Kirchenkrise: „Froh, dass wir die Kirche nicht verlassen müssen“

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Oberösterreich kommt nach dem Amtsverzicht Gerhard Maria Wagners zur Ruhe – Suche nach einem neuen Kandidaten startet ab März.

WIEN/LINZ. Ein Wort: „entspannter.“ Mehr brauche er nicht, um die Stimmung in der Diözese Linz zwei Tage nach dem überraschenden Amtsverzicht des designierten Weihbischofs Gerhard Maria Wagner zu beschreiben. Die Erleichterung ist Diözesansprecher Ferdinand Kaineder anzumerken: „Seit Wagners Absage am Sonntag hat sich die Lage beruhigt“, sagt Kaineder im Gespräch mit der „Presse“. Hunderte E-Mails und Anrufe verärgerter Katholiken, die unverhohlen mit Austritt oder Boykott des Kirchenbeitrags drohten, hatten ihn nach der Ernennung Wagners auf Trab gehalten.

Nun bekomme er vor allem positive Rückmeldungen, sagt Kaineder. Die Zahl der E-Mails, die noch auf ihre Beantwortung warten, sei auf unter hundert gesunken. „Wir sind sehr erleichtert, dass wir die Kirche nun doch nicht verlassen müssen“, zitiert Kaineder aus dem Fax, das ihn soeben erreicht hat. Zur Beruhigung der Lage beigetragen habe auch das sechsstündige Sondertreffen der österreichischen Bischöfe am Montag in Wien. Diese hatten in einer öffentlichen Erklärung Fehler der Kirche eingestanden und die „Bitte“ Wagners um Rücknahme seiner Bestellung zur Kenntnis genommen.

In der Diözese Linz erhofft man sich davon auch ein Abflauen der Kirchenaustritte – kehrten in der Woche nach Wagners Ernennung durch den Papst doch 110 Personen, und damit viermal so viele wie sonst, der Kirche den Rücken.

Vorerst Atempause

Natürlich gebe es auch Katholiken, die über den – nicht ganz freiwilligen – Abgang Wagners erzürnt sind und ihrem Ärger Luft machen, sagt Kaineder. Bislang seien die aber in der Minderheit. Auch die Mitarbeiter der Diözese scheinen erleichtert: Im Fall seiner Weihe wäre der mit 54 Jahren noch relativ junge Wagner – zum Missfallen vieler – zum logischen Nachfolger des derzeitigen Diözesanbischofs Ludwig Schwarz geworden, der in fünf Jahren um seine Pensionierung ansuchen dürfte.

Wie es in der Diözese jetzt weitergeht, darüber will im Moment noch niemand sprechen. Schwarz wolle sich in den kommenden Tagen vor allem um Organisatorisches kümmern – in Sachen Weihbischof hat er sich selbst eine Pause verordnet. Ein neues Ansuchen will er erst stellen, wenn sich die Wogen geglättet haben.

In diesem Zusammenhang ein wichtiger Termin: Anfang März. Da treten plangemäß Dechantenkonferenz, Pastoralrat und Priesterrat zusammen. Bischof Schwarz dürfte dort erstmals wieder über mögliche Kandidaten (und einen neuen Dreiervorschlag an den Papst) sprechen.

Gesucht werde jedenfalls ein Weihbischof, der „von der Mehrheit der Gläubigen in Oberösterreich willkommen geheißen wird“, sagte Schwarz in einem Radiointerview. Wagner, dem Schwarz für seine Entscheidung Respekt zollte, werde ab sofort wieder als Pfarrer von Windischgarsten arbeiten.

WAS BISHER GESCHAH

Die Ernennung Gerhard Maria Wagners zum Linzer Weihbischof hat die Kirche in die Krise gestürzt. Der Erzkonservative war nicht von Bischof Ludwig Schwarz (Bild) vorgeschlagen, sondern direkt vom Papst ausgewählt worden. Am Sonntag kündigte Wagner nach heftiger Kritik an, auf sein Amt zu verzichten. Der Vatikan nahm den Rücktritt umgehend an. [AP]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2009)

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