Islamunterricht: Antisemitismus im Unterricht

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Ein Lehrer forderte seine Schüler auf, nicht bei jüdischen Firmen zu kaufen. Die Behörde kann (fast) nur zuschauen. Die Sanktionsmöglichkeiten gegen Religionslehrer sind gering.

WIEN.Es war am Donnerstag, dem 15.Jänner 2009, als der islamische Religionslehrer A. seine Klasse in der Kooperativen Mittelschule (KMS) in der Ottakringer Brüßlgasse betrat. Mit dabei hatte er einen Stoß bunter Flugblätter mit den Firmenlogos internationaler Konzerne, die er unter den anwesenden Schülern verteilte. Die Botschaft, die der Pädagoge für die Unterrichtseinheit vorbereitet hatte, lautete: Die genannten Unternehmen seien jüdisch und daher von Moslems zu boykottieren.

„Fordern entsprechende Schritte“

Das geschah vor einem Monat. Am Montag kehrte A., wie die anderen Lehrer der KMS Brüßlgasse, aus den Ferien zurück. Das Einzige, was sie seit seinem antisemitischen Ausritt voneinander unterscheidet, ist: Laut ORF-Sendung „Thema“ muss A. ab sofort vor jeder Unterrichtsstunde die Lehrinhalte mit dem Direktor der Schule abstimmen. Im Übrigen sind die Schulbehörden zum Nichtstun verurteilt. Der Ball liegt nun bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft.

Die Sanktionsmöglichkeiten gegen auffällig gewordene Religionslehrer aller Konfessionen sind nämlich gering. Denn obwohl der Staat (und somit der Steuerzahler) das Gehalt der Religionslehrer bezahlt, kann er (bzw. die zuständige Behörde) keine dienstrechtlichen Konsequenzen über sie verhängen. Auch können sich Behörde und Schulleiter nicht aussuchen, welche Religionslehrer unterrichten. Beides ist ausschließlich der jeweils zuständigen Religionsgemeinschaft vorbehalten.

Im konkreten Fall sehr zum Ärger des Wiener Stadtschulrates, der das Verhalten des Lehrers als „skandalös“ bezeichnet und von der Islamischen Glaubensgemeinschaft „ein schnelles Verfahren mit den entsprechenden disziplinären Schritten“ fordert. Die Schulbehörde selbst habe A. jedoch nur auf sein Fehlverhalten hinweisen und „abmahnen“ können. Mehr sei rein rechtlich bei Religionslehrern nicht möglich. Ganz im Gegensatz zu anderen Lehrern, denen bei „politischer Agitation“ (die Flugblätter sollen im Zusammenhang mit dem Gazakonflikt in Umlauf gebracht worden sein) im Disziplinarverfahren sogar die Entlassung droht.

Disziplinarverfahren

Bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft, die zuletzt wegen einer Studie zum mangelnden Demokratieverständnis von Islamlehrern in die Kritik geraten war, ist man noch nicht so weit. A. habe zunächst eine „letzte Abmahnung“ erhalten, heißt es im Büro von Präsident Anas Schakfeh. Weitere Fehltritte dürfe er sich nicht leisten. Auch werde zusätzlich ein Disziplinarverfahren innerhalb der Glaubensgemeinschaft stattfinden. Wann und mit welchen möglichen Konsequenzen, wollte man am Montag noch nicht sagen.

Was Schule und Behörde im Zusammenhang mit A.s antisemitischem Ausritt als positiv vermerkten, war, dass die muslimischen Eltern der betroffenen Schüler sofort Alarm schlugen. „Umgehend langten bei uns Beschwerdeanrufe und Protest-Faxe ein, durch die der Vorfall erst ans Licht kam“, sagt Direktor Karlheinz Fiedler.

Mit den Schülern sei der Vorfall inzwischen im Rahmen anderer Unterrichtsfächer aufgearbeitet worden. In Geschichte anhand der Analyse des Nahostkonflikts, in Geografie wurden die Eigentümerstrukturen international agierender Aktiengesellschaften besprochen.

AUF EINEN BLICK

Ein Islamlehrer aus Ottakring rief im Unterricht zum Boykott von jüdischen Großkonzernen auf. Schule und Behörde fehlen Sanktionsmöglichkeiten. Die zuständige Glaubensgemeinschaft erteilte eine „letzte Abmahnung“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2009)

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