Papst in der Türkei: Der erste Gast in Erdogans Palast

Pope Francis, accompanied by Turkey's President Erdogan, reviews a guard of honour during a welcoming ceremony at the Presidential Palace in Ankara
Pope Francis, accompanied by Turkey's President Erdogan, reviews a guard of honour during a welcoming ceremony at the Presidential Palace in Ankara(c) REUTERS
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Nach Spannungen vor der Visite versuchten der türkische Präsident Erdoğan und Papst Franziskus Einigkeit zu signalisieren. Doch das Treffen der beiden verlief kühl.

Ankara. Nur wenige Minuten nach der Landung in Ankara setzte Papst Franziskus am Freitagmittag bereits das erste Zeichen. Als der 77-Jährige nach der Ankunft in der türkischen Hauptstadt zu dem Fahrzeugkonvoi geführt wurde, der ihn zum Mausoleum des Staatsgründers Atatürk und zu Präsident Recep Tayyip Erdoğan bringen sollte, ging er an dem bereitstehenden dunklen Mercedes vorbei und setzte sich in einen ebenfalls zum Tross gehörenden und wesentlich kleinern Passat. Ursprünglich hatte der Papst darum gebeten, man möge ihm einen ganz einfachen und ungepanzerten Fiat zur Verfügung stellen, doch das lehnten die türkischen Sicherheitsbehörden ab.

Der für seine Bescheidenheit bekannte Pontifex und der machtbewusste Erdoğan, der sich gerade für eine halbe Milliarde Euro einen neuen Palast bauen ließ: Dieser Gegensatz hatte vor dem Papstbesuch für Hochspannung gesorgt. War der Passat auch ein diskreter Fingerzeig Richtung Erdoğan?

Franziskus' Besuch war eine Premiere: Zum ersten Mal wurde ein Staatsgast in dem 500 Millionen Euro teuren Weißen Palast empfangen. Türkise Teppiche, die in Ankara schon seit Längerem das übliche Rot abgelöst haben, eine Reitergarde und ein vergoldeter Baldachin sollen die Macht von Erdoğans „neuer Türkei“ versinnbildlichen. Nach einem Handshake für die Fotografen verschwanden Erdoğan und der Papst hinter den fünf Meter hohen Glastüren des Palastes.

Kritik an Islamophobie

Als sie zwei Stunden später vor die Medien traten, bemühten sie sich um Einigkeit. Erdoğan sprach von der Hoffnung auf eine neue Ära der Zusammenarbeit zwischen christlicher und islamischer Welt, der Papst stimmte zu, ein Dialog werde gebraucht. Beide beklagten die Gewalt im Nahen Osten – Franziskus hatte in der israelischen Zeitung „Yediot Ahronot“ von der schlimmsten Christenverfolgung seit der Zeit des alten Roms gesprochen.

Doch Erdoğan erneuerte auch seine Kritik am Westen. Dort breite sich die Islamophobie immer weiter aus, sagte er. Der Islam werde mit Gewalt in Zusammenhang gebracht. Dagegen müsse gemeinsam vorgegangen werden, forderte er im Beisein von Franziskus. Erdoğan will sich als Fürsprecher der islamischen Welt präsentieren und zugleich im eigenen Land die konservativen Wähler um sich scharen.

Deshalb fuhr er beim Besuch des Papstes eine zweigleisige Taktik. Er bemühte sich um eine Verständigung mit einem der obersten Repräsentanten der christlichen Welt, bekräftigte zugleich aber seine Vorwürfe an den Westen. So kritisierte er erneut, alles rede vom Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Irak, der seit Wochen von den USA und deren Verbündeten aus der Luft angegriffen wird. Doch beim Morden der syrischen Regierungstruppen sehe die Welt zu. Erdoğan zufolge hat der Westen eine Mitverantwortung für die Entstehung islamistischer Terrororganisationen wie al-Qaida, IS oder Boko Haram in Nigeria. Diese Gruppen seien als Folge einer jahrelangen falschen Politik entstanden, sagte er. Westliche Interventionen – gemeint ist vor allem die US-Intervention im Irak 2003 – habe zu einer Radikalisierung geführt, argumentiert der türkische Präsident. „Wir müssen uns gemeinsam sowohl gegen die wachsende Islamophobie im Westen als auch gegen die gegen den Westen gerichtete Gewalt in der islamischen Welt wenden“, sagte Erdoğan.

Lob für Flüchtlingsaufnahme

Franziskus äußerte sich nicht direkt zum Islamophobie-Vorwurf, schloss sich Erdoğan in dem Aufruf zum Dialog aber an. Ziel sei das Ende „aller Formen von Fundamentalismus und Terrorismus“. Der Papst erinnerte an die schwierige Lage der religiösen Minderheiten angesichts der Konflikte in Nahost. Zudem lobte er die Türkei für die Aufnahme von 1,6 Millionen syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen: Die Welt sei moralisch verpflichtet, der Türkei zu helfen.

DICHTES REISEPROGRAMM

Der Türkei-Besuch ist Franziskus' sechste Reise seit seinem Amtsantritt im März 2013. Seine erste Auslandsreise im Juli 2013 führte den Papst zum Weltjugendtag nach Rio de Janeiro. Im Mai 2014 fuhr der Pontifex ins Heilige Land. Im August 2014 besuchte der 77-Jährige in Südkorea den Asiatischen Jugendtag. Nach Albanien ging es im September 2014 – die erste Auslandsreise des Papstes innerhalb Europas dauerte nur elf Stunden. Erst vor Kurzem war Franziskus in Straßburg, um vor dem Europaparlament und dem Europarat zu sprechen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2014)

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