lässt derzeit die Klagslegitimation in dem Fall prüfen. Sollte die Causa vor Gericht landen, würde sich in zweiter Instanz der Verfassungsgerichtshof damit befassen müssen, der dann ein letztgültiges Urteil fällt.

Verfassungsexperte Theo Öhlinger hält die Gesetzeslage hier für „an sich zweifelhaft“. Er erinnert an den Kreuzstreit in Bayerns Schulen. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hatte damals gegen das Kreuz an der Wand entschieden. Kritiker der deutschen Entscheidung und Befürworter der Kreuze haben vor allem ein Argument: Das Kreuz sei nicht nur ein religiöses, sondern auch ein kulturelles Zeichen, das unsere Gesellschaft mitbestimme.

So sieht das auch Sigl: „Es geht hier nicht um die Trennung von Kirche und Staat, sondern um ein gesellschaftliches Wertesystem. Das oberösterreichische Landesgesetz ist hier sehr, sehr eindeutig. Das ist einzuhalten.“ Die Landeshauptstadt Linz ist in Oberösterreich diesbezüglich übrigens die Ausnahme. In anderen rot regierten Städten wie Wels, Steyr oder Ried hängen die Kreuze nämlich wie eh und je.

Moslems im Pfarrkindergarten

Zur Gänze anders ist die Sache in Wien, wo (zumindest in den gemeindeeigenen Kindergärten) seit Jahrzehnten keine Kreuze mehr hängen. „Die Eltern fragen auch nicht danach“, sagt Claudia Trojer-Dornieden von der zuständigen Magistratsabteilung 10.

Auch in den meisten gemeinnützig-privaten Einrichtungen ist das nicht anders. „Aufregen tut das keinen mehr“, sagt Virginia Franz, Chefin des gemeinnützigen Trägervereins „Kindercompany“.

In der Bundeshauptstadt funktioniert das übrigens auch umgekehrt. Im Kindergarten der Pfarre Wieden – hier hängen sehr wohl noch Kreuze – war zuletzt fast die Hälfte aller Kinder nicht katholischen Glaubens. Warum moslemische, hinduistische oder serbisch-orthodoxe Eltern ihre Kinder dennoch in einen Pfarrkindergarten schicken? „Weil ihnen abseits der Religion vor allem unsere Werte wichtig sind“, sagt der verantwortliche Pfarrer Franz Wilfinger.

AUF EINEN BLICK

In Linz hängen seit den 1970er Jahren keine Kruzifixe in den Kindergärten – und das, obwohl sie das laut Landesgesetz müssten. Die ÖVP kritisiert den verantwortlichen SPÖ-Bürgermeister Franz Dobusch scharf. Der beruft sich auf die Trennung von Kirche und Staat.
In Wien ist der Streit kein Thema. Hier sind religiöse Symbole seit Jahrzehnten verbannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.